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Eine sagenhafte Gegend, Eheweisheiten aus dem Erzgebirge und unterwegs im wilden Westen - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 01.03. 2024) – Eine wahrlich sagenhafte Gegend ist die, von der im dritten der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters die Rede ist, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 01.03. 24 – Freitag, 08.03. 24) zu haben sind. „Zwei Kahnschnecken voller Gold. Sagen-Geschichten aus Pinnow, Godern und Raben Steinfeld“ – so lautet der Titel des erstmals 2009 veröffentlichten E-Books von Erika und Jürgen Borchardt, das von Jürgen Borchardt für den Kulturverein Sagenland Mecklenburg-Vorpommern e. V. herausgegeben wurde. Die Gegend um den Pinnower See hat außergewöhnlich viele geheimnisvolle Geschichten: 27 Sagen, mit zwölf ganz unterschiedlichen Sagenmotiven. Sie handeln von Göttern und Unterirdischen, versunkenen Burgen, verzauberten Jungfrauen und verborgenen Schätzen, vom Lindwurm und der Wilden Jagd, von der Weißen Frau, der Hexe und dem Teufel, einem geheimnisvollen Hund, einem Geldfeuer sowie verzauberten Mädchen. Natürlich auch vom Petermännchen, dem Schweriner Schlossgeist. Die Geschichten spielen an 16 verschiedenen Orten: beim Petersberg und am Strauchwerder, auf dem Kuckucksberg und der Insel Fischerwerder, am Köllick und Hilligensee, bei der Glückskuhle und am Steinernen Tisch, in der Godernschen Mühle und der Pinnower Kirche, am Steilufer bei Raben Steinfeld und dem Störübergang. Solch eine Vielfalt auf so kleinem Raum ist selten.

Die beiden Autoren Erika und Jürgen Borchardt haben die überlieferten Motive und Geschichten gesammelt und neu erzählt. In einer Einleitung und in Anmerkungen zu einzelnen Geschichten geben sie Informationen zu möglichen tatsächlichen Hintergründen. So gewinnt man auf besondere Weise einen Einblick auch in die frühe Geschichte dieses Landstrichs. Bei Wanderungen zu den Sagenorten wird man die engere Heimat mit neuen Augen sehen.

Erstmals 2006 hatte Karl Sewart mit „Die Liebesfalle“ ein „erzgebirgisches Ehebrevier“ vorgelegt. Darin hat er an die 500 Sprichwörter und witzige Kurztexte zum Thema Liebe und Ehe ersonnen, gesammelt und aufgeschrieben, zehn Kapitel dem erzgebirgischen Leben abgelauschte Eheweisheiten in der ganzen Stimmungsskala von idyllisch, frivol bis schockierend. Und noch eine Besonderheit gibt es: Die humorigen Texte, überwiegend in der Mundart des mittleren Erzgebirges verfasst, wurden vom Autor selbst illustriert.

Erstmals 2018 veröffentlichte EDITION digital als Eigenproduktion sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book „WALKING TALKING. Unterwegs in Irlands wildem Westen“ mit Aquarellen von Helga Kaffke und Texten von Gabriele Berthel. Irland war der letzte gemeinsame Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Malerin und der Schreiberin. Gabriele Berthel teilt ihr Leben auf der Insel nach dem Tod der Ehegefährtin im Winter 2017 mit Tausenden hinterlassenen Blättern. Aquarelle, Farbe auf Papier, Porträts von Landschaften, Menschen und Tieren, in Kaffke-Art. Kaffke-Art ist ein Gütesiegel. Gabriele Berthel malt mit der Sprache. Ebenso großartig, und emotional bis zum Schmerz. Sie malt in Prosa und Poesie. Gründe genug, sich in den wilden Westen zu begeben – in den wilden Westen von Irland.

Um eine lebenswichtige Entscheidung geht es in dem erstmals 1977 veröffentlichten Buch „Gitarre oder Stethoskop“ von Rudi Benzien: Baltus will Arzt werden, einer wie Albert Schweitzer, aber er wird abgelehnt. Die Fürsprache seines Vaters, eines berühmten Schriftstellers, will er auf keinen Fall annehmen. Soll er nun als Gitarrist mit einer Band durchs Land ziehen? Unschlüssig fährt er in die letzten Ferien an die Ostsee. Auf einem Zwischenstopp in Schwerin trifft er eine junge Frau mit einer kleinen Tochter. Seine erste richtige Liebe macht ihm die besagte Entscheidung nicht leichter.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Leider zwingt uns die Gegenwart, dass wir uns wieder intensiv mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen müssen. Es gilt, sich dagegen zur Wehr zu setzen - auch und vor allem gegen den Rassismus im Alltag, der mitunter ganz klein anfängt. Auch davon erzählt das heute vorgestellte, wichtige Buch.

Erstmals 1998 erschien im Arena Verlag Würzburg „Big City Rap“ von Maria Seidemann: „Klee vertreibt den Nebel“. Was ist denn das für ein komischer Satz? Klee vertreibt den Nebel. So hatte Abel, der am 4. Juli gerade seine neunte Klasse beendet hatte, ein Bild genannt, das seine Mom gemalt und ihm geschenkt hatte. Darauf waren verschwimmende Farbflächen zu sehen und er nahm es mit in sein Zimmer und stellte es dort auf sein Regal.

Allerdings hat Abel ein Problem, denn in seinem Zeugnis steht: „Nicht versetzt.“, und damit würde er im nächsten Schuljahr auch nicht mehr neben Silly in der Klasse sitzen.

Zunächst einmal trifft Abel seine Kumpels:

Dann kamen Chuck und Gecko auf Geckos Fahrrad, sie hatten Döner dabei. Wir setzten uns auf die Zementröhren und teilten die beiden Döner, danach rauchten wir erst mal eine. War noch viel zu früh, um in die Glasfabrik zu fahren. Aber bald kam Wind auf, und der Rauch von der wilden Müllkippe am Wäldchen drehte in unsere Richtung. Auf der Kippe brannte immer irgendwas, und meistens konnte man den Gestank kaum aushalten.

Chuck meinte, wir sollten zu den Garagen gehn und sprayen. Wir gingen in den Wagen, und ich holte meine neuen Skizzen aus der Kiste. Wir nehmen immer meine Skizzen. Ich kann mir stundenlang Graffiti ausdenken, immer neue, manchmal zeichne ich auch was anderes, aber meistens sind es Entwürfe für Graffiti.

Aber das wird ihm zumindest in der Schule nicht immer zu seinem Vorteil ausgelegt. Und so will Abel auch gar nicht weiter zur Schule gehen - selbst dann nicht, als man ihm einen Kompromiss anbietet und ihn gleichsam auf Bewährung doch versetzen will. Wird er bei seiner Ablehnung bleiben?

Auch sonst passiert bis zum Ende der Ferien noch manches Schöne, aber auch jede Menge Schreckliches. Sogar Tote gibt es. Das hat auch mit einem Feuer in dem Wohnheim für Asylbewerber aus Afrika zu tun.

Und dann ist da noch die Geschichte mit Silly, mit der er zusammen aufgewachsen ist: Sie ist ein halbes Jahr älter als ich. Wir haben schon immer auf derselben Etage gewohnt, solange ich denken kann. Mom und ich, wir hatten zuerst die kleine Mittelwohnung, Wand an Wand mit Sillys Familie. Ich war früher oft tagsüber bei Sillys Mutter, als Mom noch in die Schule ging, und später auch über Nacht, als sie studierte, und noch später, wenn sie abends länger im Malsaal bleiben musste. Sillys Mutter ist Hausfrau, sie arbeitet nur manchmal im Megamarkt als Aushilfe. Silly und ich, wir waren wie Geschwister. Jedenfalls damals. Als wir noch Kinder waren.

Und jetzt soll Silly schwanger sein?

Außerdem wollen wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass im gesamten Monat März als „Amazon-Deal des Monats“ der Band „Nebelkerzen“ zu haben ist. Darin befasst sich Autor Siegfried Stang detailliert mit den Haysom-Morden und der Suche nach der Wahrheit in diesem aufsehenerregenden Kriminalfall in den USA. Hatte der Diplomatensohn Jens Söring tatsächlich einen Doppelmord ausgeführt, zu dem ihn seine Freundin Elisabeth Haysom, die Tochter der beiden Opfer, angestiftet haben sollte, oder war er doch nicht der zweifache Mörder?

In der folgenden Leseprobe zu „Zwei Kahnschnecken voller Gold. Sagen-Geschichten aus Pinnow, Godern und Raben Steinfeld“ von Erika und Jürgen Borchardt begegnen wir dem Fischer Hollien, dessen alltägliche Existenz durch die Entdeckung eines verborgenen Schatzes am Pinnower See unerwartet auf den Kopf gestellt wird.

Zwei Kahnschnecken voll Gold

Der alte Fischer Hollien hatte die Wadezüge auf dem Pinnower See zur großen Winterfischerei gepachtet. Einst ruhte er von der Arbeit ein wenig aus. Er setzte sich auf die Ruderbank und zündete sich eine Pfeife an. Es war ein schöner Dezembertag. Die Sonne ließ den Reif glitzern und glänzen. Seine Blicke schweiften zur Fischerinsel. Da glaubte er den Augen nicht zu trauen. Nahe der Landungsstelle sah er ein hellgelbes Flämmchen. Dort schien die Erde zu brennen. Ein Mensch aber war nicht zu sehen. Neugierig ruderte der Fischer hin, zog den Kahn an Land und ging auf das Feuer zu. Es kam tatsächlich aus der Erde. Aber es war kein Feuer. Massenhaft Gold und Silber lagen in dem Erdloch. Hollien war ein Mann raschen Entschlusses. Er holte die ziemlich große Kahnschnecke aus dem Boot. Zweimal füllte er sie und brachte den kostbaren Inhalt zum Kahn. Beim dritten Mal hörte er eine Stimme rufen: „Begnüge dich mit dem, was du hast. Oder dich wird großes Unglück treffen.“ Verwirrt blickte er um sich, sah jedoch niemanden. „Wer spricht da?“ rief er. Aber niemand antwortete. Wollte ihm da einer Angst einjagen? Wenn er aus Furcht die Insel verließe, würde sich der Andere ins Fäustchen lachen und sich selber den ganzen Reichtum holen. Aber er konnte keine lebende Seele entdecken. Da ging er zum Schatz zurück. Was mochten die Worte bedeuten? Einen kurzen Augenblick zögerte er. Sollte er nicht doch noch etwas von dem Gold nehmen? Dann aber drehte er sich um und ging mit der leeren Kahnschnecke zum Boot zurück. Er ruderte an Land und brachte den Schatz in Sicherheit.

Mit niemandem sprach er darüber. Wie bisher ging Hollien jeden Tag seiner Arbeit nach. Und wenn er von nun an bei schlechtem Wetter zu Hause blieb, dann fiel das kaum jemandem auf. Wie bisher half er Freunden und Nachbarn, wenn Not am Mann war - vielleicht half er jetzt ein bisschen mehr. Wie bisher war er freigebig gegen die Armen - vielleicht war er jetzt ein bisschen freigebiger. Aber wenn jemand für andere mehr tut als gewöhnlich, dann merkt gewöhnlich nur er selber das. Er ließ sein Häuschen ordentlich in Stand setzen, kaufte sich ein neues Boot und was ein Fischer zum Arbeiten und Leben noch so benötigte. Unbehelligt von allen Sorgen lebte Hollien zufrieden und glücklich. Er war keinerlei Missgunst ausgesetzt. Niemand wusste von seinem Reichtum. Erst als er im hohen Alter sein Ende nahen fühlte, sprach er mit einem Freund über den Schatz. Er gab ihm eine Handvoll Goldstücke und bat ihn, den Rest des Schatzes an die Armen zu verteilen.

„Die Liebesfalle“ von Karl Sewart taucht mit einem humorvollen Blick in die Tiefen des Alltagslebens ein. Die folgende Leseprobe entführt uns in eine Welt voller skurriler Charaktere und ihrer kleinen, aber bedeutungsvollen Geschichten.

Dr Staubsauger

Die „Brawahtsch“-Gertrud steht wieder mal vor der Haustür und „brawahtscht“ ihren Nachbarn vor, was ihr Walter für ein fleißiger und häuslicher Mann ist.

„Näh, näh“, brawahtscht sie, „näh, näh, ihr Leit, ich kaah’s nicht genunk sogn, wie mir mei Walter in ne Haushalt zer Hand gieht! Härt’r’sch däh nicht! Heit nimmt’r mir wieder emol de ganze Staubsaugerei oh! Horcht när bluß emol drauf! Härt’r’sch däh nicht, wie dr Sauger drinne in dr Stub brumme tut? Näh, näh, när su e fleßiger Maa, wie mei Walter ener is! Näh, näh, hält mr däh dos für möglich, wie genau mei Walter dos Rähnemachen nimmt! Härt’r’sch däh, ihr Leit, dar find’t heit weiß Gott wieder emol gar käh End mit seiner Staubsaugerei! Näh, näh, su en’n fleßigen un rähnling Maa, dan kahst de doch in ne ganzen Dorf zernstrüm noch emol suchen, uhne dass de ne find’st! Näh, näh ...“

Die Nachbarn sehen das mit dem fleißigen Walter freilich ein bisschen anders. Die Weinhold Elsbeth etwa, die wohnt von der „Brawahtsch“- Gertrud genau gegenüber, und zwar einen Stock höher, sodass sie in der Gertrud ihre Wohung hineingucken kann. Ja, und da sieht man eben den fleißigen und reinlichen Walter gemütlich auf dem Sofa liegen und vor sich hindösen, so wie der’s für sein Leben gern macht. Den eingeschalteten Staubsauger aber hat er fürsorglich an den Fensterstock gelehnt, damit das Brummen von draußen auch wirklich gut zu hören ist.

Ugeschick, verloss mich nich

„Heit hot’s of dr Baustell fei en’n Ufoll gegabn“, derzöhlt dr Gottscholk-Mäurer nooch Feierobnd seiner Fraa. „Mit’n Gerüst war ewos nich in Ordning, un do sei zwee Arbeiter runnergesterzt. Se sei ober gelei ärztlich versorgt worn, un dr Polier hot’s aah gelei dr Versichering gemald’t, domit se aah ihr Gald kriegn tu.“

„Un du?!“, frögt de Fraa.

„Ich hob Glück gehot. Ich hob mich gerode noch an en’n Bolken festhalten könne.

„Dos nennst du Glück?! Die annern kriegn es Gald, un du giehst für lauter Ugeschick wieder emol leer aus!“

Klääkinnerscheiß is dr beste Ehekitt.

Diese Leseprobe von „WALKING TALKING. Unterwegs in Irlands wildem Westen“ mit Aquarellen von Helga Kaffke und Texten von Gabriele Berthel entführt den Leser in die tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, die im irischen Westen allgegenwärtig ist.

WALKING TALKING

Alles hängt vom Gleichgewicht ab. Noch fünf Schritte, sechs, dann fällt die Straße steil ab in die Senke. Man muss das mitkriegen. Man muss die Kuppe genau im Auge behalten. Wenn man zu flott rankommt, ist man ruckzuck unten. Es zieht einem die Gräten weg. In der Senke hält sich die Nässe am längsten. Weil der Wind bloß drüberhin pfeift und die Sonne gar nicht erst auftaucht, oder nur auf einen Sprung, nur um Bescheid zu sagen, dass sie nicht kommt. Dort unten, am Grund, bleibt die Straße, wie sie immer war. Mit riesigen Lachen vom Regen. Mit tiefen Schlammlöchern. Es ist ein schwieriges Stück. Man kann nur einen Fuß vor den anderen setzen. Das muss man raushaben. Am besten ist es, genau in der Mitte zu gehn, denn die Straße schwankt ein bisschen. Der Schmadder im Graben tut nicht weh. Es dauert bloß, bis man hochkommt.

In Paddys Schädel zwitschert das Stout. Paddy hört es gut, er kennt jeden Ton, er kann sie genau auseinanderhalten. Bisschen die Kehle nassmachen war er, in Snoopy`s Bar, aber er hält sich so aufrecht er kann, das muss man bringen, einen abbeißen und hinterher gradegehn, alles hängt vom Gleichgewicht ab, das kann man hinkriegen. Man muss den Pfiff kennen, dann ist es so einfach wie einen Fuß vor den anderen zu setzen, langsam, es hat keinen Zweck, so aufzudrehn. Wenn Paddy ehrlich ist, muss er zugeben: mehr Tempo würden seine Treter gar nicht durchhalten. Nicht dass sie schon in Fetzen gehn, Leder, weiß Paddy, kann einiges ab, das ist zäh. Aber die Schnürsenkel, die sind fort, so‘n Krempel ist fix erledigt, am Ende kaum gut für‘n Knoten, Paddy hat das nicht gebracht. Klar kann er neue kaufen, kann er sich leisten, macht er nicht, die Botten schlackern bisschen, es geht so, es geht, man muss das weghaben, Dampf machen hat keinen Sinn.

Auch wegen dem Graben. Der tut Paddy nicht weh, aber Martha, Martha würde gleich sehn, wenn er im Schmadder gelegen hat. Martha sieht alles. Dann ginge das Jammern wieder von vorne los. Das ganze Lamento. Oder womöglich nicht. Weil ja auch Martha weg ist. Nicht zäh genug. Nicht zäh. Martha kann Snoopy nicht leiden. Weil der kein Ende macht, wenn Paddy keins kennt, wenn er sich zu viel auf die Lampe gießt, aber was bleibt ihm denn übrig, wo er‘s bloß tut, damit die Musik wiederkommt, das Zwitschern, das braucht seine Zeit.

Snoopy‘s Stout ist gut für Musik. Man muss es in kleinen Schlucken trinken, in ganz kleinen, beinahe wie Tee, das zieht sich hin, man muss warten können. Sowieso ist Paddy immer der letzte am Tresen, der erhört wird, der allerletzte, das dauert, warten kann Paddy endlos. Je kleiner die Schlucke, desto später kommt das Kribbeln im Bauch an. Je später das Kribbeln im Bauch ankommt, desto besser ist die Musik im Schädel. Das ist einfach. So wie man einen Fuß vor den anderen setzt, langsam, Paddy hat das drauf.

Shut up, Martha, sagt Paddy,vorsichtshalber, damit nicht alles wieder  von vorne anfängt, und das ist ein Rüffel, aber er sagt noch bisschen mehr, nix Besonderes, so Zeugs eben, für Martha bestimmt, die wird schon ein Ohr dafür haben, Martha hat immer genau hingehört.

Der Weg von Snoopy‘s Tresen zu Paddys Koje zockelt sich so weg, Paddy spricht im Gehen und geht im Sprechen, und es scheint ihn nicht zu wundern, dass ein Gespräch einfach so in der Luft liegt. Er weiß ja noch, wie man das macht: das Wort ergreifen, wenn es vorbeikommt. Der Weg zockelt sich weg, schwankt, aber ist sicher, da kennt Paddy wirklich ein anderes Schlingern, lange her, lange vorbei, aber nichts ist verloren, Paddy kennt jeden Ton, jeden Zuruf, er kann sie genau auseinanderhalten – wo doch schließlich alles abhing davon: ob die Fische im Kahn landen oder der Kahn bei den Fischen und natürlich die Kiste Makrelen vom Fang für Paddy, den handyman, den Handlanger, darauf hat sich Paddy verstanden, das hat er gebracht, so‘n Leben kann da schon drüber hingehn, man darf bloß nicht eilig sein. Große Fänge wird Paddy nicht mehr machen, er hat getan, was er draufhatte, es ging so, es ging, das hat gedauert, jetzt gibt es nichts mehr einzuholen, aber das Leben ist nett zu Paddy: irgendwas ist immer noch drin.

Der Weg zockelt, er zieht sich hin, doch Paddy hat Zeit, jede Menge, und es ist gut so, denn in seinem Nest, in seiner blöden Falle, ratzbatz, ist die Musik aus, der Saft alle, abgedreht, nicht das leiseste Zwitschern. Da kann einer sich bloß noch hinhauen, alle Viere von sich, lauschen kann er ewig, bringt nix. Nicht mal‘n Krächzen, nicht mal das. Nicht mal Krähen vorm Fenster. Weil keine Kiefern mehr stehn. Keine krummgezogenen, schief in den Wind gestemmten, die bisschen was hatten von Padraic O‘Toole. Paddy ist noch da. Kiefern keine. Aber die Knorren waren zäh, noch im Feuer, Paddy hat das Wasser in den Augen gestanden, so viel Rauch. Es hat ihnen nichts genützt. Krähen, klar, sind auch weg. Paddy hat Ruhe, wenn die Musik aus ist.

Die Senke liegt jetzt hinter ihm. Die mit den Wasserlöchern. Mit den Gräben. Das schwierige Stück. Hier oben pfeift‘s wieder. Aber auch die Sonne scheint Paddy auf den Pelz, und sie nimmt nichts dafür, sie macht das ganz umsonst, dafür hat er was übrig. Im klammen Kreuz kriecht sie ihm hoch, das tut gut, wo er jetzt gleich an Martha vorbei muss. Von der Straße aus ist Martha nicht zu sehn. Aber Paddy weiß, wo er sie findet. Erst muss er durch den engen Steintritt in der Mauer. Jeder passt da nicht durch, er schon. Oder er geht hintenrum, Knoten aufdrieseln. Knoten, die immer morscher werden, wie die quietschenden Scharniere, an denen der Strick festgezurrt ist. Das Gatter, das in die Scharniere passte, lauert hinterrücks als Blechgerippe im Gras. Man muss die Stelle kennen, sonst liegt man fix auf der Plauze. Der Rost kaut dran, aber er konnte‘s nicht kleinkriegen, noch nicht, man muss Geduld haben, muss zusehn können, wie das Gras sprießt, saftiges Gras, es wächst wie wild, aber es kann nicht alles zudecken, nicht den ganzen Rost, nicht alle alten Geschichten.

Meistens wartet Martha schon. Manchmal muss er allerdings erst die Schafe scheuchen. Nicht dass Paddy Geheimnisse vor denen hätte. Aber schließlich muss er ihretwegen immer öfter kommen. Das grüne Gras, das auf Martha wächst, ist denen nicht genug. Es juckt sie, und dann ist der Stein dran. Paddy hatte wenig Kies damals, deswegen blieb der roh, deswegen hat der raue Kanten. Die Schafe kommen gerne zu Martha. Aber so fest kann ein Stein gar nicht stehn. Dass er so viele Schafe aushält. Lehnt er erst schief in der Luft, kann er bald kippen. Zwar ist Martha nach zwanzig Jahren keine Fremde mehr für den Stein. Da darf der sich über sie beugen. Aber auf der Seele liegen, weiß Gott, das soll er ihr nicht. Paddy muss dann ran, Paddy geht öfter nachsehn. Und Martha, falls er sie richtig verstanden hat, hat ihm verziehn.

Früher hat Paddy das schwere Stück noch alleine hochgewuchtet. Jetzt kann er das vergessen. Jetzt wär‘ er ohne Hilfe aufgeschmissen. Einer hält und einer hält gegen. Es hängt vom Gleichgewicht ab. Meistens findet Paddy wen. Wenn grade keiner da ist, kann er Martha nicht helfen. Dann muss sie flacher atmen. Paddy sagt ihr jedes Mal, dass sie nicht vergessen soll, Luft zu holen. Aber Martha antwortet nicht etwa: „He Paddy, danke, merk ich mir“, oder so was, was sie wirklich könnte, weil‘s ‘n guter Tipp ist. Paddy weiß, wie wichtig das Luftholen ist, man muss das bringen, dann ist es so einfach wie Tee trinken, man muss sich Zeit nehmen dafür, und davon hat Martha doch genug. Nein, manchmal ist Martha nicht ganz richtig. Manchmal brabbelt sie ruppigen Stuss, Kokolores, so Zeugs eben, für Paddy bestimmt, der jeden Ton kennt, der sie genau auseinanderhalten kann. Aber wenn er will, kann er auch weghören. Über jedes Gesabbel wird er sich nicht den Schädel zerbrechen, den schönen Schädel mit der ganzen Musik drin. Shut up, Martha, sagt Paddy, shut up!

Martha antwortet selten, aber Paddy weiß, dass davon nichts abhängt für ihn und die Welt. Nichts geht verloren, nichts wirklich Wichtiges, selbst was Paddy in den Wind redet, ist nicht auf und davon, der Wind wohnt in den Drähten über ihm, und hier oben pfeift er ihm eins, dass seine Ohren glühn, dass sie ihm klingen, Musik zur Musik, das ist  gut.

In „Gitarre oder Stethoskop“ von Rudi Benzien finden wir uns inmitten einer Geschichte, die das Leben, die Liebe und die unerwarteten Wege, die das Schicksal einschlägt, erkundet. Die folgende Leseprobe zeichnet einen Tag im Leben der Charaktere Baltus und Simone nach, ein Tag, der scheinbar alltägliche Begegnungen in Momente voller Bedeutung verwandelt.

Wer fährt am nächsten Morgen vor Ninas Kindergarten vor? Baltus.

Baltus bringt Simone und Nina. Während Simone das Kind ins Haus begleitet, sucht er im Rückspiegel nach Spuren der Schlaflosigkeit in seinem Gesicht. Mit Erfolg! Simone kommt eilig zurück.

Steig auf, ich fahre dich noch zum Krankenhaus. Sozusagen meine Gegenleistung für die freundliche Übernachtung. Es hätte schließlich schlimmer kommen können, Nagelbrett, oder auf Glasscherben schlafen.

Ich komme auch mit der Straßenbahn noch pünktlich, sagt sie.

Zier dich nicht, steig schon auf.

Folgsam setzt sich Simone hinter Baltus.

Kaum fünf Minuten später sind sie am Krankenhaus. Simone reicht Baltus die Hand.

Dann auf Wiedersehen, du wirst ja nun weiterfahren. Ihre Stimme zittert, jedenfalls scheint es Baltus so.

Er hält ihre Hand fest.

Das muss ich ja wohl, oder?

Simone entzieht ihm ihre Hand und sagt schon im Gehen:

Reisende Leute soll man nicht aufhalten, hat meine Oma immer gesagt.

Sie verschwindet hinter der Pendeltür.

Baltus fährt zurück zur Wohnung der Mädchen. Er wird seine Sachen nehmen und verschwinden. Wohin? Das wissen die Götter. Kurs Nord.

Auf dem Tisch liegt ein Zettel für ihn. Von Monika keine Spur. Er liest:

Deine Sachen liegen in der Küche neben der Wasserleitung. Ich bin noch einmal für ein paar Tage weggefahren. Also, mach’s gut. Gute Reise und viel Spaß an der Ostsee.

Den Schlüssel kannst du in den Briefkasten werfen.

Moni

Baltus nimmt sich seine Sachen und geht nach unten.

Als er an der Wohnungstür der Frau von Bredenfelde vorbeikommt, tritt die alte Dame in den Flur.

Guten Morgen, junger Mann. Ach, Sie wollen schon fahren? Schade, schade. Das hat mir Ihre Cousine gar nicht gesagt. Schade.

Baltus lässt sich nicht anmerken, dass er überrascht ist. Von wegen Cousine! Hoffentlich fragt sie mich nicht, wer von den beiden meine Cousine ist. Quatsch eigentlich, sie weiß es ja, denkt Baltus.

Ich will weiter zur Ostsee, ich habe hier nur kurz Station gemacht, sagt er.

Die Hecke, wissen Sie, die muss ein Mann schneiden, ich kann das nicht mehr. Aber wenn Sie es eilig haben, will ich Sie nicht halten.

Baltus legt seine Utensilien in die hinterste Flurecke und zieht sich die Lederjacke aus.

So eilig, dass ich nicht noch schnell Ihre Hecke frisieren kann, so eilig habe ich es wirklich nicht.

Baltus schätzt, dass er höchstens eine Stunde dazu braucht.

Die Hecke umgibt das Grundstück von allen vier Seiten und muss mindestens so lange nicht geschnitten worden sein, wie das Feldbett auf dem Boden alt ist. Nach einer Stunde hat Baltus eine beachtliche Kollektion Blasen an den Händen, doch nicht mal die Hälfte der Vorderfronthecke ist geschafft. Und die Hecke an den Seiten und hinterm Haus ist wesentlich höher, die Zweige sind dicker.

Auf was habe ich mich da eingelassen? fragt sich Baltus. Das sieht nun fast nach Lebensaufgabe aus, was ich in einer Stunde hinter mich bringen wollte.

Zu Mittag isst er bei Frau von Bredenfelde in der guten Stube. Kohlrübeneintopf von einem Meißner Teller, gelöffelt mit einem Silberlöffel.

Baltus ist beeindruckt. Nicht so sehr von den Kohlrüben. Aber was hier an Möbeln steht, was hier an den Wänden hängt, jedem Antiquitätenfan würde das Herz aus dem Leibe springen.

Wer das alles zusammen kaufen wollte, müsste aber die alte Dame mit übernehmen, findet Baltus, nur durch ihre Anwesenheit leben diese Sachen, ohne sie wären sie nur kalter, alter Plunder.

Schweigend sieht die alte Dame Baltus beim Essen zu. Ihr entgeht nicht, dass er sich aufmerksam alle ihre schönen Sachen ansieht.

Nach dem Essen geht Baltus wieder auf die Hecke los. Bald sind seine Handflächen so geschwollen, dass die Haut spannt, wenn er den Griff der Heckenschere loslässt und die Finger spreizt. Er führt einen verbissenen Kampf und verliert von Schnitt zu Schnitt das Gefühl für Zeit und Schmerz.

Endlich kommt er an das Ende der ersten Seitenfront. Nur noch eine Seitenfront und die hintere Hecke warten auf Baltus und die Schere.

Nur noch!

Er wirft einen Blick auf die Uhr: In zwanzig Minuten ist es vier.

Da kommt ihm eine Idee.

Er wirft die Heckenschere ins Gras, wäscht sich unter dem Wasserstrahl des Gartenschlauches. Eine ganze Weile lässt er den kühlen Strahl über seine zerschundenen Handflächen laufen. Eine solche Wohltat hat er noch nie empfunden.

Dann zieht er sich schnell sein Hemd über, und im Laufschritt geht es zum Motorrad.

Die Uhr neben der Einfahrt des Krankenhauses zeigt an, dass es ein paar Minuten nach vier ist. Baltus postiert sich mit seiner Maschine so, dass er genau die gläserne Pendeltür im Blickfeld hat.

Da kommt Simone.

In „Nebelkerzen“ von Siegfried Stang tauchen wir tief in die faszinierende Welt der Kriminalistik ein, wo jeder Hinweis, jeder Beweis und jedes Detail entscheidend sein kann. Die folgende Leseprobe zieht uns direkt in den Gerichtssaal, wo der Zeuge Robert Hallett in einem besonders kniffligen Fall aussagt.

Der Sockenabdruck LR–3

Seitens der Staatsanwaltschaft wurde dann der letzte Zeuge der Anklage, Robert Hallett, aufgerufen, und zwar im Hinblick auf die blutigen Sockenabdrücke, die die Polizei auf dem Boden im Erdgeschoss des Hauses in Loose Chippings vorgefunden hatte. Hallett stellte den Abdruck mit der polizeilichen Bezeichnung „LR–3“ bei seinen Aussagen in den Vordergrund.

Er trat nicht als Sachverständiger in den Zeugenstand, sondern lediglich als Zeuge, durfte also nur Tatsachen feststellen, nicht jedoch Beweismittel interpretieren. (1077) Das hatte Richter Sweeney so festgelegt, denn er war der Meinung, dass es zu Sockenabdrücken keine polizeilichen Datensammlungen (wie etwa bei Fingerabdrücken) gebe, deshalb sei eine exakte wissenschaftliche Einordnung von solchen Abdrücken nicht möglich. (1078)

Sweeney traf die Entscheidung keineswegs gegen den Willen der Staatsanwaltschaft, denn nach Updikes Auffassung konnte es überhaupt keinen Sachverständigen für Sockenabdrücke geben, weil es keine Datenbanken für diese Art von Spuren und auch keine Vielzahl von Fällen mit dieser Problematik gab. (1079)

Updike hatte alle Beweisstücke zu den Sockenabdrücken mit der Bitte um Untersuchung an das FBI-Labor in Quantico geschickt (1080) und die Aufgabe war Hallett – einem dort beschäftigten Mitarbeiter – zugewiesen worden. Er war kein Experte auf diesem Gebiet der Forensik. Und nun zeigte er auf Anordnung von Richter Sweeney als Zeuge – nicht als Sachverständiger – was er festgestellt hatte. Dazu war von ihm ein sogenanntes „Overlay“ gefertigt worden: Auf eine durchsichtige Folie war in Originalgröße der Fußabdruck aufgebracht worden, den Söring bei der Polizei abgegeben hatte, nachdem seine Fußunterseite mit Spurensicherungspulver (Tintenpulver) präpariert worden war.

Diese Folie wurde nun auf ein ebenfalls originalgroßes Foto von dem blutigen Sockenabdruck vom Tatort gelegt, der die Bezeichnung „LR–3“ trug. (1081) Die Übereinstimmungen waren frappierend. Zu diesem Ergebnis kam sogar Söring selbst: „Die Ähnlichkeit war bemerkenswert.“ (1082) Dieser Einschätzung kann man eigentlich nur beipflichten, wenn man sich das Overlay-Konstrukt anschaut (siehe Foto). Beides sieht auf den ersten Blick deckungsgleich aus.

Mit dem Erscheinungstag des heutigen Newsletters soll es hierzulande zumindest meteorologisch gesehen Frühling und vielleicht auch schon etwas wärmer und regenfreier werden. Warten wir es ab und hoffen wir das Beste.

Vielleicht kann man sogar schon bald wieder ein bisschen draußen sitzen und im Freien lesen, zum Beispiel auf einer Bank im Park, im Garten oder auch auf dem Balkon. Angebote dafür bringt die heutige Post aus Pinnow genug, darunter die Sagen aus der Gegend um den Pinnower See und ein Buch über die Entscheidung eines jungen Mannes zwischen Medizin und Musik.

Die Newsletter-Mannschaft wünscht jedenfalls einen schönen Frühling und bleiben Sie auch im dritten Monat des neuen Jahres vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die neuen Lese-Vorschläge werden schon zusammengestellt.

In zweiten März-Newsletter steht mit „Nebelnacht“ von Heiner Rank ein DDR-Krimi im Angebot. „Nebelnacht“ war erstmals 1967 in der bekannten und beliebten DIE-Reihe (Delikte, Indizien, Ermittlungen) im Verlag Das Neue Berlin erschienen und zwei Jahre später von der DEFA verfilmt worden: „DRINGEND! SOFORT IN ANGRIFF NEHMEN!“ steht auf dem Aktendeckel, den Leutnant Kreutzer von der Kriminalpolizei in seinem Büro vorfindet.

Mit dem spärlichen Bericht - Junge Lehrerin entdeckt gegen 22 Uhr kurz vor dem Ortseingang Philippsthal einen schwer verletzten Radfahrer, Auskunft über den Hergang des Unfalls kann der Verunglückte nicht geben - und den Ergebnissen der Spurenauswertung ausgerüstet, beginnt er die Fahndung nach einem zweifarbigen Wartburg, dessen Fahrer den Unfall verursachte und danach flüchtete. Aber offenbar ist es einfacher, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen als diesen Wagen im Bezirk Potsdam zu finden. Und dann wartet noch eine Überraschung auf den Kriminalisten …

In der Verfilmung von 1969 spielte Peter Borgelt den Ermittler, im Film war dieser zu Oberleutnant Kreutzer befördert worden.

EDITION digital: Newsletter 01.03.2024 - Eine sagenhafte Gegend, Eheweisheiten aus dem Erzgebirge und unterwegs im