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Das Hundeohr von Herbert Otto
Autor:
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
06.03.2015
ISBN:
978-3-95655-313-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 309 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Fantasy/Humorvoll, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Liebesroman/Erotika, Belletristik/Politik, Belletristik/Thriller/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Familienleben, Politthriller/Justizthriller, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.), Fantasy: Humor
Artist, CIA, Arzt, Agent, Mord, Erpressung, Mafia
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Er ließ Bickel eine Zeit lang lesen, holte heißes Wasser und die Büchse mit dem Kaffeepulver. Ob er ihm Karlis Tagebuch zeigen oder es überhaupt erwähnen sollte, war immer noch nicht entschieden, er neigte jedoch eher dazu, nur sein Wissen daraus zu verwenden. Je mehr verunsichert, desto schwächer ist der Mensch. Und sein Widerstand.

Er saß da wie unschlüssig am großen Tisch in der Küche, schlug Notizen auf, ohne sie zu lesen, ordnete an den Stapeln. Eine Dose mit orientalischen Kräutern stand da. Er öffnete sie und atmete tief und lange die Düfte ein, so als könnte es eine letzte Stärkung bedeuten vor dem Auftritt, der nun doch schwerer schien als angenommen.

»Also, was ist Ihr erster Eindruck, Doktor?«

»Ja. Erstaunliche Papiere.« Bickel trug nun eine Brille mit sehr dünnem Rand. »Ich wusste nur, dass Karl intensiv und viel gearbeitet hat. Darf ich fragen, wie Sie in den Besitz der Papiere gekommen sind?«

»Dürfen Sie. Er hat sie mir hinterlassen. Durch Verfügung im Falle seines Todes, der ja eintrat. Sie können den Brief später sehen. Kaffee machen Sie sich selbst?«

»Ja, danke.«

»Oder möchten Sie Kognak dazu?«

»Nein, nein. Aber einen Aschenbecher.« Bickel holte Zigaretten und Feuerzeug aus den Taschen. Er nahm die Brille ab, und sein Blick lief eilig suchend über Edgars Gesicht. »Sie würden mir die Arbeiten tatsächlich überlassen?«

»Wie viel sind Sie Ihnen wert?«

»Einiges müsste ich noch sehen, bevor ich das weiß.«

»Gut. Studieren Sie weiter.«

Nun holte Edgar das Lasso, das im Keller bereit lag, warf es von der Tür aus und sagte knapp und heiter: »Hepp!« Die Schlinge, die genau um den Mann und die Stuhllehne lag, zog er blitzschnell zu. »So einfach. Sehen Sie.«

»Was soll das?«, fragte Bickel erschrocken.

»Ich bin Artist. Haben Sie das vergessen?«

»Nein, nein. Sie machen das wirklich gut «

»Damit bin ich schon als Kind aufgetreten«, sagte Edgar, während er das Seil sorgfältig schnürte.

»Und Sie meinen, ich soll mich jetzt befreien«, sagte der Mann.

»Richtig.«

Bickel versuchte sich zu strecken, dehnte Brust und Schultern vergeblich. Edgar sah ihm belustigt zu. »Anstrengen müssen Sie sich schon«, sagte er und schnürte weiter. »Und es will gelernt sein wie alles. In den Staaten gab es einen unerreichten Künstler, der sich aus Ketten und Käfigen befreite. Vor Zehntausenden Zuschauern. Spektakuläre Auftritte jedes Mal. Es war Harry Houdini.«

»Sie haben gewonnen«, sagte Bickel. »Ich schaffe das nie.«

»So war es auch gedacht.«

»Also binden Sie mich los.«

»Was mich wundert, Bickel, Sie sind offenbar ohne jeden Argwohn hergekommen. Oder sollte ich mich täuschen? Drei, vier Knoten noch. Dann sind wir fertig. Ich werde Sie von jetzt ab einfach Bickel nennen. Einverstanden?«

Allmählich schien der Mann zu begreifen, dass es nicht um einen Scherz ging.

»Binden Sie mich los«, sagte er drohend. »Oder sind Sie verrückt?«

»Ich frage mich das auch mitunter. In letzter Zeit.«

»Hören Sie sofort damit auf«, schrie der Mann. Er stemmte die Beine gegen den Boden und zappelte, so gut er noch konnte. »Haben Sie verstanden endlich!«

»Nicht so schreien, Bickel. Das kostet nur Kraft. Ich weiß doch, dass Sie nervös sind. Das sollen Sie auch. Dabei fällt mir ein, dass ich noch etwas gegen das Fensterchen stellen müsste. Eine Matratze oder so.«

Mann und Stuhl waren jetzt ein sauber geschnürtes Bündel. Das Seilende schlang Edgar um ein Wasserrohr an der Wand. Bickels Unterarme hatte er nicht mit verpackt.

»Sitzen Sie bequem so? Denn es kann dauern.«

Der Mann hatte die Augen geschlossen und ließ den Kopf hängen, und er machte im Augenblick den Eindruck, als sei jede Absicht zum Widerstand bereits erloschen. So frühzeitig. Er sagte nun leise: »Sie berauben mich meiner Freiheit. Ist das so richtig?«

»Nein. Ich habe Sie verhaftet.«

»Es wird Sie eine Menge kosten, Herr Deutschmann. Das wissen Sie hoffentlich.«

»Ihre Stimme klingt so anders«, sagte Edgar. »Sie hören es sicher selbst. Ein Mann, der Angst hat, entfremdet sich plötzlich. Angst verändert sehr.« Edgar saß nun auf dem zweiten Stuhl am Tisch. »Nein, Bickel. Es wird Sie eine Menge kosten. Ich habe den Eindruck, Sie sind eine Art Existenzialist. Der nur nach eigenen Gesetzen lebt. Und wer das tut, weiß gewöhnlich, dass er irgendwann dafür zahlt. Genug der Philosophie. Wir haben nur zwei Nächte und zwei Tage. Einfache Frage, einfache Antwort. Wo waren Sie am achten Juni nachmittags und abends?«

Nach längerem Schweigen sagte Bickel: »Wie soll ich das jetzt wissen. Kann ich etwas trinken?«

»Ja, sofort.« Edgar bereitete Kaffee für ihn zu. »Dieser Tag war sehr heiß. Bitte.«

Trinken konnte Bickel, obwohl seine Hände stark zitterten. »Und eine Zigarette.«

»Natürlich«, sagte Edgar. »Übrigens habe ich nicht die Absicht, grob zu sein. Ich werde Sie weder treten noch schlagen. Mach die Gerechtigkeit durch Gnade erträglich, heißt es bei einem Klassiker. Also. Ich helfe Ihnen. Es war ein Freitag. Der achte Juni.«

Er sah Bickel zu, der die Zigarette fast verzehrte, den Rauch tief und gierig einsaugte, wie Ertrinkende die Luft.

»Wo waren Sie an diesem Tag, und was haben Sie getan.«

Das Hundeohr von Herbert Otto: TextAuszug