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Gegen Kulka wehrte er sich: »Nein, darum allein nicht. Aber ich bin kein Bettler. Das bin ich nicht. Du weißt ja nicht, was die Altbauern sagen. Wenn sie hier in der Schenke hocken und hecheln. Der Büttner-Hannes, das ist der Schlimmste. Denkst wohl, ein Bauer bist du, sagt er. Weil du die Almosen gekriegt hast. Aus der Bodenreform, he? Und die anderen kichern und stecken die Köpfe zusammen. Ich bin nicht auf die Brosamen angewiesen, verstehst du? Ich will, was rechtmäßig mein Eigen ist...« Er stockte, sprach weiter: »Jetzt aber ist das Pferd hin. Wie soll ich denn pflügen?« In seinen Augschlitzen schimmerten schwere, große Tränen.
»Das können wir regeln, das«, tröstete Kulka, nippte am Bier und starrte durch die Flüssigkeit, bis auf den tönernen Grund des Krugs. »Zum Komitee gehen wir. Zum Komitee für die Bauernhilfe. Auch wenn es kein Gaul ist. Einen Ochsen treiben wir schon auf für dich. Aber die Minen... Wenn nur diese heimtückischen Dinger nicht wären...«
Haselmann schob angewidert das Bier beiseite und forderte zur Theke: »Rück noch einen Kümmel raus, Dicker. Zwei, für den Hinkepoot einen mit. Das Zeug hier ist nicht zu saufen. Diese elende Magermilch...« Auf Kulka gezielt, sagte er: »Und wenn ich selbst drauf krepiere, auf dem Weihnachtshang. Ich geh nicht wieder runter von ihm.«
Kalle Kulka sagte plötzlich: »Ich versuchs.«
Am anderen Morgen saß Kalle Kulka auf einem luftbereiften Ackerwagen, den ein Traktor hinauf zur Weihnachtshöhe schleppte. Haselmann und andere Neubauern luden den Pferdekadaver auf den Wagen und holperten mit ihm ins Dorf hinunter. Mehrere Steilen des zerfetzten Tierleibes zeigten frische Schnittwunden; über Nacht hatten hungrige Leute aus der Umgebung bereits das Fleisch an den Keulen, den Lenden und der Brust gestohlen und vielleicht schon verzehrt. Kulka blieb und besichtigte die Unglücksstätte. Die Erde war aufgetrichtert und von Blut durchfeuchtet. Kulka bog die Unkrautstauden daneben auseinander, die Quecken und Schachtelhalme. Er sah das metallische Gleißen der gebräunten Tretminen. Er wußte noch nicht, wie viele es sein würden. Vorsichtig schnitt er mit seinem Taschenmesser die Halme der Pflanzen ab. Dann untersuchte er die platten, kreisrunden Sprengkörper. Er kannte das Fabrikat, im Strafbataillon war er an ihm ausgebildet worden. Er schraubte die Kapseln ab und barg die Zündsätze. Seine Finger durften nicht zittern, nicht einen Augenblick. Haselmann und die Bauern waren wieder zurückgekehrt. Sie standen am Feldweg und bangten um den Arbeiter. Sie konnten aus der Entfernung nur ahnen, was er tat. Sie verfolgten mit ihren Blicken jede seiner Bewegungen und schwiegen. Hin und wieder traf sie das Blinken der Klinge. Jedesmal, wenn Kulka sich aufrichtete, atmeten sie erleichtert auf. Einmal kam der Arbeiter zu ihnen und bat um etwas Kaffee. In den Falten auf seinem Gesicht glitzerte der Schweiß. Sie wagten nicht, ihn nach seiner Arbeit zu fragen. Sie reichten ihm das Getränk und haschten nach seinen Augen. Sie hofften, aus ihnen irgendein Zeichen zu entnehmen, das sie klüger machte. Kulka schlürfte den heißen Kaffee in kleinen Schlucken. Er brannte sich eine Zigarette an, zertrat sie aber halbgeraucht im Gras. Dann drehte er sich wortlos um und humpelte wieder auf die ungepflügte Fläche. Meter um Meter tastete er sich den dunklen, drohenden Fichten entgegen. Die Bauern wichen nicht von der Stelle. Wenn sie sich etwas zu sagen hatten, flüsterten sie nur. Endlich gewahrten sie, daß sich Kulka immer seltener bückte. Schließlich, als er den letzten Zipfel des Hanges durchstreift hatte, wankte er vom Feld. Über ein Dutzend Minen hatte er bis zum Nachmittag entschärft. Auf seinen verschwitzten Armen klebten die trockenen Spelzen vom Flughafer. In den Stoff seines Anzugs hatten sich Kletten gehakt. Erschöpft ließ er sich auf den Rasen am Wegrand sinken. Das eine Hosenbein rutschte Kulka fast bis zum Knie hinauf. Es entblößte eine geschiente hölzerne Prothese.