Home
eBook-Shop (nur Verlagstitel)
Links
Warenkorb
Ich klopfte mir den Staub von der Hose und fragte: »Sag mal, kennst du nicht Sigrid Seidensticker, das Mädchen aus der Zwölf b? Seit Donnerstag ist sie verschwunden. Hast du keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
Er starrte mich an. Ein schwer zu deutender Blick. Argwohn oder Betroffenheit.
»Sie soll einen Freund gehabt haben. Parallelklasse...«
»Wenn Sie mich damit meinen... Ja, das stimmt. Vor drei Wochen aber war Schluß. Hab eine andere jetzt, eine, die nicht gleich ans Heiraten denkt. Faxen sind das. Oder nicht?«
Er schwieg und trommelte, ob aus Verlegenheit oder aus Gleichgültigkeit, mit den Fingern auf seinen Helm.
Ich aber erschrak. Das hatte ich nicht vermutet, nicht, daß Gerhard das Söhnchen von einem Arzt oder einem Direktor oder was sonst aus einer verwöhnten Familie war. Ich erschrak und fand so schnell keine Entgegnung.
Plötzlich sprach Konz. »Sie vernaschen die Mädchen wie andre zum Tee den Würfelzucker, was?«
Gerhard grinste.
»Und fühlen sich stark dabei, kommen sich vor wie ein Held.«
»Na ja... Ich kanns mir doch nicht durch die Rippen schwitzen.«
Konz, bis dahin mit einer betont überlegten Ruhe, wurde wütend. Zum ersten Mal sah ich ihn wütend. Die Adern auf seiner Stirn schwollen an, seine Ohren röteten sich und seine Augen schienen jetzt heller. Sie blitzten hellgrau wie das geschliffene Glas seiner Brille. »Sie sind zu bedauern. Sie sind zwar maßlos zynisch, aber Sie sind zu bedauern. Sie sind so primitiv und dumm wie...« Auch er suchte nach Worten. »... wie das Gedudel vom Deutschlandfunk.« Dann spie er aus und schob mich in den Wagen.