Specials
Firmenlogo
Verlag für E-Books (und Bücher), Handwerks- und Berufszeichen
Sie sind hier: Das Mirakel von Bernsdorf. Historischer Roman von Elke Nagel: TextAuszug
Das Mirakel von Bernsdorf. Historischer Roman von Elke Nagel
Autor:
Format:

Klicken Sie auf das gewünschte Format, um den Titel in den Warenkorb zu legen.

Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
25.07.2013
ISBN:
978-3-86394-274-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 384 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Liebesroman/Militär, Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Action und Abenteuer
Abenteuerromane, Historischer Roman, Thriller / Spannung, Kriegsromane, Familienleben, Liebesromane
Pariser Kommune, Französische Revolution, Recht der ersten Nacht, Guillotine, Napoleon, Preußen, Leibeigenschaft, Gutsbesitzer
12 - 99 Jahre
Zahlungspflichtig bestellen

Dorothea denkt an den Abend dieses Johannistages, und sie denkt nicht gern an ihn.

Er bestand auf seinem „Recht“. Nahm es wahr, mit allen Zeremonien, wie üblich: Das Hochzeitsgeschenk, von ihm persönlich überreicht - Wäsche und Geschirr. Das Abendessen im Schulhaus. Er nimmt das beklemmende Schweigen der Hochzeitsgesellschaft nicht zur Kenntnis, macht derbe Witze, über die kaum gelacht wird, Bier wird getrunken, mehr als nötig, mehr als gut, der erste Tanz: Baron und Braut, der letzte Tanz: Baron und Braut, dann führt er die Braut in die neue Wohnung, in die Kammer im Gesindehaus also, sein Knotenstock bleibt vor der Tür stehen: Besetztzeichen.

All das ist bekannt - dem Dorf. Nicht dem Heinrich Marten.

Und es ist üblich - normal also. Nicht für Heinrich Marten.

Aber was tun, Heinrich Marten? Mit dem Knotenstock, dem stehen gebliebenen, gegen die verschlossene Tür schlagen? An der Klinke rütteln? Mit dem Kopf gegen die Tür fallen, wieder und wieder? Gewiss, das alles kann man tun, das tut er, doch was ändert das?

Du kannst nicht mit dem Kopf durch die Wand, Heinrich. So der alte Jakob Marten, der ihm nachgegangen ist. Von Schulz weit und breit nichts zu sehen.

Was ist mit Freiheit der Persönlichkeit, mit Menschenrecht und Menschenwürde, Vater? Seid ihr alle Lügner, ihr Maurer?

Die Tür bleibt verschlossen, Stunde um Stunde.

Sie wird bis morgen früh verschlossen sein, Heinrich.

Er sieht auf - Dorothea redet zu ihm. Jakob Marten ist gegangen, hat sich auf die Suche nach Freund Schulz gemacht, von Unruhe und Ahnungen getrieben. (Fand ihn am See, verzweifelt ins Wasser starrend, brachte ihn nach Hause.)

Heinrich sieht die Herrin an, die Frau dieses Barons. Er will sie hassen, wie er ihn hasst. Aber er findet in ihren Augen den eigenen Jammer, seine eigene Demütigung, mehr noch: nicht Mitleid - dann hätte er sie vielleicht hassen können -, sondern Liebe. Er will kalt bleiben, aber er kann sich nicht selbst belügen, das konnte er noch nie. Und er gesteht sich ein, dass ihr Blick ihn anrührt, empfindet Mitleid mit ihr und sogar Zärtlichkeit. So lässt er sich wegführen von dieser Tür, ohne zu begreifen, wohin sie ihn bringt. Erst in ihrem Schlafzimmer kommt er zu sich. Entsetzt sieht er sich um, will fortlaufen, sie hält ihn zurück.

Warum rächst du dich jetzt nicht an ihm, Heinrich Marten, sagt sie leise, bittend sogar. Sie erschrickt vor seinem Gesicht, er sieht sie wild und voll Verachtung an, aber er bleibt.

Er weiß, ein paar Stunden später, nicht recht, ob es Befriedigung über die gelungene Rache oder Scham über sich selbst ist, das ihn durch den Park treibt, wegauf, wegab, zum See hinunter, zum Schloss zurück, immerfort im Kreis. Plötzlich bleibt er stehen. Ein Satz ist ihm gelungen, endlich, der Satz, mit dem er die Zeitschrift einleiten will, die er - alter Traum - irgendwann herausgeben wird. Am nächsten Tag, bevor er Bernsdorf für immer verlässt, sagt er ihn Dorothea: „Die Privilegien, welcher Art sie auch immer sein mögen und wer sie sich auch immer anmaßt - sie sind es, die den Menschen zum Tier herabwürdigen, und zwar sowohl den Privilegierten als auch den dadurch Benachteiligten.“

Dorothea erinnert sich zu ihrer eigenen Verwunderung dieses Satzes ganz genau, hat sogar den Klang der Stimme im Ohr. Und sie erinnert sich auch, dass sie sagte: Man kann aber nicht dagegen an, Heinrich Marten. Du wirst zugrunde gehen bei deinen Höhenflügen. Da sah er sie lange nachdenklich an, sagte: Und wennschon. Denken Sie denn, Dorothea, Ikarus wäre nicht geflogen, wenn man ihm gesagt hätte, er müsse abstürzen? Er wäre trotzdem geflogen. Weil er es musste.

Sie hatte danach nie wieder von Heinrich Marten gehört.

Auch Sophie Marten blieb nicht im Schloss, ging ins Pfarrhaus zu ihrem Vater. Sie starb im März, ein paar Stunden nach der Geburt Michel Martens. Dorothea sah dieses Kind zum ersten Mal an einem Weihnachtsabend, es sang da „Das Röslein, das ich meine ...“ Auch sie hatte im März einen Jungen zur Welt gebracht, ein dunkelhaariges, dunkeläugiges Kind, ihren Joachim.

Schlägt den Bülows nach, hatte der Baron missbilligend gesagt, hat meine Nase nicht.

Sie verbarg ihr Lächeln, indem sie sich über das Kind beugte und es küsste.

 

Das Mirakel von Bernsdorf. Historischer Roman von Elke Nagel: TextAuszug