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Ein Preuße im südlichen Afrika
Jürgen Leskien hat sich der Geschichte und Gegenwart der Namibia-Deutschen angenommen
Es ist ein fast vergessenes Stück deutscher und afrikanischer Geschichte, dem sich der Schriftsteller Jürgen Leskien in seinem dicken Buch „Dunkler Schatten Waterberg. Afrikanische Nachtgespräche“ angenommen hat. Es erschien erstmals 2004 bei den Schwartzkopf Buchwerken Hamburg und Berlin - und damit genau 100 Jahre nach einem Ereignis, das noch immer wie ein dunkler Schatten über der Geschichte Namibias liegt - die Niederschlagung des Herero-Aufstandes am Waterberg, den grausamen Feldzug der deutschen Schutztruppen gegen das Volk der Hereros. Immer wieder nimmt Jürgen Leskien bei seiner Spurensuche nach dem Erbe der einstigen deutschen Aussiedler in Namibia darauf Bezug, er hat genau zugehört und ist auf bewegende Geschichten gestoßen.
Dazu gehört auch die von dem „Preußen im südlichen Afrika“. Die Rede ist von Dr.-Ing. Klaus Dierks, Jahrgang 1936, Ingenieur und Historiker. In einem sehr ausführlichen und sehr informativen Gespräch berichtet Dierks, der ursprünglich in der DDR gelebt und gelernt hatte und dann in den Westen gegangen war (1955 als 19-Jähriger), um an der TU Berlin zu studieren, über seine persönlichen, beruflichen und politischen Erfahrungen in Südafrika seit 1965. Sehr detailliert und anschaulich berichtet er über die Apartheid, die Rassentrennung, und wie er sich von einem anfangs fast völlig unpolitischen und eher konservativ eingestellten Menschen mehr und mehr zu einem Anhänger und dann sogar zu einem Mitglied der Befreiungsorganisation SWAPO entwickelte. Schließlich wurde der Ingenieur nach der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika in ein hohes politisches Amt berufen: „Ich gehörte mit zur SWAPO- Spitze. So habe ich das Jahr 1989 sehr konkret erlebt, hatte engste Kontakte auch zum UNO-Rat für Namibia. Es war für mich also keine Überraschung, dass ich dann als Teil der SWAPO-Fraktion ins erste Parlament gewählt wurde, 1990. Im Dezember 1989 wurde ich vom Präsidenten in sein erstes unabhängiges Kabinett als Vize-Minister für Öffentliche Arbeit, Verkehr und Kommunikation berufen. Und dann war ich zehn Jahre lang Minister. Das war eine äußerst intensive Zeit.“ Aufschlussreiche Einblicke gibt es auch in die von der SWAPO verfolgte Politik der nationalen Aussöhnung: „Die SWAPO wollte keine Hexenjagd, kein Großreinemachen. Frieden sollte sein, wirklicher Frieden zwischen allen. Alle Verbrechen der Geschichte müssen eben Geschichte bleiben und sollen nicht weiter verfolgt werden. Die Buschleute zum Beispiel, die den Südafrikanern als Spurenleser gegen die Guerillas dienten, die vom Bataillon 32, gingen mit den Südafrikanern nach Südafrika, zum Teil sogar gegen ihren Willen oder eben weil sie der Propaganda glaubten, dass sie ihres Lebens in einem unabhängigen Namibia nicht sicher wären. Viele sind ja inzwischen zurückgekommen. Ich habe nie gehört, dass es da irgendwelche Zwischenfälle gegeben hätte. Ähnliches geschah mit den Beamten und all denen, die aktiv der Apartheid unter den Südafrikanern dienten.“
Und Dr. Dierks formuliert auch eine sehr emotionale Liebeserklärung an sein Land: „Dieses Land, das war Liebe auf den ersten Blick. Wir sind jetzt fast vierzig Jahre hier. Ich glaube, ich habe in diesen Jahren niemals auch nur eine Sekunde nach Deutschland zurückgeschaut.“ Ganz nebenbei erfährt der Leser auch interessante Einzelheiten zur frühen Geschichte der DDR. Und der Gesprächspartner gibt einen durchaus optimistischen Ausblick in die Zukunft: „Ich glaube, dass das Deutsche hier erhalten bleibt. Ich würde mir wünschen, dass die Deutschen hier als kleiner afrikanischer Stamm mit der afrikanischen Stammessprache des Deutschen sich aktiver am politischen Leben beteiligen und die Einheimischen mehr als Landsleute akzeptieren. Und nicht nur die großartige Natur Namibia mit ihren endlosen, herrlichen Landschaften und Weiten und der Sonne und der großen Freiheit und der großen Einsamkeit hochleben lassen, sondern auch die Menschen lieben.“
„Dunkler Schatten Waterberg“ ist ein spannendes und wichtiges Buch. Nicht für Namibia-Deutsche, sondern vor allem auch für Deutsche – in Ost und West.
Seit Jürgen Leskien 1978 als Kfz-Schlosser im Rahmen der DDR-Entwicklungshilfe in Angola arbeitete, lässt den diplomierten Theaterwissenschaftler und Ingenieur für zivile Flugsicherung das südliche Afrika nicht mehr los. Er arbeitete im UNHCR Flüchtlingscamp für namibische Flüchtlinge, unternahm mit einer Volkskammerdelegation einen offiziellen Namibiabesuch, führte in der DDR lebende namibische Flüchtlingskinder zurück, war Mitinitiator der Spendenaktion „Fischkutter für Angola“ und engagiert sich seit 2005 in der AFRIA-LEO Foundation Namibia/Damaraland. Der freiberufliche Schriftsteller hat seinen offiziellen Wohnsitz in Kleinbeuthen bei Berlin, hält sich aber sehr oft in Namibia (Swakopmund, Damaraland, Farm Karos) auf.