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Wie Fritz den Teufel erschlug. Kleine Anekdotenbibliothek von Gerhard Branstner
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
01.12.2022
ISBN:
978-3-96521-818-5 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 351 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Science Fiction /Weltraumoper, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Science Fiction /Kontakt mit Außerirdischen
Science-Fiction: Weltraumoper, Space Opera, Belletristik: Humor, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Humor, Heiterkeit, lachen, Kurzgeschichten, Orient, Weisheit, Anekdoten, Humor, Satire, Aphorismen, Sprüche, Science Fiction, Weltall, Außerirdische, Erfinder
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Eine bedenkliche Qualifikation

Die Bibliothek eines Großbetriebes hatte eine neue Leiterin erhalten. In ihrem ersten Jahresbericht merkte sie an, dass die männlichen Benutzer der Bibliothek deutlich hinter den weiblichen zurückblieben, sie stellten nämlich nur vierzig Prozent. Obwohl sie diesen Umstand nicht verschuldet hatte, wurde ihr eine Kritik verabfolgt. Ein Jahr später war sie nicht mehr so neu, und sie hob in ihrem diesmaligen Bericht hervor, dass der Anteil der weiblichen Benutzer erfreulich hoch sei, nämlich sechzig Prozent. Und prompt wurde ihr ein Lob verabfolgt.

Über den dritten Jahresbericht der Bibliothekarin kann leider nichts gesagt werden, denn sie hat den Beruf gewechselt und ist zur Statistik gegangen.

Ein Mann verursacht ein Verkehrshindernis und wird für seine Freundlichkeit bedankt

Für den Mai-Aufmarsch mussten die Straßen im Zentrum der Stadt frei von allen Nebendingen sein. Ein Volkspolizist hatte nun seine liebe Not, ein Auto, das an einer außerordentlich ungünstigen Stelle parkte, in eine Nebenstraße zu bekommen, denn der Fahrer des Wagens war nirgends aufzutreiben. Mittlerweile hatte sich eine große Anzahl Passanten angefunden, die vergeblichen Versuche des Polizisten, den Wagen durch Schieben und andere Anstellungen, die mehr der eigenen Beruhigung als einem wirklichen Erfolg dienten, zu kommentieren. Das Auto war zum wirklichen Verkehrshindernis geworden, und die Menge begann auf den Wagenbesitzer zu schimpfen. Als dieser endlich auftauchte, nahm er, noch ehe er sich als Besitzer des Autos zu erkennen gegeben hatte, die gegen ihn gerichtete Stimmung wahr. Daher mischte er sich als Passant unter die übrigen, um der peinlichen Aufmerksamkeit, die ihm im Falle seiner Vorstellung entgegengebracht worden wäre, vorläufig zu entgehen. Da die Umstehenden ihren Zorn nicht auf den Fahrer richten konnten, wendeten sie sich jetzt dem Auto zu. Sie pufften und knufften es, dass es wie ein Schiff auf hoher See schaukelte, probierten die verschiedenen Schlüssel aus, traten gegen die Bereifung und trieben dieses und jenes mit ihm. Der Polizist musste jetzt das Auto gegen die Passanten in Schutz nehmen, was ihm bald noch weniger erfolgreich erschien als seine früheren Versuche, das Auto um die Ecke zu bringen. Als der Besitzer sah, dass der Volkspolizist das Auto auf die Dauer nicht gegen den Zorn der Menge würde schützen können, trat er aus dem Kreis der Umstehenden, ohne sich aber als Besitzer des Ärgernisses bekannt zu machen, und schlug dem Polizisten vor, das Verkehrshindernis mit den versammelten Kräften aller Umstehenden seitwärts auf den Rasenstreifen zu schieben. Mit seinen fachmännischen Anweisungen und einigen Steinen, die er in den Winkel von Straße und Bordstein legte, den Übergang zu erleichtern, wurde der Wagen, mehr gehoben als geschoben, schließlich auf den ausgemachten Fleck bugsiert. Der Polizist dankte dem Autobesitzer für seine geschickte Freundlichkeit, ließ noch eine scharfe Bemerkung auf den vermeintlich nicht erschienenen Autobesitzer fallen und forderte die Umstehenden auf weiterzugehen.

Ais nach Beendigung des Maiaufmarsches ein anderer Polizist das Auto auf dem Rasenstreifen stehen sah, notierte er sich die Wagennummer. Schließlich muss alles seine Ordnung haben.

Das größte Wunder ist der Mensch, und wunderlicher kann keiner sein

Ein junger Volksarmist, von der Richtigkeit seines Eintritts in die Armee des Friedens durchaus überzeugt, konnte es jedoch in seiner tiefen Gläubigkeit nicht über sich bringen, unter den Augen Gottes das Gewehr abzufeuern. Es war tatsächlich nicht anders zu machen, als dass seine Kameraden eine Zeltbahn über ihn hielten, um Gott nicht die Schießübungen seines Sohnes sehen zu lassen, und da dieser sich dabei wohl befand und ihm nichts Nachteiliges widerfuhr, glaubte er an die Wirksamkeit seiner Methode und war guter Dinge. Weniger glücklich aber waren seine Kameraden, die ihn schließlich in ein scharfes Wortgefecht nahmen und ihm zu verstehen gaben, dass es nicht anginge, sich in der Schießübung anders als bei einem wirklichen Gefecht zu verhalten, und dort sei es wohl unangebracht, aufrecht stehend die Zeltbahn zu halten, wenn sonst scharf geschossen werde. Unser Volksarmist ließ sich jedoch nicht davon abbringen, sich beim Schießen vor Gott verbergen zu müssen. Erstaunlichen Erfolg hatte endlich die Bemerkung des Stubenältesten, die er im Vorübergehen hinwarf: „Wenn dein Gott sich von dir an der Nase herumführen lässt mit deiner blöden Zeltbahn, muss er ja dümmer sein als du selber.“ Der Volksarmist war von der Logik dieses Arguments derartig verblüfft, dass er kein Wort der Erwiderung fand und auch die folgenden Tage schweigend und in sich gekehrt zubrachte.

Bei der nächsten Schießübung verlangte er nicht wieder nach der Zeltbahn, ohne jedoch zu verraten, ob er um Gottes Willen auf sie verzichtete.

Davon, wie einmal eine Frau verreiste und der Mann in großer Sorge zu Hause blieb

Eine tüchtige Frau, die von ihrem Betrieb schon des Öfteren ausgezeichnet worden war, hatte von der Gewerkschaft einen Kuraufenthalt in einem Gebirgsort zugebilligt bekommen und war guter Dinge abgefahren. Der Ehemann dagegen, der zum ersten Mal ohne seine Frau auskommen musste, war von den kleinen, aber verwirrenden Anforderungen des Alltags, denen er sich plötzlich ausgesetzt sah, so in Aufregung geraten, dass ihm ein nahe bevorstehendes Unglück unvermeidlich schien. In seiner Aufregung flog ihm der Gedanke zu und setzte sich in seinem Kopfe fest, seine Frau werde sich in diesem verfluchten Gebirgsdorf bestimmt ein Bein brechen. Seine Fantasie geriet in eine fieberhafte Tätigkeit; er sah das schmerzverzerrte Gesicht der Frau immer deutlicher vor sich. Es war, als hörte er ihren gequälten Aufschrei, und er stürzte zum Telefon, den Arzt anzurufen. Erst als er den Hörer abnahm, kam er zur Besinnung, jedoch nur, um in eine andere, noch einsamere Hilflosigkeit zu verfallen. Des Nachts fantasierte er im Traum, stand schon in aller Frühe auf und irrte durch die leere Wohnung. So verging der erste und der zweite Tag. Am dritten saß er am Fenster und wartete auf den Briefträger. Als er ihn die Straße heraufkommen sah, stürzte er zur Tür, sprang die Treppe hinunter und fiel dem Briefträger genau vor die Füße. Er war über die letzte Stufe gestolpert und hatte sich das Bein – verstaucht. Genauso gut hätte er es sich auch brechen können. In dem Briefe war zu lesen, dass es seiner Frau ausgezeichnet ginge und jede Sorge überflüssig sei.

So geht es einem, der sich um andere Sorgen macht, weil er selber hilflos ist.

Der Brief hatte jedoch noch einen Nachsatz. Die Frau schrieb unter P S, dass sie beim Erklettern eines Aussichtspunktes und in Gedanken daran, dass ihr Mann allein und sich selber überlassen zu Hause sitze, ins Stolpern gekommen sei und sich den Fuß – verstaucht habe. Er solle sich aber keine Sorgen machen, sondern eher froh sein, dass sie so gut davongekommen sei, schließlich hätte sie sich ebenso gut das Bein brechen können.

Von zwei Schneidermeistern, die wie Hund und Katze umeinander herumgingen, und wie sie sich vertragen lernten

In einem kleinen Ort in Thüringen lebten zwei Schneider. Sie waren die einzigen ihrer Zunft in dem kleinen Städtchen und gingen wie Hund und Katze umeinander herum, denn der eine konnte nicht anders als auf Kosten des anderen leben und umgekehrt. Jeder Kunde, der zum anderen ging, jeder Anzug, der am Fenster des einen vorbeigetragen und nicht von ihm geschneidert worden, vertiefte ihre Feindschaft, die sich endlich auch auf die Kunden selber übertrug. Noch auf dem Fußballplatz wurde die Feindschaft ausgetragen, denn die Spieler der Mannschaft des kleinen Städtchens waren untereinander in zwei Lager gespalten; ja, es galt als ausgemacht, dass während des Spiels der Ball nur in den Reihen des eigenen Lagers gespielt werden durfte. Gelang es trotz dieser Spielweise einmal, den Ball im Gehäuse des Gegners unterzubringen, so achteten die Zuschauer in ihrem Beifall streng darauf, aus welchem Lager der glückliche Schütze stammte. Und wehe dem, der in der Begeisterung die Hände für einen Spieler gerührt hatte, der zum anderen Schneider ging.

Nun geschah es aber eines Tages, dass das Städtchen aufwachte und sehen musste, dass die beiden Schneider nicht mehr Konkurrent und Feind, sondern ihre Werkstatt in Eintracht zusammengelegt und Mitglieder einer und derselben Produktionsgenossenschaft geworden waren. Von Natur aus witzig, waren sie der Feindschaft überdrüssig geworden und hatten nur auf eine gute Gelegenheit gewartet, sie endlich beizulegen. Nun hatten sie ihren Spaß daran, wie sich ihre dermals in zwei Lager getrennten Kunden wieder vertragen lernten, weil sie doch keinen Grund mehr für einen Hader hatten. Und auch die Fußballmannschaft spielte endlich besser und schaffte den Aufstieg in die nächsthöhere Spielklasse, so dass die Zuschauer in geeinter Begeisterung ihren Beifall zollen konnten. Was uns aber vor allem an der Geschichte zu denken geben sollte, ist, dass die beiden Schneider nach ihrem Eintritt in die Genossenschaft ein besseres Verhalten zueinander zeigten, ohne deshalb sogleich ihren Charakter geändert zu haben. Also müssen die Verhältnisse geändert werden, wenn uns das Verhalten der Menschen nicht gefällt.

Wie Fritz den Teufel erschlug. Kleine Anekdotenbibliothek von Gerhard Branstner: TextAuszug