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Mit Fontane anderswo, Ärger mit dem System Alpha Centauri und Hoffnung auf den zweiten Versuch - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 18.04.2025) – Wer den Namen Fontane hört, denkt zweifellos zuerst an Berlin und die Mark Brandenburg, denn in Neuruppin wurde er geboren, und in Berlin verbrachte er die längste Zeit seines Lebens; hier erlernte er den Beruf des Apothekers, stand 1848 hinter der Barrikade und erlebte hautnah – nicht nur im Widerschein der Lese-Cafés – wie Berlin „vernebelte“. Besonders nach den Londoner Presse-Jahren schätzte er Berlin als „ein Zentrum, wo entscheidende Dinge geschehn“, hier spürte er das Schwungrad der Geschichte rotieren und nahm in Kauf, dass es „gelegentlich zu dem bekannten Mühlrad“ wurde. Seismografisch genau erfühlte er die an Schwung- und Mühlrad gebundenen Menschenschicksale von feinsinnigen oder verknöcherten Adelsdamen, liebenswerten Nähmädchen, schwadronierenden Gardeoffizieren, Fabrikanten und Lebe-Baronen. So wie Balzac für Paris steht, Dickens für London, Dostojewski für Petersburg, so bewahrte Fontane in seinen Romanen das Berlin des 19. Jahrhunderts für alle Zeiten auf. Und die Mark Brandenburg trat erst durch ihn als literarische Landschaft ins Bewusstsein des deutschen Lesers. Darum nannten wir Band 1 „Unterwegs mit Fontane in Berlin und der Mark Brandenburg“.

Aber es darf nicht vergessen werden, dass Fontane, der sich – ungeachtet seiner hugenottischen Herkunft – selbst „ein in der Wolle gefärbter Preuße“ nannte, wie kaum ein anderer seiner schreibenden Zeitgenossen europäisch empfand, und dass es über Berlin-Brandenburg hinaus viele Orte und Landschaften gibt, die für ihn bedeutsam, ja prägend waren …“ Mit diesen Sätzen beginnt das fünfte und letzte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 18.04. 2025 bis Freitag, 25.04. 2025) zu haben sind. Autorin Gisela Heller folgt wie im Vorwort angekündigt den Spuren ihres Lieblings-Schriftstellers außerhalb von Berlin und Brandenburg. „Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau“ heißt denn auch ihr Buch, in dem sie 100 Jahre nach Fontane, die von ihm beschriebenen Wege nachvollzieht. Die Autorin führt den Leser nach Swinemünde, Rügen, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Dänemark, Friedrichsruh, Hamburg, Niedersachsen, in die Altmark, nach Burg, in den Harz, nach Sachsen, Thüringen, Bayern, Wien, Böhmen, ins Riesengebirge, nach Küstrin, Sonnenburg und Tamsel. Folgen wir Gisela Heller und vor allem Fontane …

Die nächsten drei Sonderangebote laden zur Lektüre von Utopischen Romane von Alexander Kröger ein, der schon zu DDR-Zeiten zu den erfolgreichsten Autoren dieses literarischen Genres gehörte. Erstmals 1983 veröffentlichte er die Bände 2 und 3 seiner Centauren-Trilogie, „Das Kosmodrom im Krater Bond“ und „Energie für Centaur“. In beiden Büchern gibt es Schwierigkeiten mit den Bewohnern dieses weit von der Erde entfernten Planeten.

So freut man sich in „Das Kosmodrom im Krater Bond“ auf die erste Landung eines Raumschiffes im neuen Kosmodrom auf dem Mars. Doch plötzlich schrillt die Alarmanlage. Eine große Raumflotte außerirdischer Herkunft nähert sich unserem Sonnensystem. Doch die Fremden sind keine Unbekannten, sie kommen aus dem System Alpha Centauri, und vor vielen Jahren waren sieben von ihnen in Südamerika notgelandet. Diesmal aber ist die Begegnung nicht freundschaftlich. Die Centauren fordern von der Menschheit den Mars zur Besiedlung und lehnen Verhandlungen ab ...

Auch in „Energie für Centaur“, dem 3. und letzten Teil der Centauren-Trilogie, steht es nicht gut um die Beziehungen zwischen den Menschen und den Bewohnern des Centauer: Sechs Jahre lang sind dreihundert Menschen zu diesem fernen Planeten geflogen, um dort mit einheimischen Ingenieuren eine gewaltige Energieerzeugungsanlage zu errichten, denn der Planet scheint ohne diese dem langsamen Untergang geweiht. Der Empfang der Gäste von der Erde ist jedoch alles andere als herzlich, und bald gibt es auch Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Arbeit. Da wird die Transportkolonne mit dem Orbitalflugzeug von einer Gerölllawine verschlungen, erheben sich schwere Lastfahrzeuge plötzlich in die Luft, tauchen unvermittelt seltsame Bauten auf, die dann spurlos wieder verschwinden. Die Expedition soll deshalb vorzeitig beendet werden. Doch es scheint einen Weg zu geben, das gigantische Projekt zu retten …

Beiden E-Books liegt die überarbeitete Auflage zugrunde, die 2009 im Projekte-Verlag Cornelius GmbH Halle erschienen war.

Bereits 2001 hatte Alexander Kröger im Eigenverlag den Science Fiction-Roman „Der erste Versuch“ veröffentlicht, der zugleich der zweite der vierteiligen SF-Serie „Das zweite Leben“ des Autors ist. Dieses spannende Buch gibt Antworten auf die Frage nach den Ursachen der Apokalypse, deren Folgen die Überlebenden in dem Auftakt-Roman „Das zweite Leben“ schmerzlich spüren. Und trotz allem setzt Krögerscher Optimismus Hoffnung auf den zweiten Versuch.

Dem E-Book liegt die überarbeitete Auflage zugrunde, die 2011 im Projekte-Verlag Cornelius GmbH Halle erschienen war.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Auch heute geht es um den Zweiten Weltkrieg. Die Handlung spielt allerdings nicht an der Front, sondern weit im Hinterland. Und dennoch sind auch dort die Auswirkungen des Krieges zu spüren.

1942 schrieb Friedrich Wolf die Erzählung „Das Russendorf“. Im Schatten des Zweiten Weltkriegs, auf einem abgelegenen Bauernhof im Herzen Deutschlands, kämpfen nicht nur Soldaten an der Front, sondern auch die zurückgebliebenen Frauen und Kinder um ihren Alltag. Friedrich Wolfs „Das Russendorf“ erzählt die berührende und zugleich erschütternde Geschichte von Anna Küfer, die gemeinsam mit dem russischen Kriegsgefangenen Kostja versucht, das Überleben ihrer Familie und ihres Hofs zu sichern. Doch der Krieg hinterlässt tiefe Spuren, nicht nur bei den Erwachsenen, sondern auch bei den unschuldigen Kindern, die in den brutalen Ideologien aufwachsen. Ein packendes, zeitloses Werk, das die Schrecken des Krieges und die Zerbrechlichkeit der Menschlichkeit eindrucksvoll schildert.

Hier der Anfang des Textes:

„Auf dem kleinen Bauernhof des Alois Küfer, der seit über einem Jahr in der Hitlerarmee an der Ostfront kämpft, musste seine Frau Anna lange allein die ganze Landwirtschaft besorgen.

Viele Felder blieben dabei brach liegen. Im Frühjahr 1942 bekam die Frau zur Aussaat den russischen Kriegsgefangenen Kostja Jakowlew zugeteilt. Kostja schaffte mit ihr von früh bis spät auf dem Acker, ein fleißiger und gewandter Bursche. Zu schade, dass man mit ihm sich nicht richtig unterhalten konnte, dass Anna nach den Briefen ihres Mannes ihn nicht befragen konnte, ob das alles stimme, das mit den riesigen Korn-, Flachs- und Sonnenblumenfeldern, mit den Wäldern, Sümpfen und Steppen, mit den Partisanen und den vielen verbrannten Russendörfern …

Kostja hatte einige deutsche Wörter erlernt wie: Brot, Wasser, Feld, Korn, Sense, Frau, Kind, Haus. Und dann, als der zehnjährige Peter und der kleine Hansl mit Knüppeln hinter den Hühnern herliefen und riefen: „Russ! Russ! Haut die Russen tot!“, da hatte Kostja noch die Bedeutung der Worte „hauen“ und „tothauen“ verstanden. Kostja hatte auf die Bäuerin gesehen, welche die Achseln zuckte über das kindliche Spiel: Kinder sind Kinder!“

Auf seinen Reisen durch Deutschland suchte Theodor Fontane nicht nur Landschaften, sondern auch die geistige und menschliche Topografie seiner Zeit. So führten ihn seine Wege – und die Feder Gisela Hellers – nach Husum, in die Heimat des Dichters Theodor Storm. Dort begegneten sich zwei starke Persönlichkeiten: der wortgewandte Berliner mit preußischer Gesinnung und der tiefgründige Norddeutsche mit radikalem Gerechtigkeitssinn. Was sie trennte, war ihre Weltanschauung – was sie verband, war die Liebe zur Dichtung. Die folgende Passage aus dem E-Book „Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau“ erzählt von einer Begegnung, die mehr war als ein bloßer Besuch: ein Wiedersehen voller Respekt, Temperament und poetischer Verbundenheit.

Husum

„Storm kam Weihnachten 1852 von Husum nach Berlin, um sich hier, behufs Eintritts in den preußischen Dienst, dem Justizminister vorzustellen. Er sah sich im Ministerium ... entgegenkommend, in literarischen Kreisen aber mit einer Auszeichnung empfangen, die zunächst dem Dichter, aber beinahe mehr noch dem Patrioten galt. Denn alle anständigen Menschen in Preußen hatten damals jedem Schleswig-Holsteiner gegenüber ein gewisses Schuld- und Schamgefühl.“ („Von Zwanzig bis Dreißig“, „Der Tunnel über der Spree“, Kapitel 4) Bei allem Wohlwollen spürte der empfindliche Storm doch, dass in Berlin selbst gebildete Kreise „den Schwerpunkt nicht in die Persönlichkeit, sondern in Rang, Titel, Orden und dergleichen Nipps“ legten (an Fontane, 23. 3. 1853)“ Fontane, obwohl er sich oft genug ob seiner Rang- und Titellosigkeit zurückgesetzt fühlte, widersprach merkwürdigerweise: „Es gibt nirgends in der Welt ... so wenig eine exklusive Gesellschaft wie hier ... Geburt, Reichtum, Rang, Talent und Wissen vertragen sich hier in wunderbarer Weise, und Graf Arnim, mit einem halben Fürstentum hinter sich, verkehrt mit dem Lokomotivenbauer Borsig oder mit Prof. Dove völlig ebenso wie mit seinesgleichen.“ (2. 5. 1853) Storm konterte: „Fragen Sie Ihren Grafen Arnim doch einmal, ob er dem Professor Dove oder dem Maschinenbauer Borsig auch seine Tochter zu Ehe geben wolle!“ (5. 6.1853)

Storm vertrat die französische Forderung nach Egalité viel radikaler, war überhaupt radikaler in politischen Fragen und „zog vor, den politischen Ankläger zu machen“. Wenn er sich „mit seiner kleinen, feinen Stimme“ über das „Inferiore preußischen Wesens“ ausließ, fühlte Fontane sich persönlich attackiert. Es kam zu Überreaktionen auf beiden Seiten. Während Fontane die patriotisch-heroische Seite preußischer Bildung hervorhob, erwiderte Storm: „Mich interessiert mehr der Mensch als die Menschheit“, lenkte aber ein, es sei wohl „das Pflanzenhafte seiner Natur“, das ihn so empfinden ließe: „Mir fehlt wohl das, was man historischen Sinn nennt.“ (5. 6. 1853)

Sie gerieten nicht nur politisch aneinander, auch ihre Temperamente, ihre Ansichten vom Leben, ihre Anschauungen, was sittlich oder nicht, was frivol und was prüde sei, führten zu Kontroversen; doch was sie immer wieder aneinander band, war das gemeinsame Schicksal junger Dichter-Ehen: zu wenig Geld, überforderte Frauen, Kinder, die im Säuglingsalter starben, Ausbleiben von Anerkennung... Und was ihnen nie verloren ging: die gegenseitige Wertschätzung. Wenn sich Fontane wieder einmal über Storms Ansichten geärgert hatte, las er nur in dessen Gedichten, und alle Dissonanzen lösten sich auf. Eine Liebe, eine Welt-Anschauung verstand er in sechs Zeilen zu fassen.

„Für Constanze

So komme, was da kommen mag,

Solang du lebest, ist es Tag.

Und geht es in die Welt hinaus,

Wo du mir bist, bin ich zu Haus,

Ich seh dein liebes Angesicht,

Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht.“

Neidlos erkannte Fontane an, das seien „Worte, wie sie kein Dichter je schöner geschrieben hat“. („Von Zwanzig bis Dreißig“, „Der Tunnel über der Spree“, Kapitel 4)

1856 trennten sich ihre Wege für lange Zeit: Fontane ging wieder nach London, Storm als Kreisrichter nach Heiligenstadt, wo er bis zum Frühjahr 1864 blieb. Er hatte sich also gerade erst wieder in Husum eingerichtet, als Fontane, auf der Rückreise von Kopenhagen, aus Flensburg bei Storm anfragte, ob ein Besuch „auf 1/2 Stunde“ genehm sei; er habe für 14 Tage „die cimbrische Halbinsel unsicher“ gemacht und stünde nun „als Gewölk über Husum“. Hinter diesem launig-forschen Ton verbarg sich eine leise Unsicherheit, ob sein Besuch wirklich erwünscht sei; doch Storm antwortete ohne Zögern: „Hand aufs Herz, das ist wirklich eine große Freude. Sie sind natürlich zu jeder Stunde ... willkommen; leider wohnen wir ‚eng, aber mit Liebe’, sodass, da eine Verwandte auf Besuch ist, die Unmöglichkeit ist, Ihnen Nachtquartier zu schaffen. Aber in den Hotels ist überflüssig Platz, und ein paar Nächte müssen sie hier bleiben. Für den Tag nehmen wir Sie natürlich gänzlich in Beschlag. Da werden also ein paar Trümmer des seligen Rütli mal wieder Zusammenkommen.“ (26. 9. 1864) Storm, der als Landvogt und Amtsrichter das alte Predigerwitwenhaus in der Süderstraße 12 bezogen hatte, holte Fontane vom Bahnhof ab; in seiner Begleitung die beiden ältesten Söhne, die Fontane noch von Potsdam her kannte. Man ging zuerst zu Thoma’s Hotel, dann zu Storm nach Hause, wo es, wie Fontane dem Tagebuch anvertraute, ihm gefiel: „Husum und Storms Haus sehr nett. Idyll. Garten, Kinder... Die Marsch, die Geest, der Deich, die Koogs... das Meer, das Watt, die Flut – ich zähle es nur auf, wer wollte es beschreiben“. Es gab nur eine Hand, die es in vollendeter Meisterschaft bereits beschrieben hatte: „Diese Hand ist die Th. Storms.“

In Potsdam war der „Husumer Theekesselkult“ des heimwehkranken Storm für Fontane oft Anlass zu Spötteleien gewesen, nun spürte er, dass er eine Notwendigkeit war; denn hier war Storm ein anderer, „einer, der Grund gespürt hatte“, einer, der auf seinem ureigenen Boden angekommen war. Sie schieden mit seltener Herzlichkeit und Storm berichtete ihrem gemeinsamen Freund Pietsch von Fontanes Besuch: •‚...er ist trotz seiner Mitredaktionsschaft an der + + + [„Kreuz–Zeitung“] doch ein traitabler Mensch und – ein Poet. Wir haben uns in den paar Stunden fast um den Hals geredet.“

Doch bald darauf kam es zu erneuten Irritationen: Fontane hatte – wie übrigens auch Klaus Groth – die heimkehrenden preußischen Truppen mit einem „Einzugslied“ begrüßt und Storm gebeten, auch eines „aus der Sicht eines Schleswig-Holsteiners“ zu schreiben. Das traf genau dessen neuralgischen Punkt und er wetterte zurück: „Liebster Fontane, Hol Sie der Teufel! Wie kommen Sie dazu, dass ich eine Siegeshymne dichten soll!... Ihr Einzugslied ist so außerordentlich gut, dass ich gründlich dazu gratuliren muss, obgleich der Zipfel der verfluchten Kreuzzeitung aus jeder Strophe heraushängt. Möchten Sie der letzte Poet jener, doch Gott sei Dank und trotz alledem dem Tode verfallenen Zeit sein, worin die That des Volkes erst durch das Kopfnicken eines Königs Weihe und Bedeutung erhält. Ihr ... meisterliches Lied feiert lediglich die militairische Bravour, wodurch der Beifall des Königs ... erworben ist, von einem sittlichen Gehalt der That weiß es nichts. Sie hat auch Diessmal keinen.“ Nachdem er unmissverständlich seinen Standpunkt kundgetan, kam er zum Wesentlichen: Er dankte für die Freundesgabe „Jenseit des Tweed“ und bat, auch weiterhin gegenseitig Bücher auszutauschen. (19. 12. 1864)

Fontane schickte die erbetenen „märkischen Bücher“, Storm revanchierte sich mit „Bulemanns Haus“ und dem „Spiegel des Cyprianus“ und fügte hinzu: „...bleiben Sie ferner gut dem Storm, wie er nun einmal beschaffen.“ (27. 12. 1864) In demselben Brief dämpfte er den Optimismus Fontanes in Bezug auf Preußens Toleranz und prophezeite: „... nur das wird Preußen ungefressen lassen was ihm ... verwehrt wird.“ Er sollte recht behalten. Preußen schickte sich nach dem Sieg von 1866 an, aus Schleswig-Holstein eine preußische Provinz zu machen. Zähneknirschend klagte Storm in einem Brief an Pietsch: „Wir fühlen alle, dass wir lediglich unter der Gewalt leben; das ist umso einschneidender, da sie von denen kommt, die wir gegen die fremde Gewalt zu Hilfe riefen und die uns jetzt selbst als einen besiegten Stamm behandeln, nachdem sie uns von der andern Gewalt befreit haben.“ (16. 8. 1867)

Im Mai 1868 nahm Fontane Storms Gedichte mit in die Harzer Sommerfrische, las sie zum „ich weiß nicht wievielten Male in meinem Leben“ und gestand, dass ihm „beim Lesen von ‚Herbst 1850’, ‚Ein Epilog 1850’ und vor allem von ‚Abschied 1853’ wieder die dicken Wonnethränen übers Gesicht liefen...“ Und aus dieser Stimmung heraus stiftete er Storm aus vollem Herzen einen Dankesbrief: „Ja, lieber Storm, Sie sind und bleiben nun mal mein Lieblingsdichter und ich bin dessen ganz gewiss, Sie haben auf der ganzen weiten Welt keinen größren Verehrer als mich.“ (22. 5. 1868)

Als Fontane im Spätherbst 1870 unter dem Verdacht der Spionage auf der Festung d’Oleron gefangen saß, bat er seine Frau, ihm „einige Strophen verschiedener Gedichte“ (15. 11. 1870) Storms abzuschreiben, nicht nur zur eigenen Aufrichtung; er verwandte sie als Motto für zwei Kapitel des Buches „Kriegsgefangen“. Von den Prosa-Arbeiten liebte er besonders „Die Chronik von Grieshuus“, er nannte sie „ein Genre-Bilderbuch ohne Gleichen“. Storm wiederum schwärmte für Fontanes Balladen, vor allem für Archibald Douglas. „Da wollen wir fischen und jagen froh / als wie in alter Zeit...“ ging in den Hausschatz, in die Haushaltssprache der Familie Storm ein. Seiner Mutter las Storm „Ein Sommer in London“ und „Jenseit des Tweed“ vor. Von Fontanes Romanen kannte er nur „Grete Minde“, „Schach von Wuthenow“ und „Graf Petöfy“; alle anderen, die Fontane eigentlich berühmt machten, erschienen erst nach Storms Tod 1888.

Als Fontane seine Lebenserinnerungen zusammentrug, fand er für die Kontroversen während der Potsdamer Zeit eine einfache Erklärung: „Wir waren zu verschieden. Er war für den Husumer Deich, ich war für die Londonbrücke; sein Ideal war die schleswigsche Heide mit den roten Erikabüscheln, mein Ideal war die Heide von Culloden mit den Gräbern der Camerons und Macintosh.“ Mit zunehmendem Alter verblasste alles Trennende, wozu nicht nur die Weisheit der Jahre, sondern auch die Annäherung ihrer gesellschaftspolitischen Standpunkte beitrug. Zweimal noch waren sie sich in Berlin begegnet: einmal bei dem alten „Rütli“–Freund Karl Zöllner, das andere Mal zu Storms 70. Geburtstag, als ihm zu Ehren im Englischen Haus ein großes Fest gegeben wurde. Und mit dem „reinen, schönen Poeteneindruck“, den Fontane von ihm empfangen hatte, schloss er auch das Stormkapitel in „Von Zwanzig bis Dreißig“: „ln allem Guten war er der alte geblieben, und was von kleinen Schwächen ihm angehangen, das war abgefallen. Alt und jung hatten eine herzliche Freude an ihm und bezeugten ihm die Verehrung, auf die er so reichen Anspruch hatte. Als Lyriker ist er, das Mindeste zu sagen, unter den drei, vier Besten, die nach Goethe kommen. Dem Menschen aber, trotz allem, was uns trennte, durch Jahre hin nahegestanden zu haben zählt zu den glücklichsten Fügungen meines Lebens.“

Alexander Krögers Romane entführen uns in ferne Welten – und doch sind es immer auch Geschichten über das Menschsein. In „Das Kosmodrom im Krater Bond“ treffen wir auf Jul, einen Protagonisten, der inmitten technischer Wunder und außerirdischer Umgebungen einen klaren moralischen Kompass bewahrt. Als ein Fluggerät der Fremden verunglückt, zeigt sich, wie brüchig Gemeinschaft sein kann – und wie mutig der Einzelne handeln muss, um Menschlichkeit zu bewahren. Die folgende Szene zeigt einen Moment der Entscheidung – zwischen Spott und Solidarität.

Plötzlich wurde Jul auf seine Umgebung aufmerksam. Er sah hinunter zum Strand. Viele der Gefährten standen da und blickten in eine Richtung.

Jul richtete sich auf, suchte das Ziel dieser Aufmerksamkeit.

Ein Rochen der Fremden stand über dem Wald, der den See nach Norden hin begrenzte. Aber nicht das war es, was ihnen auffiel. Längst hatte man sich an derartige Inspektionsflüge - wie sie sie scherzhaft nannten - gewöhnt. Etwa zweimal täglich fanden sie statt.

Dieser Rochen aber schwankte, ja torkelte über den Wipfeln, war offenbar der Kontrolle des Piloten entglitten.

Mühsam hielt sich das Flugzeug in der Luft, streifte die höchsten Zweige, wurde dann wie in einem Aufbäumen hochgerissen, stürzte in raschem und steilem Gleitflug ins Wasser und kam hinter einer mächtig aufschäumenden Welle zur Ruhe.

Unten am Ufer ein Augenblick der Starre, dann Bewegung. Etliche der Menschen stürzten kopfüber ins Wasser und begannen weit ausholend auf das treibende Flugzeug zuzuschwimmen. Plötzlich heftiges Rufen von den am Strand Zurückgebliebenen - offensichtlich an die Schwimmer gerichtet.

Es dauerte Sekunden, bis diese reagierten. Dann gab einer nach dem anderen das Schwimmen auf, einige kehrten um, Einzelne verharrten wassertretend.

Ursache des plötzlichen Stopps der spontanen Rettungsaktion war, dass am Flugzeug eine Luke aufgetan, der Pilot herausgestiegen war und nun unschlüssig auf einer Tragfläche saß, offenbar überlegend, wie der unerwarteten Situation zu begegnen sei. Mittlerweile waren alle Schwimmer ans Ufer zurückgekehrt, setzten sich zu den anderen am ansteigenden Strand.

Wie in einem Theater, dachte Jul noch belustigt, doch dann begannen sie zu rufen, erteilten unernste, spöttische Ratschläge, begleitet von schallendem Gelächter.

Der Pilot kümmerte sich scheinbar nicht darum. Er war ins Wasser gestiegen und begann ohne jede Chance mit der Bergung seines Flugzeugs. Er stemmte sich schwimmend gegen die Tragfläche und versuchte so, die treibende Maschine ans jenseitige Ufer zu bugsieren.

Am Strand weiter Lärm, Zurufe, Spott, Gelächter.

Das darf doch nicht wahr sein, dachte Jul mit zunehmendem Grimm, das Geschehen kaum fassend. Er löste beinahe unbewusst seine Kleidung und schritt dem Ufer zu.

Als er die Gefährten erreichte, versuchte er vergeblich, jemandem Blick aufzunehmen. Alle waren gleichermaßen gefangen von dem Ereignis.

Sobald Juls Füße das Wasser berührten, drehte er sich um. Er wollte rufen, sah ein, dass er gegen das Durcheinander der Stimmen nicht ankommen würde, vor allem aber fühlte er, dass ihn in diesem Augenblick wohl keiner hören wollte. Er schrie: „Seid ihr alle verrückt geworden?“ Dann schritt er, ohne sich noch einmal umzusehen, ins Wasser und schwamm mit kräftigen Stößen auf das Flugzeug zu, das sich bislang nicht von der Stelle gerührt hatte.

Hinter Jul verebbte der Lärm.

Aber erst als er die Hälfte der Distanz zur Maschine durchschwommen hatte, folgten ihm vier der Gefährten.

In „Energie für Centaur“ verwebt Alexander Kröger faszinierende Technikvisionen mit der Spannung einer fernen Welt. In der folgenden Szene erkundet Gernot, ein neugieriger und entschlossener Protagonist, ein rätselhaftes Kraftwerk. Zwischen flackerndem Licht, lautlosen Turbinen und einem rätselhaften Alarmsystem gerät er in eine Situation, in der Mut und schnelle Entscheidungen über Erfolg oder Misserfolg eines riskanten Plans entscheiden. Lesen Sie selbst, wie sich Gernot dem Unbekannten stellt – in einem Moment voller elektrisierender Stille und unerwarteter Konsequenzen.

Gernot trat vorsichtig an den Rand. Unten, ebenfalls im diffusen Licht, sah er acht Komplexe, gut verkleidete Kolosse, und er hatte das Gefühl, es seien Turbinen. Und wie er so stand und in die Stille horchte, war es ihm, als ginge ein kaum spürbares Vibrieren von dem Raum aus. Sollten sie laufen? Wenn, dann wären sie unvorstellbar leise. Und er dachte an den ersten Abend im Canon, an dem das Rumpeln Josephin und ihn nicht hatte einschlafen lassen.

Rechts von Gernot führte eine metallene Leiter nach unten. Viel Wartung durften die Maschinen den Betreibern nicht auferlegen, wenn sie so primitiv zugänglich waren.

Als Gernot die Hand auf den ersten der Kolosse legte, stellte er fest: Der lief!

Gernot umrundete den Komplex. Er fand so etwas wie eine Minischaltzentrale, mit centaurischer Beschriftung natürlich, die ihm so gut wie nichts sagte. Es blieb eine Möglichkeit, jeweils einen Schalter zu betätigen, in den Bau zurückzueilen und festzustellen, welcher Effekt eingetreten sei. Aber eine solche Methode schien Gernot zu langwierig und vielleicht auch nicht wirksam genug. Ein Alarmsystem wurde sicher erst ausgelöst, wenn Schwerwiegenderes geschah, Lebenswichtiges gefährdet wurde. In diesem Zusammenhang interessierte Gernot ein grellfarbener Knopf, der in eine handgroße Nische der Wand eingelassen und mit einem Keramikkäfig abgedeckt war, zumindest sah das, was ihn umgab, wie glasierte Keramik aus.

Lange genug gezögert!, sagte sich Gernot. Mit einer Zange führte er einen harten Schlag gegen das starre Geflecht. Zuviel Kraft! Das Material zerstob förmlich in winzige Krümel.

Noch einen Augenblick zauderte Gernot, dann drückte er mit dem Handballen den Knopf.

Zwei, drei Sekunden geschah nichts. Gernot stand in erstarrter Haltung, dann irgendwo ein dumpfer Knall, als ob ein schwerer Schalter fiele. Plötzlich Finsternis. Einen Augenblick bildete sich Gernot ein, es werde gleichzeitig kälter. Jetzt erst ließ er von dem Knopf, tastete nach seiner Lampe. Da dämmerte wieder Licht auf ein wenig trüber als vordem, glaubte Gernot. Eine Notbeleuchtung sicher, gespeist von Akkumulatoren.

Plötzlich ein Singen hinter Gernot. Er fuhr herum, nichts, dann begriff er: Die Turbinen liefen aus, hatten eine Drehzahl erreicht, die dieses Geräusch für einige Minuten hervorrief.

Na also! Das Ganze halt! Wenn das nichts Alarmierendes war!

Aber Mut brauchte Gernot erst für die kommende Phase. Erstens war es denkbar, dass seine Annahme völlig falsch war, zweitens, wie ernst nahmen die Centauren einen Alarm, und drittens, wann konnten sie tatsächlich zurück sein? Gernot setzte sich eine Frist. Wenn bis zum Morgen um sechs Uhr die Situation sich nicht geändert hatte, würde er aufbrechen. Das waren immerhin noch acht Stunden ...

In „Der erste Versuch“ verknüpft Alexander Kröger geheimdienstliche Raffinesse mit psychologischer Spannung vor einem futuristischen Hintergrund. In der folgenden Szene überschlagen sich die Ereignisse: Eine rätselhafte Frau taucht auf, behauptet, vom Mars zu stammen, und will unbedingt Kontakt zu einem Mann aufnehmen, der selbst tief in ein geheimes Projekt verstrickt ist. Was zunächst wie eine persönliche Episode wirkt, entfaltet sich schnell zu einer potenziellen Bedrohung – und zwingt Cathleen Creff zu Entscheidungen, bei denen Pflicht, Zweifel und persönliche Gefühle unheilvoll miteinander ringen.

Die Nachricht von 204, dem Langzeit-Agenten auf Unije, war denkbar knapp. Da er sie jedoch außerhalb der vereinbarten Zeiten übermittelt hatte, musste der Tatbestand ihm wichtig erscheinen. Und das war es wohl dann auch, wenn möglicherweise eine Enttarnung von M 2 damit im Zusammenhang stünde.

‚Em zwei, Milan ...’ Einige Sekunden gab sich Cathleen Creff der Erinnerung hin. ‚Ihm wird schon nichts passieren’, dachte sie, als sie die Wiedergabetaste drückte.

„Ein Wachboot hat um 11 Uhr 77 eine etwa 30- bis 40-jährige Frau namens Alina Merkers gestellt, die behauptet, vom Mars zu kommen und unbedingt Milan Nowatschek sprechen zu müssen. Ein Pulaer Einwohner hat sie geschippert; er hat mit der Sache nichts zu tun. Bis zu einer Entscheidung wird die Frau auf See durch unser Wachboot festgehalten. Ich bleibe auf Scheinfrequenz, versuche Zeit zu gewinnen. Ende.“

Cathleen Creff stoppte das Gerät, sah zur Uhr. „Elfuhrachtundachtzig, flotter Bursche“, murmelte sie anerkennend. Und dann begann sie eilig, aber ohne Hast am Sender Frequenzen zu verändern. Dann ein Piepton, die Gegenstation signalisierte: empfangsbereit.

„Achtung!“ Cathleen Creff sprach leise, als müsse sie sich - ungeachtet der technischen Raffinesse des digitalen konspirativen Kommunikationssystems - gegen einen Lauscher schützen. „Vor der Hafeneinfahrt lieg seit elfuhrsiebenundsiebzig ein Wachboot der Company, auf dem sich eine Besucherin befindet, die die Insel nicht erreichen darf. Ein Unfall wird unbedingt bevorzug. Handeln sofort notwendig, da jeden Augenblick eine Landegenehmigung erteilt werden kann. Ende.“

Nach wenigen Augenblicken kam das Rücksignal, dass die Order auf dem U-Boot störungsfrei empfangen worden war.

Eine zweite kurze Nachricht ging zu 204 nach Unije: „Danke, Reaktion eingeleitet. Ruhe für dich, Ende.“

Eine Sekunde überlegte Cathleen, ob eine dritte Nachricht an M 2 abzusetzen notwendig wäre. Sie entschied sich für nein. ‚Hat Milan gelogen, als er jede engere Beziehung bestritt? Wer ist dann diese Alina? Es rächt sich’, dachte sie, ‚dass ich die Unterlagen nicht gründlich gelesen habe.’ Sie blickte zur Uhr. Das Versäumnis jetzt nachzuholen, blieb keine Zeit. ‚Oder ist es einseitig, ausschließlich aus ihrer Sicht? Wenn diese Alina tatsächlich von einer Mars-Station kommt, könnte es sein, dass sie vor lauter Einsamkeit und Erdweh in eine harmlose Bekanntschaft eine innige Beziehung hineingesehnt hat, vielleicht gar an eine solche glaubt. So etwas soll es geben. Und wenn doch wirklich ...?’ Cathleen hob in einer fatalistischen Pose die Schultern. ‚Er wird von der Company-Leitung über die Besuchsabsicht dieser Alina informiert worden sein, wird sich bekennen müssen, ob er sie empfangen will oder nicht, wenn ja, wird er eine Sicherheitsbürgschaft abzugeben haben.’ Cathleen Creff blickte erneut zur Uhr. ‚Das ist jetzt alles im Gang ...

Und wenn Milan sie empfangen will, darf, oder gar die Genehmigung für ein Treffen auf dem Festland erhält - nun, ein Unfall ... Das ist höhere Gewalt, da kann man nichts machen. Sie ist so oder so ein Sicherheitsrisiko!’

Nur einen winzigen Augenblick dachte Cathleen daran, dass das alles den Milan Nowatschek betraf, mit dem sie einige schöne Stunden ..., der ihr womöglich vertraute.

Fast hätte sie bei dem Gedanken aufgelacht. ‚Vertrauen in dieser Zeit, eine Nostalgieduselei, ein Hemmschuh für Tüchtige!’

Plötzlich riss eine Erkenntnis Cathleen aus ihrem fruchtlosen Denken: „Sie meint Em eins! Diese Alina meint Em eins!“ Sie atmete tief durch und ließ diese Einsicht eine kleine Weile auf sich wirken. Dann sagte sie befriedigt und inbrünstig laut vor sich hin: „Umso weiser Mannas’ Entscheidung ...“

Kommen wir noch einmal auf Fontane und auf das erste Sonderangebot des heutigen Newsletters zu sprechen. Die Journalistin und Schriftsellerin Gisela Heller, die kürzlich im hohen Alter gestorben ist, galt als eine ausgewiesene Kennerin seines Lebens und seines Werks. In „Geliebter Herzensmann“ hat sie aber auch seiner Frau Emilie Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Es lohnt sich, ihre beiden Bücher „Unterwegs mit Fontane in Berlin und der Mark Brandenburg“ und „Unterwegs mit Fontane von der Ostsee bis zur Donau“, die beide 2018 als E-Books bei EDITION digital herausgebracht wurden, wieder einmal zur Hand zu nehmen und vielleicht sogar als Reiseführer für eigene Wanderungen auf den Spuren von Theodor Fontane zu nutzen. So bietet sich zum Beispiel ein Ausflug nach Husum an, worüber bei Gisela Heller unter anderem zu lesen ist:

„Storm kam Weihnachten 1852 von Husum nach Berlin, um sich hier, behufs Eintritts in den preußischen Dienst, dem Justizminister vorzustellen. Er sah sich im Ministerium ... entgegenkommend, in literarischen Kreisen aber mit einer Auszeichnung empfangen, die zunächst dem Dichter, aber beinahe mehr noch dem Patrioten galt. Denn alle anständigen Menschen in Preußen hatten damals jedem Schleswig-Holsteiner gegenüber ein gewisses Schuld- und Schamgefühl.“ („Von Zwanzig bis Dreißig“, „Der Tunnel über der Spree“, Kapitel 4) Bei allem Wohlwollen spürte der empfindliche Storm doch, dass in Berlin selbst gebildete Kreise „den Schwerpunkt nicht in die Persönlichkeit, sondern in Rang, Titel, Orden und dergleichen Nipps“ legten (an Fontane, 23. 3. 1853)“ Fontane, obwohl er sich oft genug ob seiner Rang- und Titellosigkeit zurückgesetzt fühlte, widersprach merkwürdigerweise: „Es gibt nirgends in der Welt ... so wenig eine exklusive Gesellschaft wie hier ... Geburt, Reichtum, Rang, Talent und Wissen vertragen sich hier in wunderbarer Weise, und Graf Arnim, mit einem halben Fürstentum hinter sich, verkehrt mit dem Lokomotivenbauer Borsig oder mit Prof. Dove völlig ebenso wie mit seinesgleichen.“ (2. 5. 1853) Storm konterte: „Fragen Sie Ihren Grafen Arnim doch einmal, ob er dem Professor Dove oder dem Maschinenbauer Borsig auch seine Tochter zu Ehe geben wolle!“ (5. 6.1853)

Storm vertrat die französische Forderung nach Egalité viel radikaler, war überhaupt radikaler in politischen Fragen und „zog vor, den politischen Ankläger zu machen“. Wenn er sich „mit seiner kleinen, feinen Stimme“ über das „Inferiore preußischen Wesens“ ausließ, fühlte Fontane sich persönlich attackiert. Es kam zu Überreaktionen auf beiden Seiten. Während Fontane die patriotisch-heroische Seite preußischer Bildung hervorhob, erwiderte Storm: „Mich interessiert mehr der Mensch als die Menschheit“, lenkte aber ein, es sei wohl „das Pflanzenhafte seiner Natur“, das ihn so empfinden ließe: „Mir fehlt wohl das, was man historischen Sinn nennt.“ (5. 6. 1853)

Sie gerieten nicht nur politisch aneinander, auch ihre Temperamente, ihre Ansichten vom Leben, ihre Anschauungen, was sittlich oder nicht, was frivol und was prüde sei, führten zu Kontroversen; doch was sie immer wieder aneinander band, war das gemeinsame Schicksal junger Dichter-Ehen: zu wenig Geld, überforderte Frauen, Kinder, die im Säuglingsalter starben, Ausbleiben von Anerkennung... Und was ihnen nie verloren ging: die gegenseitige Wertschätzung. Wenn sich Fontane wieder einmal über Storms Ansichten geärgert hatte, las er nur in dessen Gedichten, und alle Dissonanzen lösten sich auf. Eine Liebe, eine Welt-Anschauung verstand er in sechs Zeilen zu fassen.“

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die fünf nächsten Sonderangebote werden diesmal wohl mit der Bahn zu ihren Leserinnen und Lesern transportiert werden. Das ist doch mal was anderes. Und es soll auch nachhaltiger sein als jedes andere Transportmittel. Bleibt nur zu hoffen, dass es keine Verspätung gibt.

Zu den Sonderangeboten für die nächste Woche gehört auch der ausgerechnet 1989 erschienene originelle Roman „Die Geister von Thorland“ von C. U. Wiesner, der leider in den Wende-Wirren ebenso unterging wie 1885 das nördlichste souveräne Herzogtum Thorland. Nie davon gehört? Dabei hatten Anfang Juli 1985 verschiedene Tageszeitungen folgende Meldung gebracht:

„Dem Fährschiff Saßnitz, das an den Wochenenden zwischen Saßnitz (Rügen) und Rönne (Bornholm) verkehrt, fiel östlich des 14. Längengrades und südlich des 55. Breitengrades aus ungeklärten Gründen kurzzeitig die Radarortung aus: Die Radarantenne fuhr Karussell. Ebenso ungeklärt sind eine dichte Nebelwand bei strahlendem Sonnenschein und hohem Luftdruck sowie eine rätselhafte Wellenfront bei spiegelglatter See in der Höhe des Adlertiefs.“ Was das mit Thorland und mit Vineta zu tun, klärt sich nächste Woche.

Bücher haben ihre Schicksale. „Die Geister von Thorland“ hatte der Eulenspiegel Verlag plangemäß im zweiten Quartal 1989 auf den Markt bringen wollen. Dann aber verschlang der allerletzte Parteitag der SED so viel von dem ewig knappen Druckpapier, dass so manches Verlagsvorhaben zurückstehen musste. Vielleicht war das für die Sicherheit des Autors gut so, nicht jedoch für sein Werk, in dem er auf märchenhafte Weise sogar den Fall der Mauer vorhersagte.

Als es endlich in die Buchhandlungen gelangte, interessierte es keine Sau mehr, denn knapp sechs Wochen vorher war tatsächlich die Mauer gefallen, und die DDR-Literatur war, wie man heute sagt, mega-out. Vielleicht aber bekommt dieses Buch wie dermaleinst das kleine Inselreich Thorland eine Chance zum Wiederauftauchen … - zumindest bei den Leserinnen und Lesern dieses Newsletters.

EDITION digital: Newsletter 18.04.2025 - Mit Fontane anderswo, Ärger mit dem System Alpha Centauri und Hoffnung