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Der Untergang einer alten Weltordnung. Rüstungskontrolle als Waffe in Kalten Kriegen von Lutz Vogt
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Preis E-Book:
9.99 €
Veröffentl.:
02.06.2023
ISBN:
978-3-96521-942-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 493 Seiten
Kategorien:
POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Rüstungskontrolle, POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Verträge, POLITIKWISSENSCHAFT / Public Policy / Militärpolitik, POLITIKWISSENSCHAFT / Sicherheit (national &; international), POLITIKWISSENSCHAFT / Frieden, POLITIKWISSENSCHAFT / Internationale Beziehungen / Allgemein
Atomwaffen, Chemische und biologische Waffen
Frieden, Abrüstung, Kalter Krieg, Rüstungskontrolle, USA, China, Russland, Nordkorea, Rüstungskontrolle, Atommacht, Stockholmer Konferenz, DDR, Sowjetunion, UdSSR, VSBM-Vertrag, NVA, Manöverbeobachtung, NATO, INF-Vertrag, Warschauer Vertrag, 2+4-Vertrag, Sternenkrieger, Weltraum, Hyperschall, START-Vertrag, Chinesisch-russische Kooperation, INF-Vertrag, KSZE, OSZE, KSE-Vertrag, Cyberkrieg, BRICS, SCO, ASEAN
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Rüstungsbeschränkungen für Deutschland

Der 2+4-Vertrag beinhaltet gewichtige Vereinbarungen der Rüstungskontrolle in Form vom Rüstungsverboten für das vereinigte Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland verzichtet nach dem Beitritt der DDR im Artikel 3; Abs. 1 und in der Erklärung 3c. des Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher erneut und unwiderruflich auf die Herstellung, den Besitz und die Verfügungsgewalt über atomare, chemische und biologische Waffen. Sie bestätigte damit nochmals ausdrücklich die Gültigkeit entsprechender bestehender Verträge und Konventionen, deren Mitglieder die DDR und die alte BRD waren (Nichtweiterverbreitungsvertrag-NPT und die Konventionen über die Verbote und die Vernichtung chemischer und biologischer Waffen). Anders als im Nichtweiterverbreitungsvertrag ist der deutsche Verzicht auf Kernwaffen im 2+4-Vertrag jedoch nicht widerrufbar. Während im NPT ja ausdrücklich jeder Unterzeichnerstaat gemäß Artikel X Abs. 1. das Recht auf einen vertragskonformen Austritt hat. Analoges gilt für die B-Waffen-Konvention (Artikel XIII) und die C-Waffen-Konvention (Artikel XVI). Auf diese Austrittsrechte haben die beiden deutschen Staaten 1990 im 2+4-Vertrag ausdrücklich verzichtet. Ihre damaligen Regierungen betrachteten diesen vollständigen und endgültigen Verzicht auf atomare, chemische und biologische Massenvernichtungswaffen als einen notwendigen Preis für den Beitritt der DDR zur BRD.

Die 2+4-Staaten entsprachen mit diesem Artikel 3 auch den Festlegungen der Konferenz von Jalta vom 11. Februar 1945, des Potsdamer Abkommens vom 02. August 1945, der „Erklärung (der vier Siegermächte) in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands“ sowie der „Feststellung über das Kontrollverfahren in Deutschland“ (beide vom 5. Juli 1945). In Jalta hatten Stalin, Roosevelt und Churchill als ihr Kriegsziel festgestellt, „… dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören …“ (G. Schirmer, „Ein guter Pakt“; „Junge Welt“, 21.07.2015). Im Sinne dieser Festlegungen von Jalta und Potsdam erklärten die beiden deutschen Staaten im 2+4-Vertrag, bestätigt durch die vier Hauptsiegermächte des 2. Weltkriegs, dass das vereinigte Deutschland niemals über atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen verfügen wird.

Damit legten die Vier Mächte, die zugleich auch Ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat sind, fest, dass selbst dann, wenn das vereinigte Deutschland jemals auch Ständiges Sicherheitsratsmitglied werden sollte, dies nur als Mitglied zweiter Klasse möglich sein sollte. Die bisherigen 5 Ständigen Sicherheitsratsmitglieder sind zugleich auch die selbsterklärten „legalen“ Nuklearmächte. Dieser quasi als Geburtsrecht beanspruchte exklusive Status sollte auch mit dem 2+4-Vertrag vorsorglich abgesichert werden (siehe auch Michael Stürmer, „Die Welt“, 11.07.2017). Man weiß ja nie. Deutschland verfügte 1990 über alle wissenschaftlichen und technologischen Kenntnisse für den vollständigen Nuklearzyklus – zivil wie militärisch. Schon kleinere und wirtschaftlich weniger leistungsfähige Staaten wie Frankreich und Großbritannien (ganz zu schweigen von z.B. Israel, Pakistan oder der KVDR) hatten und haben Kernwaffen. Zumindest theoretisch könnten sich auch in Deutschland die politischen Interessen hinsichtlich des Kernwaffenbesitzes ändern. Dem wurde im 2+4-Vertrag wenigstens in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag so gut es eben ging vorgebaut. In der DDR hatten Wissenschaftler wie Prof. Klaus Fuchs, Prof. Max Steenbeck und Prof. Manfred von Ardenne gelebt, die selbst an der Entwicklung sowjetischer und US-amerikanischer Kernwaffen in Schlüsselfunktionen mitgearbeitet hatten. Mit dem Uranbergbaubetrieb „Wismut“ erbte das vereinigte Deutschland eine jahrzehntelange Quelle der UdSSR für Uran einschließlich modernster Abbautechnologien in den Ende der 1980er Jahren neu erschlossenen Uranminen (siehe auch: A. Fenenko: „20 Jahre Einheit: Deutschland weiter ohne Friedensvertrag“; RIA Novosti, 04.10.2010). In der alten BRD gab es mehrere High-Tech-Konzerne, die sowohl Kernkraftwerke bauen als auch betreiben konnten. Auch die Technologie der atomaren Wiederaufarbeitung und Anreicherung war großen Unternehmen in Produktion und Betrieb bekannt.

Die vier Hauptalliierten im Kampf gegen Hitlerdeutschland und die Regierungen der beiden deutschen Staaten vereinbarten als weiteren wesentlichen Punkt der Rüstungskontrolle im 2+4-Vertrag unter anderem auch den entnuklearisierten Status der deutschen Gebiete, die bis zum 3. Oktober 1991 die DDR bildeten. Gemäß Art. 5, Abs. 3 dürfen auf dem ehemaligen Territorium der DDR keine NATO-Truppen mit Kernwaffen stationiert werden. Zumindest rechtlich befinden sich die Menschen im Osten der Bundesrepublik Deutschland in einer Art privilegierter Position. Die Bundeswehr darf dort dual verwendungsfähige Waffensysteme nur in ihrer konventionellen Rolle stationieren (z.B. Flugzeuge vom Typ „Tornado“). Dieser Punkt war auch unter den seinerzeit Verantwortlichen in der Bundesrepublik als wesentlich für den Weg zur deutschen Einheit gesehen worden. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und der Staatssekretär im BMVg, Willy Wimmer, hatten sich hierzu bereits frühzeitig verständigt (W. Wimmer; „Die Akte Moskau“; Denkschrift vom 20.12.1989; S 299 ff; S. 160-161). Angesichts der geringen taktischen „Tiefe“ des ehemaligen DDR-Territoriums war dieser Punkt des 2+4-Vertrages allerdings eher ein Feigenblatt zur Erlangung der Zustimmung zum Vertrag im damals noch existierenden Obersten Sowjet und im ZK der KPdSU. Kontrollmechanismen für Artikel 5, Absatz 3 wurden ohnehin nicht vorgesehen.

Nach dem erneuten und bedingungslosen Verzicht Deutschlands auf Entwicklung, Herstellung, Besitz oder Verfügung auf Atomwaffen mussten die Vier Mächte nur noch all jene politischen Kräfte unterstützen und fördern, die so viel wie möglich vom schon bestehenden wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Nuklearkomplex in Deutschland abschaffen wollten. Die Ergebnisse sind bekannt.

Ein Land, das über keinen eigenen Nuklearkomplex von der Urangewinnung über dessen Verarbeitung und Nutzung zur Energieerzeugung bis zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoff verfügt, ist wissenschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und letztlich politisch drittrangig. Ganz gleich, wie sich die Eliten solcher Länder selbst gerne sehen. Dies gilt umso mehr für die weitere Zukunft.

Der Untergang einer alten Weltordnung. Rüstungskontrolle als Waffe in Kalten Kriegen von Lutz Vogt: TextAuszug