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Inge Peterson schließt die Wohnungstür auf, sofort spürt sie sich von Steffis Armen umklammert, hört: Maamaa - in Lianes Campingbeutel sind Jäckchen, Hemdchen, Strampelhosen, sogar Schuhe für meine Puppe Grit. Aber Liane hat sie mir, weiß ich, warum, weggerissen, behält sie, Mama, die ist doch viel zu groß, mit Puppen zu spielen! Steffi hält ihrer Mutter ein Jüpchen, mit Noppen gestrickt, dazu eine kleine Mütze entgegen, Ist 'ne Ausfahrgarnitur, Mutti, erklärte sie wichtig. Und sieh mal, auch das noch! Sie hebt einen Packen Windeln hoch. Bestimmt hat Oma alles für mich mitgegeben!
Liane hat die Wäschestücke an sich gepresst, sie sieht die Mutter ängstlich an. Die wiederum erschrickt vor Liane. Fragt: Um Himmels willen, Tochter, das kann doch nicht wahr sein? Sag, dass es nicht stimmt...
Liane weiß auf einmal zu ihrer Erleichterung, dass ihre Mutter die Tatsache erfasst hat. Sagen musst du es ihr, hatte Oma verlangt.
Aber die Erleichterung schlägt gleich in Schreck, Entsetzen, Versteinerung um. Sie steht, lässt sich nun ohne Protest die Kindersachen von Steffi aus den Händen zerren.
Inge Peterson hat die Netze, wo sie steht, fallen lassen, blickt ungläubig auf die große Tochter, schreit: Nun sag endlich was! Als Liane weiterhin schweigt, stürzt sie auf das Mädchen zu, greift sie bei den Schultern. Sie ist durch ihre Arbeit kräftiges Zupacken gewohnt; so spürt Liane schmerzhaft die Hände der Mutter, die sie schütteln und an ihr reißen.
Habe ich als deine Mutter keine anständige Erklärung verdient?
Liane vermag weiterhin nichts zu sagen.
Die Mutter ist nun völlig außer sich. Sie zieht das Gesicht der Tochter zu sich hoch, aber die drückt den Kopf nach unten, ohne einen Laut von sich geben.
Da schlägt die Hand der Mutter mit Wucht in das Gesicht der Tochter.
Das Echo dieses Schlages scheint sich um die drei Menschen in der Diele zu verzehnfachen. Steffi steht erschrocken zwischen Mutter und Schwester, blickt von der einen zur anderen. So etwas hat sich, solange sie denken kann, nicht bei ihnen ereignet.
Gewiss, die Mutter ist schnell mal aufgeregt oder wütend, dann nörgelt sie herum oder schimpft lange und anhaltend. Mehr auf Liane als auf sie. Natürlich, die ist ja größer und muss alles richtig machen! Aber gehauen - hat Mutti bisher keine von ihnen.
Die Mutter besieht sich ihre Hand, als könne sie es selbst nicht fassen.
Liane, auf deren Gesicht sich die fünf Finger der Hand der Mutter abbilden, rot färben und leicht anschwellen, empfindet nach dem Schmerz Trotz und dann etwas, das sie nicht zu benennen weiß, das aber damit zu tun hat, dass Mutti ihr etwas getan hat, von dem sie spürt, sie würde es gern ungeschehen machen. Also hat auch Mutti ein Gefühl von Schuld, und da kann sie ihre Mutter zum ersten Mal richtig ansehen und sagen: Ja, es stimmt, ich bekomme ein Kind. Oma habe ich es schon erzählt. Wir haben lange darüber geredet, und dann hat Oma mir die Babysachen von einer Patientin gekauft, deren Kind schon ein Jahr ist.
Frau Peterson stolpert über die Netze hinweg, stößt die Wohnzimmertür auf und lässt sich in den nächststehenden Sessel fallen. Das ist ja wunderbar! schreit sie in die Diele hinüber, deine Großmutter ist also dafür, dass fünfzehnjährige Kinder Kinder kriegen! Und wer ist der Vater? Dieser Timm oder gibt es noch andere, die dafür in Frage kommen?
Die Sätze treffen Liane schlimmer als die Ohrfeige. Wie kann Mutti ihr andere Jungen außer Timm zutrauen?