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Ein altes Haus für Laura oder wie Old Shatterhand nach Potsdam kam. Roman von Katharina Schubert
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
16.05.2013
ISBN:
978-3-86394-013-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 160 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Vorurteile und Rassismus, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Freundschaft, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Tod und Sterben, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Werte und Tugenden, Kinder-und Jugendbuch/Mädchen und Frauen, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Generationsübergreifend, Kinder-und Jugendbuch/Politik und Regierung
Kinder/Jugendliche: Familienromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Familie, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Tod und Trauer, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen. Freunde und Freundschaft, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Rassismus und Multikulturalismus, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen
Eifel, Judenverfolgung, Freundschaft, Landleben, Verrat, Bauernhof, Spekulant
11 - 99 Jahre
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Es war Winter. Draußen lag hoher Schnee. Thereses Mutter kam aus dem Stall und bat den Vater: „Hol die Hebamme, es geht los.“ Sie umfasste ihren dicken Bauch und ging schwer atmend die Treppe hoch. Sie bat die Kinder, brav zu sein. Morgen früh hätten sie ein neues Geschwisterchen. Dann ging sie ins Schlafzimmer.

Kurze Zeit später hörten die Kinder die Mutter schreien. Thereses Schwester holte Josefas Mutter. Als sie oben im Zimmer war, kam Josefa im Nachthemd durch den Schnee gelaufen und setzte sich neben Therese an den Ofen. Niemand achtete auf die kleinen Mädchen.

Es wurde hektisch. Der Vater brachte die Hebamme. Das war Emmas Tante. Immer wieder rannten Thereses Schwester und Josefas Mutter nun treppauf, treppab, holten heißes Wasser und Tücher. Irgendwann schrie die Hebamme, der Vater müsse den Doktor holen, sonst würde die Mutter sterben. Er lief wieder los.

Oben stöhnte und schrie die Mutter. Josefa und Therese fürchteten sich sehr. Eine Ewigkeit schien vergangen zu sein, als der Vater endlich mit dem Arzt kam. Damals gab es noch keine Busse oder Autos. Er musste die zehn Kilometer zum Arzt durch den hohen Schnee laufen.

Zurück fuhr er dann mit dem Arzt im Pferdeschlitten.

Nachdem der Arzt eine Viertelstunde bei der Mutter war, kam er polternd die Treppe runtergelaufen und schüttelte den Vater: „Du hast mich viel zu spät geholt. Es waren Zwillinge, zwei Jungen, aber sie sind tot. Zehn Minuten später, und deine Frau wäre auch verreckt. So schafft sie es vielleicht.“

Er setzte sich an den Küchentisch und trank ein großes Glas Schnaps. Dann verlangte er sein Honorar. Dieses Mal würde er sich nicht wieder vertrösten lassen und ohne Geld gehen.

Fünf oder zehn Mark wollte er. Genau weiß Oma Therese das nicht mehr. Aber sie erinnert sich noch genau, wie arm sie damals waren. Der Vater hatte das Geld nicht.

„Pump’s dir zusammen!“, brüllte der Doktor. „Vorher gehe ich nicht.“ Wieder kippte er ein Glas Schnaps in sich rein.

Alle hatten Angst, er könne irgendwann anfangen, die Küche zu demolieren. Schließlich bekam der Vater die Hälfte des Geldes, das der Arzt wollte, irgendwie zusammen und gab es ihm.

Der Doktor torkelte zur Tür. „Vielleicht ist es gut, dass ihr nicht noch zwei Fresser mehr habt“, sagte er im Hinausgehen und sah Therese und Josefa dabei an.

Der Vater saß schweigend am Tisch.

Dann kamen die Hebamme und Josefas Mutter die Treppe runter. „Wo ist der Doktor?“, fragte die Hebamme.

„Fort.“ Jetzt trank der Vater auch einen Schnaps.

„Bist du noch bei Troste, Egidius, den gehen zu lassen! Der muss die Totenscheine für die Kinder ausschreiben. Sonst könnt ihr sie nicht beerdigen“, schimpfte sie.

 

Oma Therese atmet tief durch. „Wäre der Arzt noch einmal gekommen, hätte das wieder fünf Mark gekostet. Der Vater besaß aber nichts mehr.“

„Konnte der Arzt denn nicht mal ein paar Tage warten?“, empört sich Laura. „Und warum musste der überhaupt bezahlt werden? Mama bezahlt ja auch nicht, wenn sie mit mir zum Arzt geht.“

„Das kann man nicht miteinander vergleichen“, sagt Oma Therese. „Damals war hier kein Mensch krankenversichert. Das konnte sich einfach niemand leisten.“

Zu wenig blieb übrig von dem, was auf dem Hof erwirtschaftet wurde. Man hatte kaum etwas, um es zu verkaufen. Geld war selten. Der Arzt und die Hebamme mussten oft Monate oder Jahre auf ihr Geld warten. Manchmal bekamen sie es nie.

Die Erwachsenen berieten, was jetzt zu tun sei wegen der toten Babys.

Josefas Mutter, Thereses Großeltern und die Nachbarn gaben, was sie hatten. Zwei oder drei Mark kamen zusammen. Josefas Mutter legte die kleinen Leichen in Kartons und ging die fünfzehn Kilometer zu Fuß in die Kreisstadt, um die Totenscheine ausstellen zu lassen. Das war billiger, als den Arzt noch einmal zu holen.

Erst am nächsten Nachmittag war sie mit den toten Babys und den amtlichen Bescheinigungen zurück. Die Zwillinge konnten beerdigt werden.

Josefa und Therese lagen in dieser Nacht in einem Bett und kuschelten sich eng aneinander. Sie versprachen sich, nie im Leben Kinder zu bekommen.

„Aber ihr habt doch Kinder bekommen“, sagt Laura.

„Josefa drei. Ich vier.“

Laura, Benji und Mama sind sehr betroffen.

„Hat Ihre Mutter das Ganze überlebt?“, will Mama wissen.

 

Ein altes Haus für Laura oder wie Old Shatterhand nach Potsdam kam. Roman von Katharina Schubert: TextAuszug