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»Er ist bis jetzt noch nicht gekommen«, sagte sie. Und aus dem Klang ihrer Stimme ließ sich schließen, was die Augen noch unvollkommen spiegeln konnten. Sie war beunruhigt.
»Er wird gesucht«, sagte ich.
Die Eitelkeit des Mehrwissers mischte sich dabei mit dem Bedürfnis, dieses großäugige Gesicht, in dem immer noch ein Rest von Schrecken darüber lebte, dass sich die Welt nicht nach Märchenschlüssen richtete, länger genießen zu können.
»Zu Hause war er auch nicht.«
»Sein Glück«, sagte ich leichthin, »wenn er schlau ist ...!«
»Aber er ist nicht schlau. Und er wird Hunger haben. Ich versteh nicht, warum er nicht kommt. Essen muss er doch was.«
»Das nehm ich auf mich«, räumte ich generös ein. »Ich hab ihn gestern verjagt.«
»Aber irgendwas muss doch unternommen werden! Er kann doch nicht dort draußen bleiben.«
»Sie werden ihn schon finden.«
»Nein«, rief sie, »finden dürfen sie ihn nicht. Das geht nicht gut.«
Sie war wirklich ein schönes Mädchen und imstande, es zu vergessen, wenn sie erregt war. So griff sie nun mit der Hand über sich in die Vorhangfalte, eine Bewegung, der sie sich nicht bewusst war und die doch den Körper aufs Angenehmste spannte.
Ich kam dem Ruck, mit dem sie die Vorstellung beenden würde, zuvor, indem ich sagte:
»Vorschlag zur Güte: Wir suchen ihn. Du und ich. Gleich wenn du hier dichtgemacht hast.«
Das Du ergab sich wie von selbst; sie reagierte nicht anders, als wäre es zwischen uns schon seit Kindertagen üblich. Sie kam gleich zum Wesentlichen.
»Und wo sollen wir suchen?«
»Das weiß ich auch noch nicht. Aber wir haben schließlich den Vorteil, einiges von ihm zu wissen. Du das eine, ich das andere. Legen wirs zusammen! Auf diese Art ist man schon manchem auf die Schliche gekommen.«
Ich beobachtete mit Genugtuung, wie die helle Aufregung in ihren Augen einer Art Bewunderung Platz machte. Nach Lage der Dinge konnte sie nur einem gewissen Krambach gelten, der gewöhnlich in Sorge war, ob der Bart sein biederes Gesicht vorteilhaft verlängere. Sollten es am Ende unbegründete Sorgen sein?
Gundels Hand ließ den Vorhang los. Sie benötigte ihren Mittelfinger, um nachdenklich an der Unterlippe zu zupfen. Schließlich blitzte das schiere Vergnügen über die Verschwörung aus ihren Augen.
»Gut«, flüsterte sie, »ich mach den Laden heut eher zu. Spätestens drei viertel drei.«
Nun schlug sie den Vorhang zurück und gab den Blick in den nüchtern hellen Verkaufsraum frei.
Die murrende Menge beruhigte sich, je näher sie in den Bannkreis der natürlichen Anmut kam. Nur wer mich in Augenschein nahm, der blieb noch dem Grimm verhaftet. Mich störte es wenig. Mit einer solchen Verabredung in der Tasche hätte ich ganz andere Spießrutenläufe gewagt.