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Ich fahre ein zweites Mal in den Zirkonbetrieb. Weder Kaffee, nach ungarischer Art gekocht, noch Zigarren, nicht einmal ein Stuhl wird mir angeboten. Dr. Minnich empfängt mich im Stehen. Die Tränensäcke unter seinen Augen sind aufgedunsen. Ich unterbreite ihm die Vorschläge der Redaktion. Er hört mich nicht einmal in Ruhe an. Stets wiederholt er: Ich will Genugtuung haben, Herr, ich lasse mich von Ihnen nicht ausschmieren. Die Erregung zeichnet ihn körperlich Seine Lippen verfärben sich grau, seine Glieder beben. Zwar versucht er noch immer, mir seine Arroganz zu zeigen, aber auch sie wirkt schlaff und müde. Ich fühle mich ihm überlegen. Und ich befrage ihn, indem ich ihn damit erbarmungslos an unsere erste Begegnung erinnere: Soll ich meine Frau hereinrufen, daß sie jedes Wort zu Protokoll nimmt. Er wehrt mit beiden Händen ab. Ein gebrochener Mann.
Aber er ist nicht bereit, seine Fehler einzugestehen. Wir schreiben einen zweiten Artikel. Ich schreibe ihn. Die Finger zur Faust oder Der lächerliche Alleingang des modernen Don Quichotte. Jeremias Weißbecher sieht es gern, wenn man literarische Vergleiche zieht. Die Vorwürfe gegen Dr. Minnich sind diesmal schärfer formuliert. Wir kündigen eine Versammlung im Zirkonbetrieb an und fordern, daß sich Dr. Minnich vor der Belegschaft verantwortet. Demokratie. Die Frage der Macht. In diesem Staat herrscht die Arbeiterklasse.
Die Redaktion zollt mir Beifall. Journalismus, wie er sein soll. Paradestück. Nur Ruth fragt mich manchmal schon bangend: War das nötig? Ich habe sie richtig eingeschätzt. Du wirst nicht töten können...
Die Belegschaftsversammlung jedoch findet nicht mehr statt. Mitten hinein in unsere Vorbereitungen platzt ein Anruf aus dem Chemiekombinat. Dr. Minnich, heißt es, hat die Republik verraten. Über Nacht. Er nahm sich nicht einmal genügend Zeit für seine Flucht. Die Haussuchung ergibt, daß nicht ein einziges Möbelstück fehlt. In der Küche wartet noch Geschirr auf den Abwasch. Nur mit ein paar Handkoffern sind Dr. Minnich und Familie verschwunden. Ein bißchen Wäsche darin und Wertsachen. Seinen Privatwagen findet man in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße. Daß er auch Akten mitnahm, dahinter kommt die Staatssicherheit erst später.