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Kreuz am Waldrand. Novelle von Elke Nagel
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
20.01.2013
ISBN:
978-3-86394-914-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 78 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Politik, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Psychologisch, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Familienleben
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Seelenleben, Kriegsromane, Familienleben, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, SS, Kriegsgefangene, Erschießung, Ahnenpass, Zuchthaus
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Mattes war hinter dem Lenkrad eines Lastkraftwagens und in den Waggons der Militärzüge durch halb Europa gerollt. Er hatte keine Orden erworben. Er hatte auch schießen müssen. Hab aber immer nur die Luft beschossen, behauptete er später, wann immer er auch danach gefragt wurde. Einmal nur hatte er für wenige Tage Urlaub bekommen; da saß er wie ein Fremder in der Küche, seine Jungen starrten ihn an, auch der Jüngere trug nun diese braune Kluft und zeigte ihm ein blinkendes Messer, mit der Aufschrift “Blut und Ehre”. Wortlos nahm er das Messer, ging in den Hof und warf es in die Jauchegrube. Als er zurückkam, tröstete Elska den weinenden Hottelko, Mattes sprach kein Wort, er machte sich am nächsten Tag auf den Weg zur Bahnstation, obwohl er noch einen Tag hätte bleiben können. Sein Gewissen rumorte schon, als er im Zug saß. Hätt lieb sein müssen zur Elska. Auch zu den Kindern. Was können sie dafür. Noch schlimmer wurde ihm zumute, als es in ihm dachte: Sie können alle dafür. Wir können alle dafür.

Als später seine Einheit von Ost nach West verlegt wurde, kam er noch einmal ganz dicht an Steinau heran, der Zug hielt nicht am Bahnhof, er rollte vorbei am Bahnwärterhaus, wo der alte Kowatsch Dienst tat, Mattes hatte einen Zettel um einen Stein gewickelt und mit Bindfaden festgezurrt, auf dem Zettel stand, Elska moja, gute Nacht, ich denke an dich unendlich, es grüßt dich dein Mattes. Er warf den bewickelten Stein aus dem Zug, er traf beinahe den Kowatsch Bernhard am Kopf, am Abend hielt Elska die Nachricht in der Hand. Es war für lange Zeit die letzte Nachricht von Mattes. Seine Zickzack-Fahrt durch Europa war beendet, denn sie fuhren ihn nach Afrika. In ’er Wieste bin ich gewäsen, die Wiestenluft hab ich angeschossen, bis sie mich haben eingefangen, die Tommys! So redete er, als er beim Senek Jurij im Atelier hockte, Zigarette in der einen, Wodkaglas in der anderen Hand. Die Engländer, Jurij, kann ich dir sagen, das sind dir feine Leite. Haben sie mich nach Haus gelassen, musste nur unterschreiben, dass ich nie wieder werd kämpfen gegen sie, hab noch nie nicht irgendwas so gern unterschrieben wie dieses Papier, Jurij, weißt! Und, siehst du, darum, das hab ich dir mindestens schon einmal erzählt, aus Dankbarkeit hab ich meinen Hund hier so genannt, Churchill hab ich ihn genannt. Stimmt’s, Deifi? Du bist der Churchill.

Aus Dankbarkeit? fragte Jurij. Wieso, Mattes? Wenn du es mal genau nimmst, sieht es doch so aus: Hätten sie dich nicht nach Haus geschickt, hättest du die Krankheit nicht nach Haus getragen. Siehst du nun, dass du die Wörter verwechselt hast? Du bist kein Mörder, du doch nicht. Du wolltest doch nicht nach Hause, um deinen Kindern den Typhus zu bringen. Du bist doch nicht schuld.

Mattes wiegte den Kopf, kraulte dem Hund den Hals. Alle sind schuld. Niemand ist schuld. Weiß nicht, Jurij, mein Kopf kann alle diese Dinge nicht fassen, wenn du verstehst. Weiß nur: Als ich nach Haus kam, war ich gesund, hatt’ aber die Krankheit, diese Bazillen, noch an mir kleben. Wusste das nicht. Wie sollte ich wissen? Hab die Elska gedrückt, hab den Hermanko gedrückt, hab den Hottelko gedrückt. Hab ihnen allen den Typhus gebracht. Sind sie gestorben, die Jungs. Nur die Elska, sie hat es geschafft. Waren wir beide allein. Hatte ich lange Zeit keine Freude. Hat es viele Monate gedauert, bis mir wieder ein Lied aus dem Hals gekommen ist. Verstehst, Jurij? Gut.

 

Kreuz am Waldrand. Novelle von Elke Nagel: TextAuszug