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Er bereitete eine Linie Kokain auf seiner Hand vor und zog sich das Koks durch die Nase. Er schüttelte den Kopf, fühlte sich sogleich erfrischt, leckte über den Handrücken und wischte sich den Mund ab. Bald, dachte er. Schon bald.
Er schaute nach rechts. In einiger Entfernung lagen ein paar Wohnhäuser. Ein Kirchturm, um den einige Falken kreisten, ragte in den abendlichen Himmel. Er sah eine Steinmauer, an der sich Efeu hochrankte – die Mauer umgab das kleine Kirchlein. Er sah Büsche und Bäume. Drehte den Kopf aber bald zurück, und nahm eine schwarze 9mm-Pistole zur Hand, die direkt neben ihm lag. Er hob die Waffe und senkte sie wieder. Er legte die Pistole wieder weg, rieb sich die Hände und schmunzelte verhalten. Kurz darauf zog er ein zerknittertes Foto aus der Hosentasche. Er starrte das Bild sekundenlang ausdruckslos an. Der Schalk glänzte aber in seinen Augen. Er wirkte vollkommen entspannt. Ruhig. Doch der Schrei einer Eule zerriss augenblicklich seine innere Gelassenheit. Am liebsten hätte er auf das Federvieh geschossen – doch er konzentrierte sich wieder und stierte erneut das Bild an. „Schon bald …“, murmelte er ganz leise. Auf dem Foto, das er in der rechten Hand hielt, war die Familie Schönberger abgebildet. Christian Schönberger, Brigitte Schönberger, Sophie Schönberger und Stefanie Schönberger waren darauf zu sehen. Alle lächelten. „Jahrelang habe ich auf diesen Moment gewartet – und in wenigen Monaten zahle ich euch alles heim …“, flüsterte er in die Luft hinein. Er ballte seine linke Hand zu einer Faust, knirschte mit den Zähnen und zitterte vor Wut. „Ihr werdet leiden …“ Das hölzerne Ruderboot schaukelte ganz leicht hin und her. Drei Atemzüge später zog er ein rotes Plastikfeuerzeug aus der Hosentasche, hielt es an das Foto und entzündete das Bild der Familie Schönberger. Als das Foto in Flammen aufging, starrte er ohne jegliche Regung vor sich hin. Die Familie Schönberger löste sich Stück für Stück in Luft auf; ganz feine Asche rieselte auf seine schwarze Hose herab. Plötzlich bellte ein Hund – er hob den Kopf, schaute nach rechts, blickte nach links – konnte aber nichts entdecken. Er ruderte alsbald das Boot zurück zum Ufer. Als er am verwitterten Holzsteg anstieß, stieg er aus und vertäute das hölzerne Ruderboot. Er nahm seine Pistole, sog die angenehme Luft durch die Nase ein und marschierte mit steinernem Gesichtsausdruck vorwärts. Seine Schritte polterten über den Holzsteg. Vorsichtig bahnte er sich dann seinen Weg durch das hohe Schilf. Sein festes, schwarzes Schuhwerk versank im Matsch; feuchte Erde spritzte auf seine schwarzen Hosenbeine. Er blickte sich um. Niemand war in der Nähe – die Häuser lagen friedlich da. Er ging direkt auf einen dunkelfarbigen Geländewagen zu, den er auf einem ausgefahrenen Feldweg geparkt hatte. Er sperrte den Wagen auf, öffnete den Kofferraum, legte seine schwarze Pistole hinein, streichelte über den Gewehrkolben eines Präzisionsgewehres und schloss den Kofferraum wieder. Er riss die Autotür auf, setzte sich hinter das Lenkrad, schlug die Tür zu, startete den Motor, schaltete die Lichter ein, drehte die Lautstärke des Radios hoch, legte den Gang ein und fuhr zurück in die Stadt. Er lehnte sich in den Sitz, drückte einen Kaugummi aus der Verpackung, schob ihn in seinen Mund und kaute darauf herum. „Zuerst ist die jüngere Tochter dran – und dann beginnt mein Ritt durch eure Leben …“, murmelte er vor sich hin, als er die Straße entlangfuhr.
„In wenigen Monaten ist es endlich so weit …“
Und der dunkle Geländewagen verschwand im abendlichen Licht …