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Hilles letzte Wanderung. Erzählungen von Albrecht Franke
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
14.02.2016
ISBN:
978-3-95655-615-9 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 114 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Politik
Biografien: allgemein, Biografien: Literatur, Biografischer Roman, Deutschland, Zwischen den Weltkriegen (1919 bis 1939 n. Chr.)
Peter Hille, Georg Heym, Georg Trakl, Theodor Däubler, Paul Zech, Expressionismus, Dichter, Faschismus, Nationalsozialismus, Krankheit, Tod, Suizid
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Sie bringen ihn zum Bahnhof, damit er nach Krakau in die Psychiatrie transportiert wird. Wenn einer nicht mehr weiterleben kann oder will, dann muss er verrückt sein. Also, ab mit Trakl in die Irrenanstalt. Sollen die doch zusehen, wie sie mit ihm fertig werden.

Der Bahnhof ist belebt. Ist denn überhaupt noch Krieg? Vielleicht ist alles schon vorbei, und nur Trakl muss noch nach Krakau. Hier ist es so, wie es auch im Frieden gewesen sein mag. Schwatzende Bäuerinnen mit Federvieh in großen Körben. Streckenarbeiter der Eisenbahn, die nach Tabak und scharfen Zwiebeln riechen. Kinder toben auf der Verladerampe. Das alles gibt es also noch. Er hatte es schon fast vergessen. Alles normal und friedlich. Er empfindet in diesem Moment tiefes Selbstmitleid. Doch das reicht jetzt nicht. Wehren muss er sich, er hat sich ja nie gewehrt in seinem Leben, alles hat er nur hingenommen in der Hoffnung, dass es sich schon irgendwie zum Guten wenden werde. Und so wagt er diesen letzten verzweifelten Versuch, wenigstens einmal sich zur Wehr zu setzen, auch wenn er vergeblich sein sollte. Ein Zug fährt eben an. Er stößt seine Begleiter heftig zur Seite und springt auf die Plattform des letzten Wagens, betritt das Abteil und sucht sich einen Platz. Der Zug ist schon auf freier Strecke. Beim Aufspringen hat er gesehen, dass dies ein Schnellzug nach Rzeszow ist. Er streckt sich auf der Polsterbank aus, ist stolz auf sich und müde. Als ihn seine Verfolger wach rütteln, lässt er sich ohne Widerstand abführen. Sie zwingen ihn, starke Sedativa einzunehmen. Taumelnd steigt er in einen anderen Zug. Unterwegs gibt es Aufenthalt auf einem kleinen Bahnhof. Er sieht nur einen grauen Himmel, Krähen und die Rauchfahnen der Lokomotiven. Man führt ihn in die Bahnhofsrestauration, bestellt ihm eine Bouillon und Weißbrot. Aber er verweigert das Essen. Eine Militärpatrouille kommt herein, Routinekontrolle; vier schnauzbärtige Kerle in langen Mänteln, mit Pistolen, einem großen Hund und Gummiknüppeln. Damit knallen sie beim Gehen rhythmisch gegen ihre Stiefel. Alle Gäste müssen sich legitimieren. Nur von ihm verlangt man weder Papiere noch Fahrkarte. Eine geflüsterte Unterhaltung und ein gestempelter Schein genügen, die Patrouille macht kehrt. Er sieht neugierige und grinsende Gesichter, sieht Männer in gelben Filzhosen und bestickten Jacken, junge Frauen in schwarzen Kleidern. Und er wünscht sich, dass er sich selbst sehen könnte, inmitten der Häscher, die ihn nach Krakau bringen.

Am Abend schon ist man dort. Sie bringen ihn im geschlossenen Wagen zum Garnisonsspital. An der Auffahrt muss er aussteigen. Er geht schleppenden Schrittes. Die Laterne über dem Hauseingang schaukelt im scharfen Ostwind. Vor der schweren Tür bleibt er kurz stehen. Er starrt dem Lichtstrahl nach, der an der Schwelle zu sehen ist. Das Schreien und Stöhnen ist bis hier zu hören. Wenige Augenblicke lauscht er. Seine Hände verkrampfen sich wieder. In seinem Gesicht zuckt es. Sein Mund öffnet sich, aber es kommt kein Schrei mehr heraus. Da geht er schnell und ohne zu zögern über die Schwelle.

 

Hilles letzte Wanderung. Erzählungen von Albrecht Franke: TextAuszug