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Die kleine Residenz. Ein Lesebuch über Bernburg von Volker Ebersbach
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Preis E-Book:
10.99 €
Veröffentl.:
17.08.2022
ISBN:
978-3-96521-740-9 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 1154 Seiten
Kategorien:
Geschichte / Deutschland, Biografie & Autobiografie / Künstler, Architekten, Fotografen, Biografie & Autobiografie / Literatur
Europäische Geschichte
Bernburg, Sachsen-Anhalt, Saale, Sagen, Till Eulenspiegel, Johann Christoph Beckmann, Heringskrieg, Fürsten, Joachim Ernst, Ricarda Huch, Golo Mann, Anhalt-Bernburg, Friedrich Schiller, Dreißigjähriger Krieg, Ewald Christian von Kleist, Goethe, Franz Stiehler, Novalis, Joseph von Eichendorff, Ludwig Achim von Arnim, Friedrich Adolph Krummacher, Johann Caspar Häfeli, Wilhelm von Kügelgen, Ballenstedt, Wilhelmine Bardua, Bismarck, Otto von Heinemann, Hermann Henselmann
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Beinahe Bismarck

Beinahe hätte Otto von Bismarck (1815–1898), der später als Staatsmann umstritten war und als „Reichseiniger“ und Kanzler des deutschen Kaiserreiches zu Ruhm gelangte, als junger preußischer Politiker 1851 im Herzogtum Anhalt-Bernburg ein bedeutendes Amt übernommen. Der bekannte Bismarck-Biograf Ernst Engelberg schreibt: „Im Januar 1851 kam die wunderliche Idee auf, Bismarck als preußischen Staatsvertreter nach Bernburg ins Anhaltische versetzen zu lassen.“ Er mag recht haben, wenn er den Plan angesichtes des weiteren Werdegangs „wunderlich“ nennt. Er ist aber ungenau informiert, wenn er ihn zu einem „preußischen Staatsvertreter“ macht, denn seine Berufung hätte gerade der Unabhängigkeit des Ländchens dienen sollen. Bismarck sollte Erster Minister werden.

Die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 hatten den Zwergstaat und seine beiden kleinen Residenzen Ballenstedt und Bernburg nicht wenig erschüttert und, obwohl anstelle des geistesgestörten Herzogs Alexander Carl ein noch von Herzog Alexius berufener Geheimer Konferenzrat regierte, den Wunsch nach einem „starken Mann“ an seiner Spitze genährt. Nach dem Tod des Geheimrats Heinrich von Krosigk (1789–1850) war dieses Gremium ohne Leitung. Victor Hempel, ein Ballenstedter Advokat, galt nur als Übergangslösung. Herzogin Friedrike war mit ihren Bemühungen, die Regentschaft für ihren Gatten zu übernehmen, noch nicht zum Erfolg gekommen. Erst 1855 gelang es ihr, an ihrem 44. Geburtstag, dem 9. Oktober, die Mitregentschaft, die eine Regentschaft bedeutete, zu übernehmen.

Auf dem Spiel stand die Unabhängigkeit von Dessau. Das Gespenst der Übernahme Anhalt-Bernburgs durch Dessau, das nach dem Aussterben der Linien Zerbst (1793) und Köthen (1847) nur noch auf das Ende auch der Bernburger Linie wartete, hatte schon den Verlauf der Revolution mitbestimmt. Auch ein Anschluss an Preußen wurde vielerseits erwogen. Die enge Anlehnung an Preußen, das wie ein preußischblaues Meer Anhalt umgab, verstand sich beinahe schon von selbst.

Bismarck verhandelte nach Erhalt des verlockenden Angebotes aus Ballenstedt mit Ludwig August Graf von der Asseburg-Falkenstein (1796–1869), dem Besitzer der Burg Falkenstein im Selketal, der als Erster Oberjägermeister am preußischen Hof diente. Den Unterharz kannte Bismarck seit 1846 von Wanderungen mit seiner Braut Johanna von Puttkamer (1824–1894), die inzwischen – am 28. Juli 1847 – seine Frau geworden war. Seine Neigung, den Posten anzunehmen, wurde von diesen Erinnerungen genährt. Doch den Ausschlag gab für ihn die Meinung des Königs, und, da Friedrich Wilhelm IV. ein schwacher Monarch war, mehr noch die der preußischen Minister. Und man hatte mit dem begabten jungen Politiker mehr vor. Bismarck wurde am 8. Mai 1851 an die preußische Gesandtschaft beim Bundestag in Frankfurt berufen und am 15. Juli zum Bundestagsgesandten ernannt. Erster Minister in Anhalt-Bernburg wurde am 5. Mai 1851 der mit Bismarck befreundete konservative Danziger Regierungsrat Max von Schaetzell (1804–1879), der bereits im März im Herzogtum eingetroffen war.

Einzige Quelle für den hochbedeutsamen und dennoch nur am Rande der Zeitgeschichte spielenden Vorgang sind drei an seine Frau gerichtete Briefe Otto von Bismarcks (zit. nach: Ernst Eilsberger, Bismarck und Anhalt-Bernburg, Bernburger Kalender 1933, S. 34, vgl. auch Ernst Engelberg, Bismarck – Urpreuße und Reichsgründer, Berlin 1986, S. 365, und Lothar Gall, Bismarck – Der weiße Revolutionär, Frankfurt am Main und Berlin 1990, S. 120, sowie Petra Dollinger, Frauen am Ballestedter Hof, Leipzig 1999, S. 534 ff.):

Berlin, 20. 1. 51 (…) Sonntag 6 Uhr auf 7 zu Assenburg wegen Besetzung des Ministeriums in Bernburg (was sie mir anboten), bis 9 verhandelt. (…) Ich habe die Sache in Bernburg bisher nicht betrieben, sondern Gott überlassen; sonst ist die Stellung angenehm: der Herzog ist blödsinnig und der Minister Herzog. Wenn der König es von mir fordert, so gehe ich hin, sonst nicht. In ersterem Falle Du natürlich auch, da die Sache voraussichtlich länger dauern würde, Jahrelang. Sprich nur mit den Eltern davon, sonst niemand. (…)

Berlin, 22. 1. 51 (…) Nach Bernburg gehe ich nicht, der König wollte zwar, die Minister aber nicht, weil sie mich in der Kammer nicht missen können, wie sie sagen, und gegen sie ist es nicht durchzusetzen. Es wäre recht hübsch dort, als unabhängiger Herzog (der wahre ist blödsinnig) und dicht im Harz mit Viktorshöhe und das ganze Selketal zu regieren, in Ballenstedt wohnend. (…)

Berlin, 31. 1. 51 (…) Aus Bernburg wird nichts (…)

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