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Die Mecklenburger im 1. Weltkrieg – Der Weg des Grenadier-Regiments Nr. 89. Nacherzählte Schilderungen über die Anfangsphase des Ersten Weltkrieges aus der Sicht von Angehörigen des Grenadier-Regimentes Nr. 89 von Wolfgang Brasch
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Preis E-Book:
10.99 €
Buch:
13.80 €
Veröffentl.:
03.06.2019
ISBN:
978-3-96521-129-2 (Buch), 978-3-96521-130-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 172 Seiten
Kategorien:
Geschichte / Militär / 1. Weltkrieg, Geschichte / Deutschland
Erster Weltkrieg, Mecklenburg-Vorpommern, Belgien, Frankreich
1. Weltkrieg, Mecklenburg, Schwerin, Frankreich, Belgien, Aachen, Lüttich, Brüssel, St. Quentin, Militär, Krieg, Paris, Marne, Esternay, Blitzkrieg
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Das Besatzungsregime wird eingerichtet

Uns vergingen die Tage trotz der Wachen in wohltuender Ruhe. Von den Wällen aus hatten wir Mecklenburger einen herrlichen Blick auf die Stadt zu unseren Füßen, aus der hin und wieder deutsche Marschlieder zu uns heraufklangen. Das melodische Geläute des Glockenspiels von einer Kirche (Am Fuß der Zitadelle ist in 200 m Entfernung die Kirche Saint-Barthélemy (Collégiale Saint-Barthélemy)) her kündete uns die Stunden der Ablösung. Während der Nacht blitzten die Scheinwerfer, und rings am Horizont sah man den Feuerschein brennender Dörfer. Zweimal hatte ich von der Zitadelle aus Gelegenheit,

die Bevölkerung Lüttichs

näher kennenzulernen. Bereits am Nachmittag, den 7. August, wurde ich nämlich mit einigen Leuten zum Einkaufen in die Stadt geschickt. Wohin wir kamen, fanden wir das größte Entgegenkommen. Zuerst standen wohl die Geschäftsleute ängstlich und verschüchtert, sie glaubten wohl, es wäre jetzt um sie und ihre Vorräte geschehen. Als sie aber unser Papiergeld und die Bons, die mir mitgegeben waren, sahen und merkten, dass wir nichts gegen friedliche Zivilisten hatten und selbst auch friedliche Menschen waren, tauten sie auf und versuchten, uns unsere Wünsche von den Augen abzulesen. Ein Mann von der Straße suchte unaufgefordert einen Handkarren, um unsere Sachen zu befördern. An verschiedenen Stellen wurden uns Zigarren, Bier und Wein angeboten. Eine Frau brachte uns sogar warme Suppe. Alle versicherten uns: „Der Belgier mag gar keinen Krieg, aber der Franzose will, und der Belgier muss.“ (siehe Quelle 37, S. 195)

Wir standen vor einem Rätsel. Waren wir hier auf bessere, besonnene Elemente des Volkes gestoßen, oder war es die Furcht, die hier die Bewohner zwang, sich so freundlich und entgegenkommend zu stellen? In Angst und Aufregung war die Bevölkerung, denn viele von den Einwohnern waren dabei, ihre wenigen Habseligkeiten auf Karren zu packen, um abzuziehen. Wir bedeuteten ihnen, dass ihnen nichts geschehen würde, wenn alles ruhig bliebe. Da atmeten viele erleichtert auf. Von allen Seiten kamen Männer mit Schusswaffen und baten flehentlich, wir möchten sie ihnen doch gleich abnehmen. Gegen Abend kehrten wir reich beladen zur Zitadelle zurück, worüber bei der Kompanie natürlich große Freude herrschte. – Am Sonntag, dem 9. August, war ich mit einem Automobil nach der Stelle unserer Gefangennahme gefahren, um brauchbare Waffen und Munition zurückzuholen. In den Straßen, wo vor einigen Tagen noch böse Kämpfe getobt hatten, saßen jetzt die Leute friedlich vor den Türen. Wohl glommen in manchen Augen noch Falschheit und ohnmächtige Wut, aber wir kamen ungehindert an unser Ziel und fanden, was wir suchten. Leider reichte unser Auto nicht aus, alles aufzunehmen, was die Belgier noch nicht vernichtet oder beiseitegeschafft hatten.

Die 34. Infanterie-Brigade ordnet sich

Am Montag, den 10. August, gegen Mittag, mussten wir die Zitadelle wieder verlassen. Schon in Lüttich gingen wir über die Maas zurück.

Abbildung 22: Lüttich: zerstörte Brücke, dahinter Behelfsbrücke

In glühender Mittagshitze ging es dann weiter. Doch der Marsch dauerte nicht lange. Wir mussten nämlich den Fortsgürtel passieren an einer Stelle, die noch nicht in unserem Besitz war. Die Belgier hatten jedenfalls unseren Marsch bemerkt, denn vor uns schlugen schon wieder einige Granaten ein. So warteten wir denn in einem Dorfe die Dunkelheit ab. Am Abend setzte sich unsere Marschkolonne lautlos in Bewegung (metallisches Klacken oder Klappern ist mehr als 400 Meter hörbar, bei Windstille). Einige Male blitzten in größerer Entfernung Scheinwerfer auf, doch an uns dachten die Belgier scheinbar nicht mehr. Erleichtert atmeten wohl alle auf, als wir morgens gegen 4 Uhr auf die Vorposten vom Regiment 76 (Infanterie-Regiment „Hamburg“ (2. Hanseatische) Nr. 76, I. und II. Bataillon (Bezeichnung der Soldaten: Musketiere), III. Bataillon (Bezeichnung der Soldaten: Füsiliere) – Anschrift der Kaserne: Papendamm 19A, 20146 Hamburg) in der Nähe des Dorfes Dalhem stießen. Nun konnten wir bis zum Tagesanbruch ruhen. Glücklich, wer noch in einem von den wenigen Häusern Unterkunft fand, alle anderen schliefen draußen im Freien. Früh am Morgen ging es dann wieder vorwärts. Bald wurde uns auch die Gegend bekannt. Hier mussten wir schon gewesen sein. Einige Häuser freilich, die damals noch intakt waren, waren jetzt niedergebrannt. Nach dem Grunde hierfür brauchten wir nicht erst zu fragen. Zwischen Berneau und Visé erblickten wir unser großes Truppenlager. Das waren

unsere Reservisten. (Das waren die Bereitstellungsräume des gesamten IX. Armeekorps )

Bald hatten wir unser Bataillon (Unteroffizier Evermann, 2. Kompanie, I. Bataillon ) herausgefunden, und da – wir trauten unseren Augen nicht – fanden wir auch die meisten von den Kameraden wieder, die wir schon tot geglaubt hatten.

Auch Leutnant Janson vom Füsilier-Regiment Nr. 90 ist bei Lüttich in belgische Gefangenschaft geraten und schildert den Rückmarsch von der Zitadelle nach Berneau zum Sammelraum der 34. Infanterie-Brigade ein wenig ausführlicher. Am Montagmorgen gegen 11 Uhr marschierten Grenadiere und Füsiliere von Lüttich ab. Es ging die Meldung herum, sämtliche Forts auf dem rechten Maasufer seien gefallen und so könnten wir ungehindert erst nach Osten und dann nach Norden hinauf an unser IX. Armeekorps und damit an unser Regiment Anschluss gewinnen. Diese befanden sich in Mouland, da, wo wir vor einer Woche gewesen waren. Wir waren kaum gegen Nachmittag etwa 4 Kilometer westlich des Forts de Fléron angekommen, als wir plötzlich wieder von Granaten überschüttet wurden. Wir erkundigten uns näher, was es zu bedeuten habe und erfuhren von deutscher Artillerie, dass hier das Fort d‘ Evegnée und de Chaudfontain noch in belgischem Besitz wären. Um also zu unserem Armeekorps zu gelangen, mussten wir innerhalb des Fortgürtel, zwischen dem Fort de Fléron und dem Fort d‘ Evegnée, vorbeimarschieren und nach Norden hinaus über das Fort de Barchon durch den Fortgürtel wieder durchzukommen versuchen. Dieser Marsch war natürlich sehr gefährlich, deshalb nur in der Nacht möglich. Denn wir wären, hätte der Feind unsere Kolonne beobachtet, von ihm mit seinen Geschützen unter Feuer genommen worden. So warteten wir den ganzen Montag in einer Ortschaft das Herannahen der Nacht ab. Es war auch gut, denn gerade der Montag war ein glühend heißer Augusttag gewesen. Der Durchbruch in der Nacht von Montag auf Dienstag gelang uns, ohne von den Feinden beobachtet zu werden. Nachts gegen 3 Uhr kamen wir in Dahlem an, wo wir auf die Kameraden vom Infanterie-Regiment Nr. 76 trafen. Hier wurde eine längere Rast gemacht. Die Nacht war sehr kalt und neblig. Ein Unterkommen war so spät nirgends mehr zu finden; so schliefen die ermüdeten Leute dort am Wege, wo sie hielten.

Die Mecklenburger im 1. Weltkrieg – Der Weg des Grenadier-Regiments Nr. 89. Nacherzählte Schilderungen über die Anfangsphase des Ersten Weltkrieges aus der Sicht von Angehörigen des Grenadier-Regimentes Nr. 89 von Wolfgang Brasch: TextAuszug