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Wider die kleinen Mörder. von Brigitte Birnbaum
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Preis E-Book:
5.99 €
Veröffentl.:
08.06.2012
ISBN:
978-3-86394-068-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 114 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Geschichte/Erforschung und Entdeckung, Kinder-und Jugendbuch/Wissenschaft und Technik, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Tod und Sterben
Kinder/Jugendliche: Historische Romane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Tod und Trauer
Antisepsis, Bakterien, Arzt, Diphtherie, Krankenhaus, Beinbruch, Hygiene, Narkose
10 - 99 Jahre
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Wullwäwer nickte. "Ja. Diphtherie."

"Was nun?", fuhr Tressow dazwischen. "Die Bräune oder Diphtherie?"

"Das ist ein und dasselbe, Herr von Tressow. Und es steht ernst. Ich muss eine Tracheotomie machen, dass heißt, die Luftröhre öffnen."

"Schneiden? Sie wollen an meinem Kind herumschneiden?"

"Operieren", sagte Wullwäwer. Sophie-Margaret wand sich in einem erneuten Erstickungsanfall. Schutzsuchend sank sie ihrer Gouvernante in die Arme, drängte sich an sie, als versuchte sie, sich vor Wullwäwer zu verstecken.

Wullwäwer rückte den Tisch von der Wand, verlängerte durch Ausklappen die Platte, bedeckte sie mit einem Laken, das für solche Fälle bereit lag. Mit Hilfe der jungen Frau bettete er die nach Luft Ringende darauf. Rollte ein Handtuch zusammen, schob es unter ihren Nacken und beugte Sophies Kopf weit nach hinten.

Er rief in die Küche nach heißem Wasser, das die Mutter persönlich brachte. Warf Instrumente in Karbollösung. Metall klirrte gegen Porzellan. All diese Vorbereitungen dauerten dem besorgten von Tressow viel zu lange. Sophies Gesicht verfärbte sich bläulich. Und Wullwäwer begann sich die Hände zu schrubben.

"Mann! Sind Sie ein Waschbär! Wozu das Geplansche! Schneiden Sie doch! Sie ist schon wieder ohnmächtig."

"Dann brauch ich ihr keine Narkose zu geben", überlegte Wullwäwer. Ehe er nach dem Skalpell griff, schickte er von Tressow hinaus.

Widerstrebend und erleichtert zugleich verließ er den Raum. Die Gouvernante wollte ihm folgen.

"Sie bleiben!" Wullwäwer bat, der Kleinen die Bluse aufzuknöpfen und ihren Kopf zu halten.

Mit der Linken ertastete er den Kehlkopf seiner Patientin und eröffnete durch einen Einschnitt unterhalb des Ringknorpels die Haut. Zog mit einem Haken die Hautwunde auseinander und betupfte sie reichlich mit Karbollösung.

Die Gouvernante hätte sich am liebsten abgewandt, doch sie unterstützte ihn, als hätte sie es gelernt. Gebannt musste sie hinschauen, wie er weiter arbeitete, wie die Luftröhre sichtbar wurde, die er quer etwa einen Zentimeter durchschnitt. Luft zischte in Sophie-Margarets Lunge. Mit einer Pinzette entfernte Wullwäwer ein weißlich graues Häutchen, legte in den Spalt eine Kanüle, die er mit einem Band um den Hals des Mädchens befestigte. Allmählich kehrte das Bewusstsein der Kleinen zurück Schon versorgte Wullwäwer die Wunde und verband sie, beruhigend auf Sophie einsprechend, deren Körper sich mehr und mehr entspannte.

Die Gouvernante war sehr blass. Sie schluckte und hätte sich gern gesetzt. Aber der Doktor bot ihr keinen der beiden Stühle an. Außerdem schämte sie sich vor ihm, weil ihr die Knie zitterten. Scheinbar ungerührt wusch er sich wieder gründlich die Hände, den Blick auf die Kleine gerichtet. Dann bat er von Tressow wieder herein.

"Ist alles...?" Der Mann stürzte zum Tisch, beugte sich über sein Kind.

Sophie-Margaret atmete leicht. Sie streckte dem Vater die Arme entgegen.

Wullwäwer krempelte die Manschetten seiner Hemdärmel herunter. "Ihre Tochter kann jetzt nicht antworten, da die Atemluft nicht durch ihren Kehlkopf strömt, sondern durch dieses Röhrchen."

Herr von Tressow erschrak. Seine Tochter war stumm.

"Alle zwei Tage werde ich das Röhrchen wechseln. Der Schnitt heilt später rasch. Bis Pfingsten ist alles vergessen."

"Hoffentlich!" Von Tressow stemmte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte, die unter seinem Gewicht knackte.

"Damit ich die Patientin beobachten und notfalls frisch verbinden kann, empfehle ich, das Fräulein mit ihr für die nächste Zeit nebenan im Hotel "Stadt Hamburg" einzumieten."

"Nein!", entschied von Tressow barsch. "Ich nehme mein Kind mit nach Hause. Johann wird hübsch langsam kutschieren. Hübsch vorsichtig. Kommen Sie Mademoiselle!"

 

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