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Nebelmeer und Wermutsteppe. Begegnungen von Uwe Berger
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
07.08.2013
ISBN:
978-3-86394-055-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 168 Seiten
Kategorien:
Reisen / Familie, Reisen / Ehemalige Sowjetrepubliken, Reisen / Militär, Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Reiseführer: Reisen mit Kindern, Familienurlaub, UdSSR, Sowjetunion, Militärische Institutionen, Gedenkstätten
Usbekistan, Kasachstan, Grimma, 2. Weltkrieg, Partisanen, Lennart Meri, Ukraine
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„Der Kapitän war ein wütender Nazi, einer mit dem Messer zwischen den Zähnen, weißt du. Einer, der uns schindete und die Gefangenen folterte. Mir befahl er, ihnen Wassersuppe zu kochen. ,Das kannste den Hunden zu fressen geben’, sagte er - aber sie bekamen doch was anderes. Unser Kahn soff nach dem Ereignis bald ab, und ich verlagerte meine Tätigkeit vom Wasser ganz aufs Land. Wie gesagt, ich war Smutje und hatte Verpflegung ranzuschaffen und zu verteilen. Dazu musste ich Fahrten über Land machen. Die Partisanen schnappten Kommandeure und Transporte samt Begleitschutz weg. Aber mir ist nie etwas passiert. Kannst du dir das erklären?“

„Nein.“

„Ich anfangs auch nicht. Aber das war so. Ich bekam schnell Kontakt zu den Letten. Es waren einfache Menschen wie ich. Statt Lebensmittel zu ,requirieren’, bezahlte ich. Denn ich verstand was von Buchführung und schob die Zahlen hin und her. Sie luden mich zu sich ein, und ich war sogar auf Bauernhochzeiten dabei. In Zivil natürlich. Wenn mich die von der Militärpolizei, die Kettenhunde, erwischt hätten, wär es mir wohl schlecht ergangen. Natürlich kam ich nicht mit leeren Händen. Meine lettischen Freunde passten auf, dass ich heil wieder nach Hause gelangte.“

Später lernte der Smutje einen Arzt und eine Lehrerin kennen, die in zwei verschiedenen Ortschaften wohnten. Beide sprachen deutsch.

„Sie weihten mich nicht gerade ein. Aber wenn ich mich von ihnen verabschiedete, bekam ich genaue Hinweise. Fahr nicht die Straße, sondern die! Und auf der ersten Straße knallte es denn auch an dem Abend.“

Das Telefon klingelt. Fredrich greift nach dem Hörer und nimmt eine Sturmwarnung entgegen. Anschließend telefoniert er auf einem anderen Apparat mit verschiedenen Stellen der Einrichtung und gibt die Meldung, mit guten Ratschlägen verbunden, weiter. Als das erledigt ist, frage ich: „Was tatst du bei dem Arzt und der Lehrerin?“

Der ehemalige Smutje kratzt sich den Kopf, dort, wo er kahl wird, und lächelt.

„Wir spielten Domino. Aber dabei wurde allerhand besprochen. Sie hatten mich einbezogen in die Versorgung der Widerstandsbewegung. Statt zu holen, brachte ich was. Die deutschen Versorgungslager standen mir ja offen, und die Buchhaltung verstand ich, wie gesagt. Da ich überall durchkam, überbrachte ich auch mal verschlüsselte Nachrichten oder nahm einen Kranken mit, der nicht krank war. Meine Eierhandgranaten ließ ich oft bei ihnen liegen. Was sollte ich mit den riskanten Dingern?“

Es wurden Erkennungszeichen und die Plätze für den Austausch von Lebensmitteln vereinbart. Fredrich erinnert sich noch heute an sein Klopfzeichen, auf das ihm überall geöffnet wurde. Er macht es mir mit geübter Hand an seinem Schreibtisch vor: dreimal lang - einmal kurz - einmal lang.

Dann erzählt er weiter: „Mit mir fuhr mein Gehilfe, der Fahrer. Der ahnte natürlich einiges und bekam Angst. ,Um Gottes willen’, jammerte er, ,das kann doch nicht gut gehen. Sie werden uns an die Wand stellen!’ Zu dem hab ich gesagt: ,Hör mal zu, Schorsch. Wenn du diesen Krieg überleben willst, dann machst du mit.' Natürlich musste ich auch vor ihm vorsichtig sein. Aber so war es. Wir lebten auf einem Pulverfass, doch nie ist uns was passiert. Auch nachher nicht, als wir in der vordersten Linie lagen. Die sowjetische Artillerie hatte sich gut eingeschossen. Den Stabsbunker weit hinten erwischte ein Volltreffer. Autos, die nachts fuhren, wurden von Partisanen abgefangen, und am Tage rasierte die Artillerie jeden Radfahrer weg. Wir sind tags und nachts gefahren.“

„Wie konnte das sein?“

„Sie hatten eine Aufklärung, die fast alles wusste. Einmal kam ein Schiff auf der Dwina an mit einer weißen Fahne - Überläufer von der anderen Seite. Sie brachten ihre Waffen mit und wollten, wie sie angaben, gegen den Bolschewismus kämpfen. Sie wurden an einigen Stellen eingesetzt. Doch nach einem dreiviertel Jahr verschwanden sie alle über Nacht. Es waren Aufklärer."

„Ist denn aber niemand aufgefallen, dass ihr immer durchkamt?“

„Wem sollte es auffallen? Ach ja, es gab unter den Letten einen, der mir nicht grün war. Er verschwand, ich weiß nicht, wohin. ,Weg!‘, sagte die Lehrerin zu mir mit einer Handbewegung. Übrigens ging es ja bald dem Ende zu. Die Nazis verdufteten beizeiten mit vollgepackten Autos. Die Offiziere saßen weit hinten ... Freilich haben sie noch geschlachtet, besonders die SS. Eigene Leute haben sie umgebracht und das den Partisanen in die Schuhe geschoben. Eine Geisel wurde lebendig an die Kirchentür genagelt. Der Gekreuzigte …“

„Über die Deutschen, die einundvierzig der Sowjetunion den Angriffstermin mitteilten, hat mal jemand gesagt, sie hätten die Barrikade zum anderen, aber auch zu ihrem eigenen Volk überstiegen. Du hast die Barrikade damals auch überstiegen.“

Nebelmeer und Wermutsteppe. Begegnungen von Uwe Berger: TextAuszug