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Schwester Tina von Rudi Benzien
Autor:
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
04.10.2019
ISBN:
978-3-96521-169-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 245 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Familienleben
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Heranwachsen, Moderne und zeitgenössische Belletristik, Zeitgenössische Liebesromane, Familienleben, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Liebe und Beziehungen, Berlin, Deutschland: Kalter Krieg (1945 bis 1990 n. Chr.)
Liebe, DDR, Neugeborenenstation, Säuglingsschwester, NVA, Gesangsunterricht, Musiker, Familienleben, Wehrdienst
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Die Mädchen gingen die lange Hauptstraße entlang zum Bahnhof, in dem gemütlichen Restaurant gab es keinen freien Platz, aber im Garten, wo Tische und Stühle standen. Sie setzten sich, bestellten eine Weiße mit Schuss, plötzlich ertönte Musik, irgendein alter Smokie-Titel. Vom Garten aus ging es in einen Saal.

„Komm, bloß mal sehen“, sagte Anita.

„Warum nicht“, sagte Tina. Sie überlegte, wann sie eigentlich das letzte Mal tanzen gewesen war. Sie musste eine Weile überlegen, bis sie daraufkam, dass es im letzten September gewesen war, noch vor Franks Einberufung zur Armee.

An welchen Tischen noch Platz war, konnten sie nicht feststellen, weil die meisten Leute auf der Tanzfläche waren. Sie blieben an der Tür stehen.

„Mann, das ist ja wie in alten Zeiten, da kriege ich gleich Lust … Wollen wir?“, fragte Anita.

Tina wollte nicht, aber Anita ließ ihr keine Ruhe, sie zog sie in die Mitte der Tanzfläche und fing an, vor Tina zu tanzen. Tina blieb nichts anderes übrig, als sich auch tänzerisch zu bewegen. Etwas aus der Übung war sie, doch nach ein paar Takten Musik liefen ihre Bewegungen synchron mit dem Rhythmus. Plötzlich schoben sich zwei junge Männer zwischen Tina und Anita und drehten sich so, dass jeder einem der Mädchen gegenüberstand. Tina sah zu Anita, die driftete mit ihrem unerwarteten Tänzer langsam ab.

„Was soll das?“, fragte Tina und hörte auf zu tanzen.

„Sie werden es nicht glauben, ich hab den ganzen Abend auf Sie gewartet.“ Er strahlte, als er das sagte.

„Das soll wohl ein Witz sein“, sagte Tina ziemlich unfreundlich, wollte sich umdrehen und weggehen.

Der junge Mann hielt sie am Arm fest.

„Tun Sie das nicht, wenn Sie mich jetzt stehenlassen, kostet mich das eine Flasche Sekt. Wir haben gewettet, die anderen waren sich sicher, dass Sie mir einen Korb geben würden. Wenn Sie jetzt gehen, habe ich verloren.“

Es ist nicht sein Gesicht, das strahlt, seine Augen sind es, stellte Tina fest. Langsam begann sie sich wieder im Rhythmus der Musik zu bewegen.

„Aber diesen Tanz nur zu Ende“, sagte Tina.

„Akzeptiert“, sagte er.

Tina vermied es, in seine Augen zu sehen, da war etwas drin, was sie beunruhigte.

Als der Tanz vorbei war, nahm er ihren Arm und fragte: „Darf ich Sie zu einem Glas Sekt an die Bar einladen?“

„Dürfen Sie nicht“, sagte Tina, es sollte unfreundlich klingen.

„Wo darf ich Sie hingeleiten?“, fragte er.

„Wir sitzen draußen.“

Als er sie bis zum Saalausgang begleitet hatte, sagte Tina: „Danke“, ließ ihn stehen und ging in den Garten bis zu dem Tisch, wo die beiden Weißbiergläser standen. Es dauerte eine Weile, bis Anita auftauchte.

„Komm, ich hab drin Platz gefunden für uns“, sagte sie.

„Doch nicht etwa an dem Tisch von denen, die eben mit uns getanzt haben?“, fragte Tina.

„Ein paar Tische weiter, da sind gerade welche gegangen“, sagte Anita. „Der, mit dem du getanzt hast, das ist genau der Typ, bei dem mir die Knie weich werden. Bist ’n Glückspilz, Tinalein“, stellte Anita nicht ohne Neid fest.

„Ich schenk ihn dir“, sagte Tina.

„Nichts gegen Treue, Tina, ehrlich, aber deshalb musst du doch nicht gleich achtzehn Monate wie ’ne Nonne leben“, sagte Anita.

„Und dein Mann?“

„Was hat der denn damit zu tun?“, fragte Anita.

„Na, als er bei der Armee war, hast du da …?“

„Ja, hab ich, ich bin tanzen gegangen, aber mit keinem ins Bett, wenn du das meinst“, sagte Anita.

Ihr Disput wurde unterbrochen. Ein Kellner kam, stellte zwei Glas Sekt auf den Tisch. „Von den Herren dort“, er zeigte zu den Jungen, mit denen sie getanzt hatten, „sehr zum Wohle.“

„Was machen wir nun?“, fragte Tina.

„Du stellst vielleicht Fragen“, sagte Anita, hob ihr Glas und prostete den jungen Männern zu.

Tina nahm ihr Glas, sah mit kühler Miene in die gleiche Richtung und trank.

Die Band fing wieder an zu spielen. Anitas Tänzer kam. Anita schritt mit ihm zur Tanzfläche.

Tina saß und starrte vor sich hin, sie erwartete, dass auch ihr Tänzer jeden Moment erscheinen würde, und überlegte, wie sie ihn abfahren lassen könnte.

„Gestatten Sie?“, sagte eine Stimme neben Tina. Ohne hinzusehen, wusste sie, wer das war. Sie war froh, dass er doch noch gekommen war. Er sagte: „Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze? Denn tanzen werden Sie ja nicht wollen.“ Und schon saß er ihr gegenüber. Tina wusste nicht, was sie sagen sollte. Schlimmer noch, sie wusste nicht, wo sie hinsehen sollte. „Verstehen Sie das mit dem Sekt bitte nicht falsch, das sollte kein plumper Annäherungsversuch sein, sondern mein bescheidener Dank dafür, dass Sie mir geholfen haben, meine Wette zu gewinnen.“

„Na schön“, sagte Tina und vermied es, ihn anzusehen. Augen hat er, dachte sie, die strahlen nicht nur, die sprühen Funken, und wie er redet, eine weniger starke Natur als ich, die würde auf der Stelle Feuer fangen. Sie griff mit der linken Hand zum Sektglas, mit der linken deshalb, damit er den Verlobungsring sehen musste. Er sah ihn und lächelte.

„In festen Händen sozusagen“, sagte er.

„Verlobt!“, sagte Tina und nippte an dem Sekt.

„Darf ich mal raten?“, fragte er.

„Wenn’s Ihnen Spaß macht.“

„Ihr Verlobter ist Soldat?“

„Richtig, der Kandidat erhält drei Punkte“, sagte Tina, und gleich ärgerte sie sich ein bisschen, weil es zu freundlich klang.

„Pluspunkte?“, fragte er.

„Bilden Sie sich bloß nichts ein“, antwortete Tina abweisend. Sie wehrte sich mehr gegen sich selbst als gegen diesen Menschen, der ihr gegenübersaß.

„Ich habe das Gefühl, Sie wollen nicht mit mir reden.“

„Da täuscht Sie Ihr Gefühl nicht“, sagte Tina und lächelte mehr, als gut war.

„Wenn das so ist, schlage ich vor, wir tanzen, ist sowieso gleich vorbei, die Runde“, sagte er und erhob sich.

Tina stand auf, ging mit ihm zur Tanzfläche.

Während sie tanzten, sie seine Hände an ihrem Körper spürte, was ihr nicht unangenehm war, dachte sie: Was ist schon dabei. Das ist so harmlos, dass ich es sogar Franki erzählen kann, ohne dass er mir Vorwürfe machen könnte.

Als das Musikstück zu Ende war, begleitete sie der junge Mann zurück an den Tisch, wo schon Anita mit ihrem Tänzer saß. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Anita wechselte mit Tina einen vielsagenden Blick.

„Ich heiße Dietmar, interessiert vielleicht keinen“, sagte der, mit dem Tina getanzt hatte, „aber anstandshalber.“ Er sah Tina erwartungsvoll an. Sie schwieg.

„Tina heißt sie, ich Anita.“

Dietmar stellte seinen Freund vor: „Das ist Theo, eigentlich Theodor, das hört sich aber sehr altmodisch an.“

Anita kicherte, Tina bemühte sich, ein eisiges Gesicht zu zeigen.

Anita stand auf. „Wir kommen gleich wieder“, sagte sie. Tina wusste zwar nicht, was das sollte, folgte aber Anita.

„Was soll das alles?“, fragte Tina, als sie vor dem großen Spiegel im Toilettenvorraum standen.

„Wir müssen uns einigen, wie es weitergehen soll.“

„Wir gehen zurück, sagen Auf Wiedersehen und gehen nach Hause. Ich sogar allein.“

„Als ich dich so tanzen sah, hatte ich aber ein anderes Gefühl“, sagte Anita.

„Hat dich dein Gefühl getäuscht, so was soll es geben.“

„Also wir gehen nach Hause?“, fragte Anita.

„Ich gehe“, sagte Tina mit Bestimmtheit.

„Ist vielleicht wirklich besser“, sagte Anita.

Als die Mädchen zurückkamen, stand eine Flasche Sekt auf dem Tisch. Anita sah Tina fragend an.

Dietmar goss die Gläser voll, Anita setzte sich.

„Wollen Sie stehen bleiben?“, fragte Dietmar und sah Tina an. Da setzte sie sich auch.

„Eigentlich wollten wir gehen“, sagte sie, „aber wenn die Flasche auf meine Rechnung geht, dann bleiben wir noch, bis sie leer ist.“

„Akzeptiert“, sagte Dietmar.

Eine neue Tanzserie begann. Dietmar forderte Anita auf, Theo tanzte mit Tina. Während des Tanzes fiel Tina auf, dass Dietmar und Anita unentwegt miteinander redeten. Möchte mal wissen, was die da andauernd reden, dachte Tina. Sie tanzte lustlos mit diesem Theodor.

„Arbeiten Sie auch im selben Krankenhaus wie Ihre Freundin?“, fragte er. Hat sie also schon allerhand ausgequatscht, dachte Tina.

„Nein“, log Tina, „wir zwei kennen uns aus der Schulzeit, wir arbeiten nicht zusammen.“

„Ach so“, sagte Theodor und schwieg dann bis zum Ende der Tanzserie. Wieder am Tisch, winkte Tina den Ober an den Tisch und bezahlte die Flasche Sekt.

„Sie wollen wirklich schon gehen? Die Flasche ist noch nicht leer“, sagte Dietmar.

Tina stand auf.

„Wir haben morgen Frühdienst“, sagte Anita entschuldigend, Tina funkelte sie böse an.

Als Tina Dietmar die Hand reichte und er sie ansah, lief es ihr warm über den Rücken. Es ist höchste Zeit, dass wir gehen, dachte sie.

Draußen fragte Anita: „Warum hast du mich eigentlich so angefunkelt, als ich gesagt habe, dass wir morgen Frühschicht haben?“

„Weil du zu viel redest, ich möchte nicht wissen, was du noch alles ausgequatscht hast“, sagte Tina.

Schwester Tina von Rudi Benzien: TextAuszug