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Und wieder war Sommer. Der Wald stand in vollem Grün. Die Vögel sangen von allen Zweigen. Das Harz der Tannen duftete. Und Pit Pikus, der junge Specht, war von seiner abenteuerlichen Reise vom Meer und den Möwen zu seinem Volk heimgekehrt. Er war nun wieder in seinem alten Wald, bei seinen Eltern, seinen Brüdern, seinen Kameraden.
Und obschon der Vater Jan Pikus mit seinen krallenbewehrten Füßen unermüdlich wie immer den Stamm der alten Kiefer entlanglief und die kleinen Käfer aus der Rinde herausklopfte, obschon die Mutter wie stets allmorgendlich das Nest reinigte und die Brüder im übermütigen Spiel wie früher von Zweig zu Zweig sprangen, so schien dem jungen Pit Pikus doch alles völlig verändert und fremd. Er hatte sich mit der Möwe Leila im Sturmwind über dem grünen Meer gewiegt, über den weißen Wellenkämmen, unter den jagenden, blaugrauen Wolken, er hatte tags sich im heißen, silbernen Sand gebadet und nachts vom flüsternden Schilf in den Schlaf singen lassen. Leila und das Möwenvolk waren seine Freunde gewesen. Und Tschitschischka, die alte Zauberin, hatte ihm an Stelle der drei schwarzen Schwungfedern am Rande seiner Flügel mit Hilfe eines Gemisches aus Seeadlerblut, Tintenfischschleim und Algensaft drei mächtige, weiße Möwenschwungfedern eingesetzt; deshalb konnte Pit Pikus wie eine Möwe senkrecht in die Lüfte steigen und im Sturzflug zur Erde niedersausen.
Als nun der Vater Jan die weißen Schwungfedern seines Sohnes sah, da fragte er streng: Was für ein Geschöpf bist du geworden, Pit? Ein richtiger gestreifter Teufel! Wo hast du deine schönen, schwarzen Federn gelassen, so wie deine Mutter dich in Ehren einst ausbrütete?
Pit Pikus schwieg. Er konnte doch nicht die ganze Geschichte von seiner Liebe zur Möwe Leila und von der Zauberin Tschitschischka erzählen; wer hätte das verstanden? Seine Brüder aber verspotteten ihn: Man hat ihm seine schönen schwarzen Spechtfedern ausgerissen und dafür alte Hühnerfedern eingesteckt!
Das war zu viel für Pit Pikus.
Hühnerfedern?, rief er zornig. Ihr sollt sehen, wie man mit Hühnerfedern fliegen kann! Er sprang auf den obersten Ast der Kiefer, spreizte seine Flügel und stieg senkrecht zum hohen Himmel empor, so hoch, dass der grüne Wald unter ihm dalag wie eine kleine grüne Walnuss. Dann wiegte er sich in mächtigen Kreisen in der blauen Luft, schoss plötzlich wie ein Pfeil nach unten und fing den sausenden Sturzflug hart über der Kiefernkrone auf. Er glaubte, dies der Ehre von Leila, deren Schwungfedern er trug, schuldig zu sein.
Hühnerfedern?, scherzte er triumphierend. Direkt Konfekt, was?
Der alte Jan Pikus und die anderen Spechte hatten mit Bewunderung, Neid und Furcht dem wunderbaren Flug des jungen Pit Pikus zugeschaut. Jetzt aber, als er wieder unter ihnen saß, erklärte der Vater Jan finster: Das ist Zauberei! Das ist Überheblichkeit! Du willst mehr sein als dein Vater! Die Mutter Paula aber jammerte: Er ist wie ein Adler! Er wird uns eines Tages wieder davonfliegen oder seine Nase an der Sonne verbrennen! Die andern Spechte schrien wild durcheinander: Er hat in der Fremde sich mit einer Hexe abgegeben! Er will mehr sein als wir! Er will uns verhöhnen und beleidigen! Und Pits Vetter, der Lahmflügel Effett, sagte, man müsse ihn festhalten und ihm die Sehnen der Flügel durchbeißen; dann werde ihm das Hochfliegen und die Überheblichkeit vergehen!
So geschah es.