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Schnurzel, das Neinchen von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
22.10.2024
ISBN:
978-3-68912-345-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 20 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Action und Abenteuer/Allgemein, Kinder-und Jugendbuch/Kurzgeschichten, Kinder-und Jugendbuch/Leser/Anfänger
Kinder/Jugendliche: Romane, Erzählungen, Tatsachenberichte, Kinder/Jugendliche: Natur- und Tiergeschichten, Kinder/Jugendliche: Kurzgeschichten
Abenteuer, Aloepflanze, Dickkopf, Eigensinn, Eltern-Kind-Beziehung, Erinnerung, Erziehung, Familie, Freundschaft, Geheimnisse, Hasenkolonie, Liebe, Mexiko, Mondspucke, Mut, Natur, Sturheit, Trotzkopf, Überwindung, Verantwortung, Vertrauen, Vollmondnacht, Wiedererkennen, Wolfsgefahr
6 - 9 Jahre
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Purzel und Paolo Dreibein haben ein Kind. Es ist ein seltsames Häschen mit weißem Fell und einigen braunen Streifen. Das Weiße stammt von Purzel, der Mutter, das Braune von Paolo, dem Vater. Wenn Purzel das Häslein sieht, muss sie manchmal an jenen Ostertag in ihrer fernen Heimat denken, da sie mit dem Saft der bunten Wiesenblumen die Ostereier für die Menschenkinder färbte, wobei ihr schneeweißes Fell blaue, rote und grüne Flecke erhielt – ein richtiges „Osterhasenfell“.

Lange ist es her. Und viel ist inzwischen geschehen.

Das Kind von Purzel und Paolo hieß in der Hasenkolonie allgemein „Schnurzel“. Damit hatte es folgende Bewandtnis: Das Häschen besaß den festen Sinn – um nicht zu sagen den Eigensinn – seiner Mutter. Wenn nun seine Spielkameraden es zu etwas mit aller Gewalt zwingen wollten, oder wenn die alten Hasen ihm mit Strafen drohten, dann sagte das Purzelkind: „Mir ist alles schnurzwurzpiepe!“ Deshalb hieß es nach der ersten Silbe einfach „Schnurzel“.

Wie gesagt, Schnurzel war ein richtiger Trotzkopf.

Rief man ihn: „Schnurzel, du musst jetzt dieses oder jenes tun!“, so erwiderte es stets, ohne lange zu überlegen, mit dem einen Wort: „Nein!“ Deshalb hatte es auch noch den Spitznamen das „Neinchen“. Weiß der Himmel, woher das ewige „Nein“ kam!

Die älteren Hasen nannten Schnurzel „ein schwieriges Kind“, das man einsperren und kurzhalten müsse. Die jungen Hasen aber hänselten Schnurzel, indem sie sagten: „Du musst zwanzigmal den Sandhügel kopfüber herunterrollen, oder wir beißen dir die Ohren ab.“ Vater Dreibein setzte wegen seines Trotzes Schnurzels Abendfutter oft auf die Hälfte herab und sperrte das Söhnchen tags in den dunklen Erdbau. All das half nichts. Fragte man nach solch einem Dunkelarrest: „Willst du das nächste Mal gehorchen?“, so antwortete Schnurzel sofort: „Nein!“

Die Mutter war darüber sehr betrübt. Sie versuchte es mit Güte. Wenn sie leise bat: „Rupfe draußen doch junge Grasspitzen für den Abendsalat“, so sagte in diesem Falle Schnurzel zwar nicht „nein“; aber es stand da, steif wie ein Stock. Es war einfach wie gelähmt. Am nächsten Abend ging es dann freiwillig die Grasspitzen holen, der Mutter zuliebe. Aber da hatte die Mutter es schon selbst besorgt.

Darüber war nun das „Neinchen“ traurig. Es hatte ein gutes Herz und tollte oft auch fröhlich mit seinen Kameraden. Aber es konnte einfach nicht „über seinen eigenen Schatten springen“, wie man so sagt.

 

Als Schnurzel, das „Neinchen“, älter wurde, meinte Vater Dreibein, man müsse nun mit ihm zum Ziele kommen. Er hatte beobachtet, wie Schnurzel die zarten, aber bitteren Spitzen der Aloepflanze, die im Frühjahr der guten Verdauung wegen dem Salat beigemischt wurden, stets ausspuckte. Vater Dreibein tat nun absichtlich etwas mehr Aloespitzen in das Abendessen. Wie er sah, dass Schnurzel an dem Salat herummäkelte und jede kleine Aloespitze heraussuchte, da befahl er: „Der Salat wird gegessen, wie er angemacht ist! Ich zähle bis drei!“

Die Mutter trat rasch zwischen beide und sagte sanft: „Paolo, bitte!“ Doch Vater Dreibein schob sie zornig beiseite, stellte sich neben sein Söhnchen und kommandierte: „Eins! Zwei …“ Schnurzel rührte sich nicht.

„Drei!“ Vater Dreibein stupste Schnurzels Kopf mit aller Kraft in den Salat. „Wirst du es endlich begreifen!“

In diesem Augenblick feuerte Schnurzel mit seinen Hinterläufen aus, so dass der ganze Salat mit den Aloespitzen dem Vater ins Gesicht flog und in seinem Bart hängenblieb. Nur dadurch, dass Mutter Purzel zwischen die beiden sprang, wurde Schlimmeres verhütet.

Ein andermal hatte der Vater seinen Krückstock, den er wegen seines fehlenden Hinterbeins im Alter benutzte, irgendwo draußen stehengelassen. Es war schon Nacht. Vater Dreibein befahl Schnurzel: „Gehe hinaus und hole mir den Stock!“ Schnurzel erwiderte prompt: „Nein!“ Der Vater, der die Sache diesmal nicht auf die Spitze treiben wollte, verspottete Schnurzel: „Entschuldige, ich vergaß, es ist draußen Vollmond! Da jagen die Wölfe ringsum!“

„Das ist mir schnurzwurzpiepe“, entgegnete Schnurzel ruppig, obwohl es ihm leid tat, den Vater zu kränken.

„Schon gut, mein Kind“, sagte die Mutter, „bleibe hier! Ich gehe!“

„Nein, lass mich!“, wehrte ihr Schnurzel. Wie der Blitz war es zur Tür hinaus und kam alsbald mit dem Krückstock zurück.

Schnurzel, das Neinchen von Friedrich Wolf: TextAuszug