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Der Sprung über den Pol. Filmerzählung von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
5.99 €
Veröffentl.:
08.11.2024
ISBN:
978-3-68912-377-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 144 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Politik, Belletristik/Kurzgeschichten
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Arktis, Extremsituationen, Freundschaft, Innovation, Japan, Kanada, Konkurrenz, Luftfahrt, Mut, Pilot, Pioniergeist, Polarabenteuer, Presse, Rakete, Rettung, Sabotage, Sowjetunion, Stratoflug, Technik, Televisor, Visionär, Wettkampf, Wissenschaft
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Eisfeld in der Arktis: Schneewind fegt, Schneestaub, riesige Fläche …

Ein Polarhase sitzt in seinem Schneeloch, schreckt auf, fegt über die endlose Fläche, verschwindet …

Und wieder Eisfelder. Eismeer. Langsam schwimmende Eisschollen, die sich übereinanderschieben, sich stauen zu einer mächtigen Eisbarriere, hoch, berghoch, grauweiß, mit gewaltigen dunklen Schatten …

Und jetzt, mit dem Wind, dessen hoher, ferner, geheimnisvoll drohender Ton die erste Grundmelodie bildet, sehr ähnlich dem Ton eines Flugzeugmotors mit hoher Tourenzahl – jetzt mit diesem fern pfeifenden Wind ein großer Polarvogel („Sturmvogel“), unter den Schneewolken, mit mächtigem Schwingenschlag durch das Schneegestöber sich den Weg bahnend zum immer klareren Polarhimmel, höher und höher, bis zur wolkenlosen Klarheit …

Und jetzt

Kader: Ein Mann, in einer Zelle der Schlüsselburg sitzend, zeichnet mit einem spitzen Nagel die Konstruktion eines merkwürdigen Gebildes auf die Wand der Gefängniszelle, eines Gebildes, das einer Rakete gleicht, und zugleich die Flugparabel zwischen den Koordinaten.

Darüber jetzt

Schrift: „Kibaltschitsch, der bekannte Revolutionär und Zarenmörder, erfindet im Februar 1881, kurz vor seiner Hinrichtung, den ersten Flugraketenmotor; er konstruierte diesen Motor im Gefängnis …"

Kader: Man sieht Kibaltschitsch auf seine Pritsche steigen und durch die Gitter des Fensters zum Himmel schauen und wieder, jetzt klarer, an der Gefängniswand neben dem Motormodell die Flugbahn der ersten Rakete aufzeichnen …

Kader: Und jetzt wieder der Sturmvogel im klaren Polarhimmel. Und höher noch am klaren Himmel eine Stratoluftsonde: ein kleiner Stratoversuchsballon mit seitlichen periskopartigen Augen; wir sehen aus 15 000 Meter Höhe wie auf einer riesigen Landkarte – etwa im Maßstab 1:500 000 – ein Televisorbild des ganzen Polarkreises, kraft dieser kosmischen Augen; mächtige Horizonte enthüllen sich, wie ein Kartenbild und doch anders, wirklicher … In die erdferne Stille summt ganz leise das Geräusch eines Motors … Und hinter diesem seltsamen, erdfernen Bild hört man über das leise Motorgeräusch hinweg eine Stimme: „Der Sowjetaviatiker Fedossejenko – der im Februar 1934 nach einem Stratosphärenaufstieg in 22 000 Meter Höhe beim Niedergehen des Ballons den Tod fand – behauptete schon 1930 in einem Gespräch mit dem französischen Forscher Edmond Tranin: ,Die zukünftige reguläre Flugroute zwischen der Sowjetunion und Amerika führt im Stratosphärenflug über den Nordpol. Die bisherige transatlantische Entfernung beträgt 10 000 bis 12 000 Kilometer, der Sprung über den Pol – die Entfernung von Igara an der Mündung des Jenissei bis zur amerikanischen Hudsonbay – dagegen bloß 3 000 Kilometer. Ein Stratosphärenflugzeug fliegt mit einer Mindestgeschwindigkeit von 1000 Kilometern die Stunde. Der Sprung über den Pol von der Sowjetunion nach Amerika beträgt demnach drei Stunden Stratoflug.‘“

Kader: Schon während der Worte: „Die bisherige atlantische Entfernung beträgt 10 000 bis 12 000 Kilometer“ eine Anzahl von arktischen Riesenaeroplanen, die wie Vögel mit weit ausgebreiteten Schwingen auf einem vereisten Hangar stehn. Eine weitere Drehung des Apparats: Noch zahlreiche Aeroplane, und weiter: Motorschlitten, und weiter: Kamtschatkaschlitten, Rentierschlitten, Hundeschlitten … Überall reges Leben. Die Leute arbeiten an den Fahrzeugen und Flugzeugen, Rufe, Signale, Lachen, Kommandos: „Hallo, Serjoscha … das Kühlwasser ablassen … willst wohl Eismarmelade in deiner Maschine verarbeiten?“ – „Keine Angst, mein Junge, unsre Motoren haben elektrische Heizung.“ – Hundegebell … „Grom! Molnie! Raus aus den Riemen, werdet morgen schon Arbeit bekommen, Freundchen!“

Ein Lappe prüft die Hufe seines Rentiers, reinigt sie mit einem Eisenhaken. „Zeig her, Natascha, saubere Hufe, das gehört zum Meeting, bist doch auch eine Delegierte, selbstredend!“

Etwas seitwärts stehen schnell aufmontierte Notbaracken, wie zu einem Fest, lang, geräumig: Massenbaracken. Eine ist breiter und höher: Auf ihr flattert in der hellen arktischen Luft eine Sowjetflagge …

Schrift: „Von allen Gegenden der Sowjetunion …“

Bild (unter der Schrift aufblendend): Aeroplane, Motorschlitten, Rentierschlitten, Hundeschlitten, Schneeschuhe in Massen an den Außenwänden der Baracken …

Schrift: „… sind Delegierte zusammengekommen, hergeflogen …“

Bild: Bei der Baracke steht ein alter Mongole mit runzligem, aber kräftigem Gesicht. Er beobachtet, lacht erfreut über das brodelnde Leben auf dem Eishangar, klopft am Türpfosten seinen Pfeifenkopf aus.

Kader: Zwei Mädchen in Sportsweater sitzen auf dem Bett der Baracke. Die eine: „Das sind ja 1000 bis 1500 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde!“ Die andre: „Klar! Wenn sie in drei Stunden von Igara nach Amerika fliegen soll.“ Die eine: „Soll!“ Die andre: „Wenn Professor Chelesnow es sagt!“ Die eine: „Hast du sie schon gesehen?“

Kader: Ein kräftiger 50-jähriger Mann, im Typ halb Gelehrter, halb Brigadier, ist soeben auf Schneeschuhen gekommen, schnallt sie ab, blinzelt in die Sonne.

Schrift: „Alle sind gekommen, um den ersten Start der Flugrakete von der Sowjetunion nach Amerika zu beobachten.“

Kader: Großer hölzerner Hangar. In ihm ein mächtiges glänzendes Stahlgehäuse: der Körper der Flugrakete. An der Rakete arbeitet ein Dutzend Monteure unter der Leitung des Pilot-Konstrukteurs Sawin. Sawin ist ein sehniger Bursche, schnell, etwas zu schnell in seinen Bewegungen. „Tempo vorlegen, Jungens, Tempo!“, feuert er seine Monteure an, er greift selbst überall mit an. „Tempo, Jungens!“, ist sein Lieblingswort. – Nina, eine Pilot-Konstrukteurin, steht an einem kleinen Zeichentisch; sie prüft nach der Konstruktionszeichnung die Form und „Stromlinien“ des eben aufmontierten Raketenkörpers.

Nina: „He, Sawin, die Spitze etwas flacher …“

Sawin, nach vorn zur Spitze springend, zu den Monteuren: „Wie die Maulwürfe arbeitet ihr!“ Mit seiner Handzeichnung: „Hier, seht ihr nicht! Diese Naht muss viel flacher anliegen … scharf auf Taille, versteht ihr?!“ Er hat einem der Monteure den Schweißapparat – das Sauerstoffgebläse – weggenommen und beginnt, eine vordere Aluminiumplatte neu zu schweißen … Zu Nina, ohne den Apparat abzusetzen: „Na, Nina, richtig jetzt?“

Nina kommt mit einer größeren Zeichnung zum Vergleichen.

Sawin, ungeduldig: „Hörst du nicht, Nina?!“

Er wendet sich ärgerlich nach ihr um. In diesem Augenblick gibt er zu viel Sauerstoff ins Gebläse … eine starke Stichflamme fährt heraus, direkt auf die Aluminiumkante des Raketenkopfes, Metall spritzt in die Flamme, gegen Sawin. Sawin fährt zurück, der Apparat fällt hin, Sawin greift nach seiner rechten Schulter, seinem rechten Oberarm, knickt kurz zusammen vor Schmerz, richtet sich schnell wieder auf: Monteure halten ihn, ziehen ihm die verbrannte Jacke aus, das Hemd ist schon durchblutet. Nina ist auch hinzugesprungen; sie reißt vorsichtig Sawins Hemd auf, legt die Wunde am Schultergelenk-Oberarm frei, eine große blutende Wunde, verbindet sie notdürftig mit dem Rest des Hemdes. „Ambulanz!“, ruft sie. „Unsinn!“, sagt Sawin und versucht, sich auf Ninas Arm zu stützen, aber der Arm sinkt schlaff herab.

Nina: „Immer dein: Tempo! Tempo!“

Sawin, der seinen einen Arm um des Monteurs, den andern um Ninas Hals gelegt hat, unter dem Schmerz doch lächelnd: „Ninuschka, gibt es einen Flieger ohne Tempo!“

Die ganze Szene bei der Rakete spielt unter dem Geräusch der anlaufenden, geprüften Flugzeugmotoren, das sich wieder entwickelte aus dem Sausen des Windes des ersten Kaders.

Während Sawin mit dem Monteur und mit Nina den Körper der Riesenrakete entlanggeht, streichelt er noch einmal mit der gesunden linken Hand die Flanken dieses neugeborenen Tieres aus Stahl; sie gehen vorbei an der kleineren Modellrakete … und Sawin sagt jetzt: „Sei unbesorgt, Nina, in fünf Tagen werden wir in die Stratosphäre hinausdonnern!“

Und sofort

Kader: In die arktische Härte tönen fremde Stimmen, helltönendes urbanes Geräusch, und jetzt schreiende Kinderstimmen: „In the next days our celebrated rocket pilot, Tom Kelley, shall fly … what do you think, Kitty … in three days the famous rocket pilot Tom Kelley shall … Did you read the ,Evening Post’ to-day?“

Und sofort Amerika, Kanada: Die Stadt Montreal. Wolkenkratzergebäude der „Evening Post“, dort oben laufende Lichtreklame, zugleich Lautsprecher, und an der Ecke des Riesenbaus ein gewaltiger, sich langsam drehender Globus, auf dem mit elektrischen Lämpchen die Distanzen der transatlantischen und der polaren Flugroute angezeigt sind; und darüber im Lautsprecher Wortfetzen: „Ladies and gentlemen … Tom Kelley wird in wenigen Tagen seinen todesmutigen Flug antreten durch die Stratosphäre … von Montreal, Kanada, nach der Sowjetunion … in der von der ,Evening Post‘ hierzu konstruierten Flugrakete … auf dem von der ,Evening Post‘ über den Nordpol bestimmten Flugweg … Ladies and gentlemen, die Rakete ist startbereit …“

Kader: Viele Köpfe, die in dem tosenden Geräusch der amerikanischen Großstadt nach oben auf die Lichtreklame schauen, mit englischen Wortfetzen: „Damned, a gigantic project … if they would succeed … Tom Kelley, that’s a gun-boat of a man …“

Und während der Film die Köpfe entlangläuft, flammt schon das Nachbarbuilding der „Daily News“ auf, ebenfalls ein Zeitungspalast. Dort im stillen Privatbüro des Chefs des konkurrierenden Zeitungskonzerns Mr. Wood – der Direktor der „Daily News“ – und Ito, ein anglisierter Japaner, Sportsmanntyp. Sie beobachten mit einem Televisor die kolossale Lichtreklame der „Evening Post“: „Ladies and gentlemen … Tom Kelley hat soeben die Ladungen in der Rakete angebracht … zwei Tonnen eines speziellen hochbrisanten Pulvers … nur die temperierte Zündung wird eine Totalexplosion dieser riesigen Pulvermenge verhindern …“

Wood und Ito beobachten im Televisor den Eindruck dieser Sensationsreklame auf die Massen.

Wood, scharf zu Ito: „Und wir?“

Ito: „In vier bis sechs Wochen.“

Wood, erregt: „Also ausgeknockt! Also ,Evening Post' wird zwei Monate wunderbares Futter haben! Riesenauflagen! ,Tom Kelley, der Spitzenflieger der ‚Evening Post‘, als erster mit seiner Flugrakete über dem Nordpol nach der Sowjetunion …‘“

Ito: „Geduld!“

Wood, krebsrot: „Geduld?!“

Ito, steht auf, strafft sich militärisch: „Ja, Geduld, Mr. Wood.“

Kader: Aerodrom Tom Kelleys bei Montreal. Eine enorme zigarrenartige Maschine in grauem Aluminiumstahl. Tom probiert grade die Zündungen der Rakete aus, ob die temperierten Reihenzündungen geordnet nacheinander anspringen und Funken geben. Aber sowohl der Funkenprüfer – ähnlich wie der Zündkerzenprüfer eines Autos – als auch die direkte Probe funktionieren plötzlich nicht … zuerst ungleiche Schläge, dann völliges Versagen … Tom, im blauen Monteuranzug, ruft seinen Flugmonteuren, dem Elektromonteur zu. „Unfassbar, die Zündung arbeitet nicht!“ Tom nimmt sie selbst auseinander. Elektromonteur, ihn beobachtend: „Sie sind vom Fach, Mr. Kelley, das merkt ein Blinder.“

Tom, die Zündkerzen mit Stahlbürsten bürstend: „Wenn man zehn Jahre als Autoschlosser in den Werkstätten war …“ Wendet sich erregt. „Den großen Kontrollmotor!“

Kader: Ito in seinem Laboratorium. Vor ihm stehen der Televisor und die großen Elektronenröhren. Mit dem Televisor sucht er Tom, langsam erscheint Toms Hangar, die Flugrakete mit Tom und den Monteuren. Sowie das Bild scharf ist, schaltet Ito die Elektronenröhren ein, mächtig flammen die Röhren mit ihrer großen Funkenstrecke auf; er konzentriert mit einem Reflektor die Wellen auf das Televisorbild …

Kader: Tom hat den Kontrollmotor an die Raketenzündung angeschlossen; auch er arbeitet nicht … „Sabotage?“, sagt der Elektromonteur. Tom schaut ihn an, blickt dann nachdenklich einen Augenblick vor sich hin: „Unsinn!“

Kader: Ito sendet methodisch und mit eisiger Ruhe seine Elektronenwellen, die jeden Funkensprung, die jede Zündung unmöglich machen; zugleich hat er immer noch Toms Hangar im Televisor. „Ganz ausgezeichnet; noch einige Details, und niemand wird den Polflug machen, wenn ich nicht will.“

Kader: Tom in seinem kleinen Konstruktionsbüro auf dem Hangar. Nacht. Tom hat vor sich das Zündungsrelais und den vollständig auseinandergenommenen Motor liegen. Er grübelt über den Fall nach, prüft die einzelnen Teile; er ist furchtbar müde, ruft mit Lichtzeichen den Elektromonteur.

„Mac, diese Nacht Starkstrom in die nähere Umgehung der Rakete; und doppelte Wachen!“ Monteur: „Sie glauben also auch …“ Tom, hart: „Ich glaube gar nichts.“ Stimmengewirr draußen …

Tom dreht schnell das Licht aus. Aber schon kommt mit elektrischer Lampe eine vom Alkohol animierte Gesellschaft ins Zimmer: Mr. Lister, der Direktor von „Evening Post“, seine Tochter Hope und Mr. Ramsbotton, der Hauptaktionär der Aluminium Steel Company.

Lister, Licht andrehend: „Tom richtet sich auf Nachtflüge ein! Haha, finster ist das hier wie in einem Bärenmagen!“ Klopft Tom auf die Schulter. „Also, Tom, old bloody boy, in ein paar Tagen fliegen wir!“

Tom, sich zur Ruhe zwingend: „Seit heute Störungen in der Zündung.“

Lister: „Werden bis morgen Mittag behoben sein! Kopf hoch, junger Mann! Der Motor ist der beste auf der Welt, sichrer als ein Scheck von Rothschild und treuer als ein Schäferhund!“

Ramsbotton, mit saftiger Bassstimme: „Klar, wo wir ihn geboren haben! Störungen bei einem echten Aluminium-Steel-Co.-Motor … ausgeschlossen!“

Lister, packt Tom unter: „Also los, wir wollen die Kiste uns ansehn!“

Hope, leiser: „Tom, Sie wissen, in vier Tagen ist mein Geburtstag … in vier Tagen müssen Sie mein Patenkind starten, Tom! Die Maschine trägt meinen Namen, Tom; das verpflichtet!“

Tom, trocken: „Wir werden die unsichtbaren kosmischen Kräfte verpflichten, Ihren Geburtstag zu respektieren, Miss Hope.“

Ramsbotton, wichtig: „Vor allem verpflichtet Sie unser Trust, der in erster Linie diese große Sache finanziert hat, den Flugtag einzuhalten: spätestens in drei Tagen, Ende der Woche. Wir erwarten in vier Tagen Funkspruch Ihrer Ankunft in der Sowjetunion!“ Sich an seinen Worten berauschend: „Verstehen Sie, junger Mann, der Sieg unsrer Rakete, das bedeutet einen Sieg des alten Ikarustraumes der Menschheit, das bedeutet den Sieg unsres Trustes über die Haifische um uns herum, das bedeutet einen Monopolauftrag von jährlich fünfhundert bis tausend Flugraketen! Begreifen Sie das, Mann?!“

Tom, mit Nerven: „Ich bin weder ein Spekulationsobjekt noch ein Versuchskaninchen, Mr. Ramsbotton.“

Ramsbotton, wütend: „Aber Sie sind im Vertrag! Verstehen Sie das, Herr!“

Tom, statt einer Antwort, packt Ramsbotton am Mantel, zieht ihn mit sich. Hope läuft ihnen erstaunt nach. Mr. Lister keucht asthmatisch hinterher. Tom will ihnen den verdorbenen Zündungsapparat zeigen; aber, wie sie jetzt im Scheinwerferlicht der nächtigen Rakete stehen, wie er jetzt die Zündungen anstellt – funktionieren sie. Die einzelnen Versuchsladungen brennen mit kräftigen Feuerstößen, Explosionen ab; hinein schallen die Lachsalven von Ramsbotton, Wood, Hope.

Ramsbotton, sich schüttelnd vor Lachen: „Die Sache funktioniert nicht?! Eine Sache von Aluminium Steel Company funktioniert nicht!“

Wood, Tom auf die Schulter schlagend: „Hallo, old fellow, sehen Sie immer noch Gespenster!“

Tom steht schweigend und verwirrt da.

Hope, zärtlich, dicht bei ihm: „Tommy, Darling, du wirst Glück haben, mit meiner Rakete, an meinem Geburtstag, mit meinem Namen am Bug der Rakete …“

Tom, sich befreiend, nachdenklich an der Schaltung der Zündungen: „Eh das hier nicht geklärt ist, fliege ich nicht.“

Ramsbotton, alkoholisiert, hemmungslos: „Sie fliegen nicht?! Sie sind sich wohl nicht klar, junger Mann, was Sie als Angestellter der Aluminium Steel Company zu tun und zu lassen haben! Muss ich noch deutlicher werden, Mann?!“

Hope, schnell dazwischen: „Unsinn, old Rams! Einem guten Rennpferd muss man Zucker geben vor dem Start, nicht wahr, Tommy!“ Streichelt Tom. „Keep smiling, Darling, und lass die Alten brummen!“

Hope steht ganz dicht vor Tom und nimmt seinen Kopf hoch, bis er ihr in die Augen sieht, dann lacht sie ihn an, während sie mit beiden Händen seinen ernsten Kopf hält …

„Danke sehr!“, sagt Mr. Lister, der grade eine Aufnahme der beiden vor der Rakete im Scheinwerferlicht geknipst hat. „Und jetzt noch ein Bild von Hope allein vor ihrer Rakete!“ – Er hat Hope so hingestellt, dass sie genau neben dem Bug der Rakete steht, neben der großen weißen Aufschrift „Hope“. Während es dunkel wird, hört man nur noch Hopes Lachen, ein leeres, inhaltloses Keepsmiling-Lachen, wie wenn ein Frosch lacht …

Kader: Aus der Finsternis erscheinen – wie ein im ersten Tageslicht erstrahlender Gipfel des Himalaja – die höchsten Etagen des Wolkenkratzergebäudes der „Evening Post“: Wieder der Riesenglobus mit der Flugroute, langsam sich drehend, und darunter ebenfalls im Maßstab von vier bis fünf Stockwerken ein Lichttransparent: das Foto Hopes und Toms, vor der Rakete stehend, als Liebespaar, und dann Hope allein vor der Rakete „Hope“, und darunter mit Leuchtschrift: „Hope Lister – unsre Mitarbeiterin vor der startbereiten Rakete.“

Kader: Tom in seinem kleinen Konstruktionsbüro. Er gleicht einem gehetzten Tier. In seinen Händen hat er ein Zeitungsbündel des „Evening-Post“-Konzerns. Auf jeder Vorderseite große Fotos von Hope und ihm, von Hope allein vor der „startbereiten Rakete“. Er geht aus dem kleinen Raum ins Freie; es ist Nacht. Er tritt zurück ins Zimmer, überlegt, schaut nach der Uhr: Erst fünf Uhr früh. Er schaut wieder auf die Zeitungen mit den Fotos, spricht zu sich selbst: „Idiotie oder Sabotage … oder beides!“ Während er seinen kurzen Fliegerpelz anzieht: „Wahrscheinlich beides!“

Und jetzt schon draußen, auf dem Weg zu der Riesenrakete, die beim Herangehen immer deutlicher wie ein ungeheures Gespenst aus dem Halbdunkel ragt: „… aber ich werde schneller sein als ihr alle!“

Jetzt steht er vor der Riesenrakete. Zu dem einen Wachthabenden sagt er: „Die elektrische Absperrung des Aerodroms kontrollieren!“ Zu dem andern: „Rauchschleier gegen Sicht um das ganze Aerodrom, innerhalb fünf Minuten, Befehl an die Platzzentrale!“ – Beide Wachthabenden schnell ab. Jetzt ist Tom allein. Er prüft die Zündungen, dann stellt er sie auf „Fahrt“, steigt schnell in die Rakete, reißt nervös beim Überziehen des Fliegerdresses das Foto von Hope aus der „Evening Post“, steckt es vor sich hin an den Höhenmesser, winkt dem Foto spöttisch zu: „Nun also, meine Schöne, jetzt werden wir fliegen!“ Er wirft die hermetische Tür zu, verbindet die „Fahrt“-Zündungsrelais, stellt Kontakt her für die ersten zwei Raketen, ein gewaltiger Feuerstrahl blitzt aus dem Schweif der Maschine, die Rakete reißt sich von der Erde; unter Brausen, Feuer, Blitzen und Zischen durchschneidet sie den Rauchschleier, der von ringsum schon das Lager umgibt. Sie verschwindet wie ein nach oben sausender Komet in der Finsternis der Nacht.

Der Sprung über den Pol. Filmerzählung von Friedrich Wolf: TextAuszug