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Professor Mamlock. Ein Schauspiel von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
01.08.2024
ISBN:
978-3-68912-036-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 162 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Familienleben, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Medizin, Belletristik/Politik, Belletristik/Jüdisch
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Familienleben
Antisemitismus, Bedrohung, Chirurg, Ehre, Ethik, Familie, Feigheit, Gerechtigkeit, Gesellschaft, Identität, Judenverfolgung, Kommunist, Krankenhaus, Krise, Menschlichkeit, Mitläufer, Moral, Mut, Nationalsozialismus, Politik, Tragödie, Verantwortung, Verfolgung, Widerstand
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April 1933 – Nach dem Judenboykott, bei Verkündung des neuen Gesetzes „Zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums'' (Ausschluss der Juden aus allen Staatsämtern, Richterstellen, Arztbeamtenstellen; der „Arierparagraf'' auch für die deutsche Turnerschaft, die Konzertsäle, Bühnen, Tennisklubs, Badeanstalten, Buchverlage). – Wohnzimmer bei Mamlock wie im zweiten Akt.

 

MUTTER: Hans, jetzt hast du die Ruhe, die du oft dir gewünscht.

 

MAMLOCK ruhelos auf und ab.

 

MUTTER: Jetzt kannst du endlich wissenschaftlich arbeiten.

MAMLOCK: Wo ist Rolf?

 

MUTTER schweigt.

 

MAMLOCK: Weißt du’s nicht?

MUTTER: Ich weiß nur, dass heute wieder fünfzig Kommunisten verhaftet wurden, durch die SA-Kasernen in die Zellengefängnisse gebracht, in Schutzhaft, in Konzentrationslager …

MAMLOCK: Der Junge ist zwanzig Jahre alt; er weiß, was er tut. – Man muss dies Zimmer hier als Operationsraum einrichten …

MUTTER: Aber, Hans, Liebster, sei endlich vernünftig! Du hast noch Ersparnisse, dein Bankkonto, du kannst davon fünf bis sechs Jahre leben, arbeite jetzt wissenschaftlich, zieh dich zurück, lass doch diese ganze verrückte Welt, dieses Narrenhaus da draußen.

MAMLOCK in sich verbohrt: Ich muss arbeiten.

MUTTER: Aber natürlich, aber versteh doch, aber was willst du denn … Mit Zeitung. Hier die Verfügung „Zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, hast sie mir doch selbst gezeigt: Alle nichtarischen Ärzte sind sofort aus den öffentlichen Krankenhäusern zu entlassen, ebenso die Juristen, Gelehrten, Lehrer, die kleinsten Beamten aus ihren Stellen! Was wollt ihr denn noch? Das ist jetzt Gesetz!

MAMLOCK: Gesetz, Gesetz … Du kannst mir verbieten zu atmen, du kannst meinem Blut verbieten, dass es durch Herz und Lunge fließt, genauso kannst du mir verbieten zu operieren, zu helfen, ein Skalpell anzufassen, eine Wunde zu nähen, die Gallenblase und Leber zu tasten und meine Diagnose zu stellen. Schreiben, mich in mein Studierzimmer zurückziehen … ja, mit siebzig Jahren. Heftig. Hier kommt der Operationsraum hin, hier der Sterilisator, hier das Waschbecken, mein Arbeitszimmer wird der Vorbereitungsraum …

MUTTER: Muss denn alles so plötzlich sein, so ruckzuck …

MAMLOCK: Ich habe keine Zeit, das Leben ist so kurz … es ist auch nur für den äußersten Fall. Vorerst werde ich in meine Klinik gehen.

MUTTER: Du bist toll, du kennst die Verfügung?

MAMLOCK: Es ist meine Klinik, mein Krankenhaus, ich habe es aufgebaut aus dem Nichts: Jedes Waschbecken, jeden Desinfektor, jeden drehbaren Operationstisch, jedes Querbrett nach meinen speziellen Angaben. Er zieht hastig seine Hausjacke aus. Ich lasse mich nicht einschüchtern, ich gehe zu meinem Dienst.

MUTTER hält ihn: Sie verhaften dich, Hans!

MAMLOCK: Einen Mann, der vier Jahre im Felde stand an der Front, der verschüttet und verwundet wurde, der zu seinen Kranken muss, zu chirurgischen Kranken, verstehst du … Zieht seinen Straßenrock an.

Professor Mamlock. Ein Schauspiel von Friedrich Wolf: TextAuszug