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Der Lupenschreiber von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
01.08.2024
ISBN:
978-3-68912-054-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 8 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Rechtlich, Belletristik/Politik, Belletristik/Geschichten vom Meer
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane
Camp du Vernet, Flucht, Freiheit, Geheimnachrichten, Hoffnung, Interbrigaden, Internierung, Kriegserzählung, Menschlichkeit, Mikroschrift, Mut, Opferbereitschaft, Solidarität, Spanien, Stacheldraht, Straflager, Überlebenswille, Uhrmacher, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
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Es war eine harte Zeit für uns politische Häftlinge, als Hitler am 10. Mai vorrückte, bald die Gironde erreichte und Pétain sich gleichschaltete. In dem allgemeinen Chaos gelangte jedoch noch eine frühere Anweisung an den Lagerkommandanten, dass etwa dreihundert Spanier Pässe und Visa nach der zentralamerikanischen Republik Santo Domingo hätten und mit dem letzten freien Schiff von Bordeaux abfahren könnten.

Zu diesen Glücklichen gehörte auch Esteban, der „Lupenschreiber“. Esteban war von Beruf Uhrmacher. Der Himmel weiß, woher er all die winzigen Pinzetten, Schraubenzieher und Feilen hier aufgetrieben hatte, auch sein Vergrößerungsglas, das er sich bei der Arbeit ins Auge klemmte. Er arbeitete als Uhrmacher für uns Gefangene, vor allem auch für die Sergeanten und Offiziere des Kommandos.

Als er nun auf der Liste der Glücklichen stand, die den Stacheldraht hinter sich lassen konnten, und alle Kameraden beglückwünschend ihm „Ole! Ole!“ zuriefen, da lächelte er selig. Doch am Abend hörten wir, dass Esteban nicht fahren würde, dass ein anderer Spanier seinen Fahrschein erhalte. War Esteban erkrankt? Aber aus diesem Lager würde jeder in jeder Minute mit einundvierzig Grad Fieber abreisen.

Nun verhielt es sich mit Esteban, dem „Lupenschreiber“, folgendermaßen: Er hatte die Fähigkeit, mit Hilfe seiner Lupe und eines geschliffenen, überaus spitzen Stichels Briefe und Nachrichten in so kleiner, geradezu mikroskopischer Form zu schreiben, dass ein Bericht, der sonst zehn bis fünfzehn Seiten einnahm, in Estebans winziger Schrift auf ein Blättchen ging, das man in einen hohlen Mantelknopf stecken und so – trotz schärfster Körpervisitation – nach außen befördern konnte. Es war nun von größter Bedeutung, dass Nachrichten über die Zustände in unserem Lager und die Namen der Inhaftierten hinaus in die Welt gingen. Wer aber sollte jetzt als Lupenschreiber arbeiten, wenn Esteban nicht mehr bei uns war? Niemand von uns besaß solche Fähigkeiten. Esteban machte uns dies in wenigen Worten klar, während die Kameraden neben ihm ihre Rucksäcke packten.

„Und wenn Franco deine Auslieferung verlangt?“

 

Der Lupenschreiber von Friedrich Wolf: TextAuszug