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Die unsichtbare Brigade. Filmszenarium von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
12.11.2024
ISBN:
978-3-68912-381-9 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 114 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Deportation, Exil, Fahne, Flucht, Frankreich, Freiheitskampf, Gerechtigkeit, Hoffnung, Interbrigadisten, Internierungslager, Kameradschaft, Kriegserfahrung, Loyalität, Menschlichkeit, Mut, Pariser Hintergründe, Republik, Solidarität, Sowjetunion, Spanien, Spanienkämpfer, Widerstand, Zweiter Weltkrieg
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1. Spanische Grenze

Spanische und französische Grenzpfähle, Abenddämmerung, eine Gruppe der Interbrigadisten mit ihrem Kommandanten noch auf spanischer Seite, der Kommandant mitten in kurzer Ansprache: „… Ihr versteht, diese Epoche unseres Kampfes ist zu Ende, die Waffen müssen drüben an die französische Grenzwache abgegeben werden, die Interbrigaden sind aufgelöst. Achtung! Stillgestanden!“ Salutierend: „Es lebe das republikanische Spanien! Es lebe das spanische Volk!“ Alle heben die Faust in Stirnhöhe. „Es lebe Frankreich!“ – Es beginnt der Grenzübertritt und die Waffenübergabe an die französische Grenzwache. Die Entwaffneten werden sofort von der Garde mobile, der faschistischen Gendarmerietruppe, in Empfang genommen, in Dreierreihen eingeteilt, gestoßen und angeschrien: „Allez, allez … reculez!“ Man sieht, wie bei der schnellen Leibesvisitation auch Fotoapparate, elektrische Taschenlampen und Feldstecher von den Garden konfisziert werden. – Noch auf spanischer Seite nimmt Milan Tschochik, ein republikanischer Offizier, aus seiner weiten Reithose eine republikanische Fahne, die um einen abgebrochenen kurzen Fahnenstock gewickelt ist; er reißt sie vom Stock, tritt zu einem älteren Kameraden, Jan Brosek von der Dombrowskibrigade, der einen Hand- und Armverband hat. Sie wickeln schnell den Verband auf, wickeln die Fahne um die verwundete Hand und darüber wieder die Mullbinden. Auch andere suchen, was ihnen wertvoll scheint, noch zu verbergen; der junge Berthel Tanner zieht schnell einen Stiefel aus und legt ein kleines Notizbuch mit Gedichten und einer gepressten Rose hinein; schon geht es über die Grenze. Die Bevölkerung des französischen Grenzortes schaut sich die Behandlung der Interbrigadisten durch die Garden schweigend, aber mit deutlicher Missbilligung an. Frauen und Männer reichen den spanischen Freiheitskämpfern Brot und Wein; die Garden drängen immer wieder: „Allez, allez … reculez!“ Der verwundete Jan Brosek, auf Willi Hoff und den jungen Berthel Tanner gestützt, kann kaum mehr; er bricht zusammen. Die Garden: „Allez, allez … reculez!“ Der halbohnmächtige Jan wird außerhalb der marschierenden Kolonne an den Straßenrand gelegt. Eine alte Frau und ein etwa 15-jähriges Mädel, die französische Katalanin Peppa, beugen sich über Jan, sie geben ihm zu trinken. Vorn ist eine Stockung, alle Garden rennen dorthin. Berthel und Milan sagen zu Peppa und der alten Frau: „Schnell, bringt ihn weg! Aber zu euch, nicht in ein Hospital!“ Sie erzeugen ein Durcheinander, währenddessen Jan von Peppa über den Straßenrand auf das schon dunkle Feld gezogen wird. Eine marschierendeGruppe summt leise im Marschtempo den Refrain des Liedes:

 

„Die Heimat ist weit,

Doch wir sind bereit,

Wir kämpfen und siegen für dich,

Freiheit!“

2. Vorkrieg. Paris. Kleines Büro des „Comité d'aide à l'Espagne Republicaine“

Einige freiwillige Helferinnen, unter ihnen die etwa 25-jährige Modellzeichnerin Madeleine Cerval am Verteiler. Sie fragt Jan, der jetzt einen festen Seidenhandschuh um den Handstumpf trägt: „Worin besteht Ihre Verwundung?“ – „Abschuss der Finger zwei bis fünf im Grundgelenk, Verlust eines Mittelhandknochens.“ – „Sind Sie beschränkt arbeitsfähig?“ – „Teilweise.“ – „Ihr Beruf, bitte?“ – „Arzt. Ehemals Chirurg.“ – Madeleine schaut ihn an. „Welche Nationalität, bitte?“ – „Vordem Pole, das heißt durch Teilnahme an dem spanischen Feldzug ohne Nationalität; das heißt ehemals Österreicher, in Lemberg geboren.“ – „Sie wollen als Arzt weiterarbeiten?“ – „Jawohl. Mich hier auf das französische interne Doktorat vorbereiten.“ Zögernd: „Nur …“ – Madeleine: „Nur?“ – Jan: „Ich brauchte einen kleinen Raum, um zu arbeiten, um mich vorzubereiten.“ – Madeleine, überlegt: „Wenn Sie mit einer kleinen Kammer vorliebnehmen wollen, die ich zur Zeit nicht brauche, gleich neben meinem Atelier?“ – Jan, erfreut: „Mit der kleinsten Kammer.“ – Madeleine, schreibt: „Hier ist die Adresse; Sie können die Kammer heute Mittag besichtigen.“

3. Die Interbrigadisten werden von einem Lager in ein anderes getrieben

Jakob, der Rabe, und Kiki, der kleine Hühnerhund, wandern mit. Kiki an Berthels Seite, Jakob auf der Schulter Milans.

4. Kleine Kammer neben dem Atelier von Madeleine

Durch ein schräges, breites Giebelfenster sieht man über die Dächer von Paris mit ihren vielen Schornsteinen. Jan sitzt vor einem Tisch und schreibt. Madeleine tritt leise ein, in der Hand eine Zeitung. Madeleine: „Störe ich dich? Aber du musst das lesen!“ Gibt ihm „Paris Midi“. – Die Lage ist sehr gespannt, sie verschlechtert sich von Stunde zu Stunde. Frankreich heute zwischen drei Fronten: Spanien–Deutschland–Italien. – Madeleine: „Glaubst du, es kommt zum Krieg?“ – „Ich weiß nicht. Jedenfalls hätte es nicht dazu kommen müssen.“ – „Wirst du für Frankreich kämpfen?“ – „Ich habe für Frankreich gekämpft, damals, vor Madrid! Unsre Niederlage war eine Niederlage Frankreichs! Man hätte sie verhindern können.“ – „Man? Du meinst wir.“ – Jan schweigt. – Madeleine: „Und heute? Wirst du auch für Frankreich kämpfen?“ – „Für das französische Volk, ja; aber …“ – „Aber?“ – „Für diese Regierung, die Zehntausende meiner Kameraden in den KZ hält …" – „Zehntausende?“ – „Noch als wir diesen Winter über die Grenze kamen, da waren wir über 300 000 Mann, 15 bis 20 kriegserfahrene Divisionen …“

Madeleine küsst ihn. „Was fehlt dir, mein Lieber?“ – Jan, streichelt ihre Hand. „Du weißt …“ – Madeleine: „Ich weiß, Jan, ich weiß … aber heute Abend wollen wir draußen essen, darf ich dich einladen, irgendwo draußen, an der Seine, im Grünen, nur wir zwei, ja?“ Sie zieht ihn zu sich hoch, nimmt seinen Mantel vom Haken, wirft ihn Jan über die Schulter und geht mit ihm hinaus.

 

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