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Nachgelassene Lyrik aus drei Jahrzehnten von Erich Weinert
Autor:
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
04.08.2025
ISBN:
978-3-68912-548-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 755 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Historischer Roman, Kriegsromane: Zweiter Weltkrieg, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik
Weimarer Republik, Exillyrik, Widerstand, Antifaschismus, Satire, Agitprop, NS-Zeit, Emigration, Résistance, Sowjetunion, Kriegslyrik, Nachkriegszeit, DDR-Aufbau, Politische Lyrik, Sozialismus, Pazifismus, Propaganda, Zensur, Sprachkritik, Zeitkritik, Aufbruch, Revolution, Verfolgung, Exil, Parteidichtung, Glauben und Zweifel, Kollektiv, Ideologie, Proletariat, Kapitalismuskritik, Kunst und Kampf, Realismus, Utopie, Widerstandskunst, Kriegsverbrechen, Erinnerung, Militarismuskritik, Dichter im Exil, Systemkritik, Stalinismus
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WIE ES WAR

Tiefgefühlte Gedanken an meinem letzten Schultag

Es ist mir seelisch nicht mehr gegenwärtig.

Er war wohl so, wie jeder andre war.

Wahrscheinlich dacht ich mir: Nun bist du fertig

Und giltst als ausgewachsnes Exemplar.

 

Eins weiß ich noch: Es war die ganze Lehrkraft

Mit Voll- und andern Bärten angetanzt,

Und hatte uns von Bürgerpflicht und Wehrkraft

Und Sittlichkeit was ins Gemüt gepflanzt.

 

Da war zuerst der Alte mit dem Barte,

Vom Nasentabak freundlich angegilbt.

Er hatte statt des Strengen heut das Zarte,

Den innern guten Kern herausgestülpt.

 

Dann kam der approbierte Deutschzersetzer –

Der räusperte sich und sprach: „Ihr zieht davon!

Bleibt eingedenk, und werdet keine Schwätzer!

Und denkt an Komma und Semikolon!“

 

Und nun erschien, mit einer Festkrawatte

Und preußisch-brandenburg’schem Halsgerüst,

Der Mann, der Heldentum zu säen hatte.

Er sagte schlicht: „Verwertet, was ihr wisst!“

 

Dann kam ein Schädeldach in Kugelglätte,

Inhalt: Vier Drittel r zur dritten Pi,

Das sprach von sorgenloser Kindheit Stätte

Und vom Pythagoras: „Vergesst ihn nie!“

 

Und hinterher ging’s an ein Händefalten.

Die Lehrkraft ist umrahmt von Suppengrün,

Dann durften wir ein Heldenbuch behalten,

„Die deutsche Flotte“ – und von dannen ziehn.

ACHTE AUF DEIN GEWICHT

Sein oder Nichtsein, das ist die Frage!

Treten Sie auf, treten Sie ran,

Ob groß, ob klein, ob Frau, ob Mann,

Auf meine amtlich geeichte Personenwaage!

Treten Se rauf, junge Frau!

 

Was haben Se Anfang des Jahres gewogen?

Zweiundsiebzig Kilo – stimmt das genau?

Ja, dann sind eben zwanzig Kilo verflogen!

Jetzt haben Sie fünfzigeinhalb, ungelogen …

Na, sagen wir rund: einundfünfzig Kilo!

Fünfundsiebzig hat die Venus von Milo.

Junge Frau, das ist kein Normalgewicht!

Das erklärt sich nicht, das gehört sich nicht!

Hätten Sie gelebt nach Hitlers Programm,

Dann hätten Se neunzig Kilo, Madam!

Wie meinen Se, Ihr Mann wäre abgebaut?

Junge Frau, sagen Se das nicht so laut!

 

Meine Herrschaften, es geht die Gräuelsage:

Das deutsche Volk verliert an Gewicht!

Auf meiner gleichgeschalteten Personenwaage

Stimmt das nicht!

 

Die junge Frau hier hat ungelogen

Im Januar vierzig Kilo gewogen …

Was machen Se denn für’n Gesicht, junge Frau?

Wir sind doch im Bilde … der alte Kakau!

Ich seh doch, was los ist: Ich steh hier und wiege,

Und was ich wiege, ist keine Lüge.

 

Se haben auch schon ein Haar in der Suppe gefunden?

Nanu, ich kenne doch meine Kunden!

Meine Herrschaften, ran und genieren Se sich nicht!

Heil Hitler! Achte auf dein Gewicht!

FAMILIE MÜLLERS GLÜCK UND ENDE

1943

Bei Müllers ist es tägliches Vergnügen,

Liest jeden Abend man von großen Siegen.

 

Schon fiel ein bittrer Tropfen in das Glück:

Aus Polen kam der Gustav nicht zurück.

 

Was hat man schließlich von den Siegen allen!

Auch Max war schon vor Leningrad gefallen.

 

Noch immer Sieg! Doch auch mit Fritz ist’s aus;

Und selbst der Vater kam nicht mehr nach Haus.

 

Wozu die Siege? Wozu sind all die Lieben?

Auch Hildchen war beim Osteinsatz geblieben.

 

Da schrie die Mutter: Nein, nun ist’s genug!

Schluss mit den Siegen! Schluss mit dem Betrug!

Dann hat sie des Betrügers Bild zerfetzt,

Der ihre Lieben in den Tod gehetzt.

 

Nicht einer kam zurück. Das Haus ist leer.

Familie Müller existiert nicht mehr.

Ja, hätte sie den Siegen nicht vertraut

Und schon vor Jahren den Betrug durchschaut,

Sie brauchte keinen einzigen hinzugeben;

Und alle Lieben wären noch am Leben.

 

Drum, wer noch lebt; es ist die letzte Frist,

Zu retten, was jetzt noch zu retten ist!

Zerreißt das Henkerbild im ganzen Land,

Und stellt den Henker selber an die Wand!

LIED DER THÄLMANN-PIONIERE

1952

Melodie von Hanns Eisler

Im Frühling froh und im Sommer frei

Und fleißig im Herbst und im Winter,

Wir sind die jüngste Kampfpartei,

Die fröhliche Freundschaft der Kinder.

Des Friedens Fahne mit uns zieht,

Wir singen der Pioniere Lied,

Das klingt und singt in die neue Zeit,

Pioniere sind immer bereit.

   Wir lieben den Sport und wir lieben das Buch,

   Wir weisen dem Faulpelz die Türe.

   Wir tragen mit Stolz unser blaues Tuch,

   Wir Thälmann-Pioniere.

 

Wir grüßen die Heimat in Wald und Feld,

Wir wollen sie schützen und hegen,

Wir reichen den Kindern der ganzen Welt

Die Hand zur Freundschaft entgegen.

Wir tragen die Fahne der Republik,

Wir grüßen mit Stolz unsern Wilhelm Pieck,

Wir grüßen die Kinder der neuen Zeit,

Pioniere sind immer bereit.

   Wir lieben den Sport und wir lieben das Buch,

   Wir weisen dem Faulpelz die Türe.

   Wir tragen mit Stolz unser blaues Tuch,

   Wir Thälmann-Pioniere.

 

Wir haben stolz unserm jungen Bund

Den Namen Ernst Thälmann gegeben.

Wir haben geschworen, zu jeder Stund’

Nach seinem Vorbild zu leben.

Und werden wir seines Namens wert,

Wir wollen lernen, wie er uns gelehrt,

Alle Kraft einer schöneren Zukunft geweiht –

Pioniere sind immer bereit.

   Wir lieben den Sport und wir lieben das Buch,

   Wir weisen dem Faulpelz die Türe.

   Wir tragen mit Stolz unser blaues Tuch,

   Wir Thälmann-Pioniere.

Nachgelassene Lyrik aus drei Jahrzehnten von Erich Weinert: TextAuszug