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Einmal im Winter, es war sehr kalt gewesen und auf dem spiegelblank zugefrorenen See tummelte sich die Dorfjugend, fasste Jürgen sich wieder ein Herz und fragte, ob er nicht einen ganz, ganz kleinen Augenblick auf den See dürfe. Du hast wohl nicht genug zu tun?, sagte die Alte. Aber wenn du unbedingt aufs Eis willst, fuhr sie boshaft fort, dann pflücke mir auf dem Borgwerder einen Korb voll Äpfel! Komm aber ja nicht nach Hause, bevor der Korb voll ist! Damit stieß sie ihn zur Tür hinaus.
Auf der Südseite des Hügels auf dem Borgwerder wuchsen tatsächlich wilde Obstbäume, Apfel-, Birnen- und Kirschbäume, die in manchen Jahren eine Menge Früchte trugen. Im Sommer und Herbst pflegte Jürgen dort regelmäßig zu ernten, manchmal sogar mit der Alten zusammen. Aber jetzt, im Winter? Weinend machte der Junge sich auf den Weg. Er schämte sich vor den anderen Kindern, mit dem Korb übers Eis zu gehen. Und so schlich er durch den Wald bis zu der Stelle, wo die Insel nahe an das Ufer reicht. Dort lief er schnell hinüber, ohne dass er entdeckt wurde. Verzagt schlich er um den Hügel. Er fror jämmerlich, denn natürlich besaß er keine warme Winterkleidung, sondern trug Sommers wie Winters das gleiche dünne, inzwischen schon viel zu kleine Jäckchen.
Da sah er zwischen den Bäumen Rauch aufsteigen. Oh, ein Feuer!, dachte er. Dort kann ich mich bestimmt wärmen. Eilig lief er in die Richtung und sah zu seiner Verwunderung, dass der Rauch aus dem Berg kam. Dicht darunter waren in dem Hang eine kleine Tür und ein Fenster. Wer hat sich denn da ein Haus in den Berg gebaut?, dachte Jürgen. Er zögerte ein bisschen. Doch dann klopfte er an die Tür.
Herein!, rief eine freundliche Stimme. Jürgen trat ein und stand in einem kleinen blitzsauberen, mollig warmen Zimmer. Am Fenster stand ein kleiner Tisch mit ebenso kleinen Stühlen. In der einen Ecke gab es einen Schrank, in der anderen einen Ofen mit einem herrlich bullernden Feuer und an der gegenüberliegenden Wand war eine Tür, die wohl in einen Nebenraum führte. Am Ofen war eine Bank und darauf saß ein Männlein nicht größer als Jürgen. Es schaute den Jungen mitleidig an.
Was willst du denn hier, mitten im Winter, mit einem Korb und in so einer dünnen Jacke?, fragte es. Noch ganz zitterig vor Kälte erzählte der Junge seine Geschichte. Ich glaube, ich kann dir helfen, sagte der Kleine. Aber vorher musst du mir einen Gefallen tun.
Das will ich gerne, antwortete Jürgen eifrig.
Ist gut. Dann komm erst mal her und wärme dich auf. Der Kleine rückte zur Seite und Jürgen musste sich zu ihm auf die Bank setzen, mit dem Rücken ganz dicht an den Ofen. Das Zwerglein erzählte ihm, dass es eigentlich im Petersberg wohne, zusammen mit den anderen Unterirdischen. Doch er könne dort nicht wieder hinein, da eine diebische Elster ihm den goldenen Schlüssel für die Tür zu dem Berg gestohlen habe. Und ohne den Schlüssel kommt dort niemand hinein.
Jürgen hatte schon gehört, dass die Leute im Dorf sich erzählten, dass auf dem Borgwerder ein kleiner Unterirdischer vom nahen Petersberg wohne. Einige wollten ihn dort sogar gesehen haben. Er selbst hatte es nicht so recht geglaubt. Doch nun sah er, dass das tatsächlich stimmte.
Den Schlüssel hat die Elster in ihr Nest getragen, fuhr der Kleine fort. Das ist in einer hohen Tanne, oben auf dem Hügel. Ich kann da nicht rauf. Ob du dich wohl traust?
Na klar! Jürgen war begeistert. Klettern konnte er wie ein Eichhörnchen.