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Der zweite Mann. Rückblick auf Leben und Schreiben von Wolfgang Schreyer
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
20.01.2013
ISBN:
978-3-86394-819-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 604 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Politik
Abenteuerromane, Belletristik: Humor, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Stasi, DDR, 2. Weltkrieg, Magdeburg, Ahrenshoop, Stefan Heym, Brigitte Reimann, Wolfgang Joho, Reiner Kunze, Manfred Bieler, Harald Gerlach, Heinz Kahlau
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Da biegt sie um die Ecke, kommt auf mich zu. ich lasse den Wasserschlauch los und spreche die Nymphe an. Früher hat sie im Vorbeigehen artig geknickst, nun bleibt sie immerhin stehen und lauscht, die Lippen leicht geöffnet. Ob sie gelegentlich Post für mich tippen kann, da sie doch Steno und Schreibmaschine lernt? (Post, kein Manuskript; da käme sie ja kaum zu mir ins Haus.) Dies fragend, blicke ich auf ihr Ohr unter dem heute hochgesteckten Haar, so winzig ist es, wie noch nie an Erwachsenen bemerkt. Ihre Augen müssen größer sein, die weiten sich verblüfft und erfreut. »Aber gern ...« Recht tief die Stimme bei der Figur.

Es durchrieselt mich. Endorphin wird frei, es geht ja gut! Erstmals eigenes Geld zu verdienen und dazu noch wichtig sein, Gehilfin eines Nachbarn, der Bücher schreibt, den sogar ein Kinoplakat zeigt am Alten Markt - wie da nein sagen: Das baut sie daheim und vor ihren Freundinnen auf. Die freilich meinen, es sei ja klar, worauf das abzielt; mit ihr schlafen will der Kerl. Das aber leuchtet ihr nicht ein, da spricht der blanke Neid. Und wirklich, die Bedrohung ist gering. Mir sind die Hände gebunden: Doppelt so alt und glücklich verheiratet mit einer Frau, die sichtlich schöner ist als sie! Für eine behütete Jungfrau aus christlichem Haus, die zweiten Alt im Domchor singt und deren Mutter im Kirchenrat wacht, spricht alles für mein Bravsein.

Da kommt sie nun ahnungslos zu mir, ein- oder zweimal die Woche, adrett gekleidet, quicklebendig und unpünktlich; nie ist die Maschinenschrift so fehlerlos wie das Stenogramm. Was tut das, wo doch Funken sprühen? Geht sie dann weg, schützt mich nur Arbeit vor der Leere, vorm Grübeln darüber, was mir da geschieht. Dem weißen Papier entsteigt das Gesicht der Lolita, leicht asymmetrisch, nicht ganz fotogen. Mein Lexikon erklärt die Wortbedeutung: Nymphen sind weibliche Naturgottheiten der Bäume, Berge, Gewässer und des Meeres bei den Griechen. Eigentlich, so heißt es weiter, meint das Wort schlicht »Mädchen«; auch »kleine Schamlippe« in der Anatomie. Deshalb also sagt man nymphoman, wie fatal.

Das eigene Begehren projizierend, suche ich Lüsternheit bei ihr, die zu wecken wäre; von wem. wenn nicht durch mich? Voll knisternder Elektrizität erscheint sie mir. Ahmt sie nicht die Bardot nach, lockt mit dem Haarschwall und mit Beinen, lang wie die einer Barbiepuppe? Dionysisch ihr Wesen, gesalbt mit dem Wunderöl Sex-Appeal! Leider hat Mephisto schlechte Karten, weil all das einem anderen gilt. Sie ist verliebt in ihren Tanzfreund Uwe, einen Boxamateur. Und sogar dem erlaubt sie wenig, zu tief hat die Mutter sie erschreckt: Schmerzhaft sei Sex, bloß in der Ehe allenfalls erträglich, dazu folgenschwer.

Mein Vernarrtsein hat Charlotte rasch entdeckt. Gar nicht tragisch, wir glauben beide, dass unsere Partnerschaft nach so vielen Jahren dies verträgt. Ein paar Anbeter umschwirren meine Frau, das macht sie tolerant. Englisch lernt sie, um mit dem russischen Übersetzer und Weltkriegsflieger Jura Kappe zu flirten, der sie Charly nennt und ihr schreibt: »Denk an mich, wenn Du den Wolfgang vermisst, der farbige Damen in Kuba küsst ...« Schadenfreude mischt sich mit Besorgnis, als sie mich jetzt vor dem Boxer warnt.

 

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