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Der Landsknecht. Biografie eines Nazis von Adam Scharrer
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
07.05.2025
ISBN:
978-3-68912-483-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 312 Seiten
Kategorien:
Antifaschismus, Arbeiterbewegung, Autoritäre Systeme, Biografischer Roman, Drittes Reich, Erbhof, Faschismus, Gehorsam, Gesellschaftskritik, Gewaltlust, historische Schuld, Hitlerdiktatur, Ideologiekritik, Ideologische Verblendung, Ideologische Verführung, Indoktrination, Kriegserlebnis, Massenpsychologie, Mitläufertum, moralischer Verfall, Nationalsozialismus, Politische Literatur, Politische Radikalisierung, Propaganda, Psychogramm eines Täters, Radikalisierung, Russlandfeldzug, Schuld, Täterpsychologie, Totalitarismus, Verantwortung, Verführung, Vergangenheitsbewältigung, Vernichtungskrieg, Wehrmacht, Widerstand, Zweiter Weltkrieg, SA, SS
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Joachim fühlte sich sicher. Der hab ich das Maul gut gestopft, stellte er zufrieden fest. Für die zwei Goldstücke hatte er von Scheffelfuß dreihundert Mark erhalten unter der Bedingung, dass über diesen Handel nicht geredet werden dürfe. Joachim konnte sich also schon „ein bisschen rühren“. Da er mit der Möglichkeit des Todes seiner Frau rechnete – ein Gedanke, der ihn weiter nicht bedrückte –, machte er einen Überschlag, was ihm die Heirat eingebracht hatte. Er sei durch sie doch ein gut Stück vorwärtsgekommen, sagte er sich. Bertha hatte immerhin die Möbel mitgebracht und den Gaul, den Joachim hatte beschlagen lassen und der nun wieder leidlich im Geschirr ging. Meine zweite Frau muss ein bisschen mehr bringen, nahm er sich vor. Und so, schon in einer ganz anderen Richtung denkend, war aller Respekt vor seinem Schwiegervater plötzlich verschwunden, und er kam sich vor, als wäre er in seinem eigenen „Comptoir“.

„Du verstehst das nicht?“, fragte er aufs tiefste beleidigt. „Du verstehst nicht, dass wir uns von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang schinden müssen wie das Vieh und dass das eine Frau, selbst eine von der Natur wie Bertha, einfach nicht aushält, na, weil halt, wenn man eben verheiratet ist, auch mit der Schwangerschaft der Frau zu rechnen ist? Aber vielleicht willst du auch nicht verstehen, was das für eine Frau heißt, trockenes Brot zu essen und vom Sonnenbrand ausgedörrt zu werden, dass sie einen Hitzschlag bekommt und mit einem Korb voll Obst von der Leiter fällt. Möchtest vielleicht noch mir die Schuld zuschieben, aber verlass dich drauf, die Leute hier im Dorf denken anders darüber. Sie verstehen einfach deine verfluchte Pfennigfuchserei nicht. Ich selber steh dabei wie ein Blödian und weiß keinen Rat … Und das muss anders werden …“

„Soo? Was muss denn zum Beispiel anders werden?“, fragte Ottenhaus höhnisch. „Oder soll ich dir vielleicht vorrechnen, was anders werden soll, du unschuldiger Engel, du?“, fuhr er dann fort. „Willst du mir vorreden, dass die Leute Gutes über dich und Schlechtes über mich sagen …? Und dieses Gerede bedrückt dich mit einem Mal, Joachim …? Früher hast du dir einen Dreck draus gemacht … Noch bis gestern hast du dir einen Dreck draus gemacht! … Und jetzt sag ich dir, was ich mir so denke: Dass aus der Bertha kein Wort herauszukriegen ist, das kommt mir verdächtig vor, arg verdächtig! Die ganze Geschichte kommt mir vor, na, wie soll ich sagen, beinahe wie ein Eisenbahnunglück …“

Das saß! Joachim fuhr das Blut zu Kopf und in die Nase, dass es ihm im Moment die Sprache verschlug. Er schnaubte sich verzweifelt. Ottenhaus musterte ihn mit einem durchdringenden Blick seiner kleinen katzengrauen Augen. Aber Joachim erholte sich rasch. „Du möchtest wohl miteinander vermischen, was nicht vermischt werden darf“, trumpfte er auf. „Nun, wenn es so ist, wenn du mir mit einem Eisenbahnunglück drohen willst, dann suche ich mir mein Recht wohl am besten woanders … Ich sag dir ganz offen, dass ich auf eine solche Niederträchtigkeit deinerseits nicht gefasst war … Vielleicht ist es überhaupt am besten, ich werde anderenorts wegen der tausend Mark vorstellig, die du mir noch schuldig bist, dort kannst du ja dann auch deine giftigen Redereien vorbringen …“

Ottenhaus saß völlig unerschüttert da und fuhr mit der Hand über die faltige Glatze, als verscheuche er eine Fliege. Gemächlich holte er seine Brieftasche hervor und zählte fünfhundert Mark auf den Tisch. „Hier, unterschreib!“, forderte er Joachim auf und hielt diesem seinen Füllfederhalter hin. „Du brauchst nicht etwa zu denken, Joachim, dass ich dir auch nur ein einziges Wort glaube. Dafür kenne ich dich doch zu gut. Leuten wie dir darf man nicht weiter trauen, als man ihnen nachschauen kann. Doch ich werd in Zukunft die Augen schon offenhalten, und glaub mir sicher, auch ich hab in Unterwalddorf meine Leute, auf die ich mich verlassen kann. Solltest du aber Lust verspüren, mich woanders zur Rechenschaft zu ziehen – wofür eigentlich, mein Sohn? –, dann bedenk vielleicht doch vorher genau, dass du in dem Augenblick ein erledigter Mensch bist, wo ich dich fallenlasse. Oder zweifelst du daran? Alles nämlich, was unter uns ausgemacht wurde, das ist ohne Zeugen besprochen worden, aber das – Eisenbahnunglück ist nicht ohne Zeugen passiert … Im Notfall sind die wohl auf meiner Seite. Und wie ich zu Henning steh, das weißt du auch … Aber alles hängt von dir ab. Da hast du also erst einmal fünfhundert Mark, die anderen fünfhundert kannst du zu Neujahr haben … Bild dir jedoch nicht ein, ich hätt etwa Angst vor dir. Nur wegen der Bertha … Nimm dir ein paar Leute für die Arbeit. Ich schick dir ’ne Frau zum Kochen und zur Aufwartung für die Bertha … Der Besuch bei dir war nicht grad angenehm, aber ich nehme auch das mit in Kauf. Im Übrigen: Solang die Bertha krank ist, werd ich kommen, wann es mir grad so passt …“

Der Landsknecht. Biografie eines Nazis von Adam Scharrer: TextAuszug