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Auch eine Jugend. Ein Leben am Rande der Gesellschaft von Adam Scharrer
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
06.05.2025
ISBN:
978-3-68912-471-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 137 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Politik, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Magischer Realismus
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik
Proletarische Jugend, Vagabundenleben, Weimarer Republik, Armut, Landstraße, Arbeiterkind, Sozialkritik, Gesellschaftskritik, Perspektivlosigkeit, Widerstand, Heimatlos, Industrialisierung, Ausbeutung, Selbstbehauptung, Solidarität, Vagabund, Klassenkampf, Arbeitersohn, Identitätssuche, Überlebenswille
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Sechzehn Wochen in Heu- und Strohschobern zu nächtigen, jeden Morgen, wenn die Sonne höher kommt, nach dem Rauch der Bauernhäuser zu schauen, wo zuerst Kaffee gekocht wird, und dann untertänigst vorzusprechen ist gar nicht so schlimm. Ich wurde bald klug und sah mich abends rechtzeitig nach den entsprechenden Freihotels um. Auch wenn es einmal vierundzwanzig Stunden regnet, nimmt man das nicht tragisch. Es geht nicht weiter als bis auf die Haut. Wenn man gerade Pech hat und zwischen Würzburg und Aschaffenburg durch den Spessart wandert, vor dem Regen nirgends ausweichen kann und sich trotzdem unter einen Baum stellt, auch wenn man weiß, dass es dort nicht trockener ist, so gehorcht man eben dem inneren Bedürfnis, sich gegen völlige Wehrlosigkeit aufzubäumen.

Jugendillusionen sind zähe. Der letzte Rettungsanker war bei mir immer, dass die alten Speckjäger auch einmal jung gewesen sein müssen. Wo ich nur konnte, suchte ich etwas aus dem Leben dieser Alten zu erfahren.

Sie hatten alle einmal hier und dort gearbeitet. Hatten Liebste gehabt, schöne Zimmer bewohnt. Daran klammerte ich mich. Die größte Angst hatte ich davor, aufgegriffen und per Schub nach Hause befördert zu werden. Sonst konnte mich so leicht nichts aus der Ruhe bringen – vorderhand. Beweis:

Ich unterbreche meinen eintönigen Trott und stelle mich unter einen Baum. Trotzdem ich wusste, dass ich dort keinen Schutz hatte und deswegen bald wieder weitergehen würde, weil man im Stehen ja doch nicht ausruhen kann. Ich wollte eben momentan nicht länger weitertrotten. Das Wasser lief mir am Körper hinunter. Die Straße war aufgeweicht, und so blieb es nicht dabei, dass bei jedem Tritt nur die Suppe in meinen Schuhen quietschte – sie hatten auch viel zu große Löcher, um Sand, kleine Steine usw. fernzuhalten. Das alles mahlte unter den Sohlen und zwischen den Zehen. Diese Schuhe mussten also von den Füßen. Ich blieb noch eine kleine Weile stehen, hing dem Gedanken nach an Arbeit und die Liebsten, die ich irgendwo einmal, wie auch andere Handwerksburschen, bekommen würde. Vorderhand vielleicht nicht. Ich war körperlich fast noch ein Kind, und viele fragten mich, warum ich von der Schulbank fortgelaufen wäre. Aber so ein bis zwei Jahre auf der Landstraße, dachte ich, dann werde ich schon noch wachsen.

Mit einem Male fühlte ich so etwas wie einen elektrischen Schlag im Körper. Dieses Gefühl kannte ich genau, weil wir in der Lehre mit der Durchleitung von elektrischem Strom durch Maschinen oder Eisenstangen – die der Betreffende, dem das Attentat galt, gerade berührte – eine angenehme Abwechslung sahen. Trotzdem die Elektrizität den ganzen Körper packt, sucht man doch unwillkürlich den Teil des Körpers zu isolieren, wo sie überspringt. Man fühlt dort eine stärkere Erschütterung. So war es auch hier. Dieser Punkt schien bei mir zwischen den Beinen an der unteren Bauchgegend zu sein. Ich fasste mit beiden Händen dorthin und fühlte auch einen Fremdkörper durch die Hose. Um sicherzugehen, schloss ich die Hände aus Leibeskräften zur Faust. Ich merkte, dass der Gegenstand, den ich gefasst hatte, nachgab, und mein Wille zum Leben diktierte den Willen zur Vernichtung des Ungewissen, auch wenn es der Teufel selbst sei. Ich muss sehr stark gedrückt haben, denn ich sah nachträglich die Spuren meiner Fingernägel in meiner Handfläche. Als ich glaubte, dass selbst besagter Teufel tot sein müsse, wenn er es sei, ließ ich los.

Auch eine Jugend. Ein Leben am Rande der Gesellschaft von Adam Scharrer: TextAuszug