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Wie Recht Lütten Schult doch hatte! Das Kesseltreiben hat Barlach das Herz gebrochen, hier in Rostock, in der St. Georgsklinik, starb er vor wenigen Wochen, am 24. Oktober.
Kein Wunder, dass ein so sensibler Mensch wie Barlach, der so ganz an seine Kunst hingegeben war, die Repressalien und Diffamierungen nicht aushielt. Schon die Maßnahmen, die der Reichsbeauftragte für künstlerische Formgebung ihm androhte, kamen einem Berufsverbot gleich. Dann der erzwungene Austritt aus der Akademie der Künste, die Beschlagnahme von Hunderten von Werken aus öffentlichen Sammlungen, der Abriss der Ehrenmale für die Gefallenen des Weltkriegs aus den Kirchen in Magdeburg, Kiel, Hamburg und Güstrow.
Kate denkt daran, mit welchen Gefühlen sie vor einem Jahr in München durch die Ausstellung Entartete Kunst gegangen war. Das Blut konnte einem in den Adern gerinnen! Werke der berühmtesten modernen Künstler wie Klee, Dix, Kokoschka, Corinth, Schwitters, Meidner, Kirchner, Heckei, Schmidt-Rottluff, Radziwill, Schlemmer wurden Werken von Geisteskranken gegenübergestellt und zugunsten der Kunst Geisteskranker höhnisch kommentiert. Kein Wunder, dass das Konzept von der Reichspropagandaleitung, Amtsleitung Kultur bestimmt wurde.
Mehrmals musste ihr Mann sie anstoßen, sich nichts anmerken zu lassen, denn es war klar, dass Spitzel als Besucher getarnt waren.
Vor Barlachs Plastik Das Wiedersehen blieb sie dennoch besonders lange stehen. Welche Innerlichkeit, welche anrührende Szene, wie der Auferstandene seinem Jünger wiederbegegnet!
Es half Barlach auch nicht, dass sein Ruhm bereits international war, dass es im gleichen Jahr eine Ausstellung in der Westermann-Gallery in New York gab. Logisch ist eben nichts mehr.
Zu den Trauergästen bei der Beerdigung Barlachs in Ratzeburg erschienen einige der Verfemten, so Schmidt-Rottluff, Kolbe; Gerhard Mareks, Tessenow. Und Käthe Kollwitz zeichnete den Elenden auf dem Totenbett ...
Dieser als entartet gebrandmarkten Kunst war als propagandistisches Gegengewicht eine Ausstellung wahrer Kunst entgegengestellt, auf deren Besichtigung Kate mit Schaudern verzichtete.
Plötzlich klopft es an der Tür. Aus ihren Gedanken gerissen, zuckt sie zusammen. Es ist Peter-Paul, ihr Mann.
Kate, komm schnell nach Haus!, befiehlt er aufgeregt.
Aber - die Zeichnungen muss ich schnell wegräumen! und sie verstaut die mit Packpapier umwickelten Blätter wieder unter dem Sofa.
Was ist denn los?
Paul Peter flüstert: Ich hatte gerade nach der Sprechstunde einen sehr nervösen Patienten in der gewissen Uniform. Eigentlich hatte er Ausgangssperre und Redeverbot. Aber die Schmerzen ließen ihn die Vorschriften vergessen. Er verriet mir, dass für heute Abend Schreckliches geplant sei: eine Reichspogromnacht, in der Fensterscheiben klirren würden und es den Juden an den Kragen ginge. - Komm also!
Kate erschrickt. Und Glasers?
Die sind schon bei uns.