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Das Haus an der Milchstraße. Die Milchstraße, Teil 1 von Siegfried Maaß
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
07.03.2016
ISBN:
978-3-95655-622-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 185 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Jungen und Männer, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Neues Baby, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Ehe und Scheidung, Kinder-und Jugendbuch/Liebe und Romanze, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Freundschaft, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Emotionen und Gefühle
Kinder/Jugendliche: Liebesromane, Freundschaftsromane, Kinder/Jugendliche: Familienromane, Erste Hälfte 20. Jahrhundert (1900 bis 1950 n. Chr.)
2. Weltkrieg, 20. Jahrhundert, Kriegsgefangenschaft, Familie, Familienbeziehungen, Kriegsheimkehrer, Freundschaft, Erste Liebe, Baby, Jugendbuch, Krieg, Nachkrieg, Schieber, Spekulant, Stiefvater, Teenager, Vater
12 - 99 Jahre
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Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich den Schlüssel erwähnt hätte, meinte er, indem er mir nochmals auf die Schulter klopfte. Vielleicht hätte sein Vater ihn noch geschont, doch für seine Mutter wäre es schlimm ausgegangen, erklärte er. Sein Vater duldete es nämlich nicht, wenn man ihn belog oder etwas hinter seinem Rücken trieb, das in seine Zuständigkeit eingriff. Und die Schlüsselgewalt stand allein ihm, dem Herrn und Meister, zu. So schilderte mir Fede die Ansicht seines Vaters. Ich war darum noch nachträglich froh, dass mir im richtigen Augenblick bewusst geworden war, den Schlüssel in meiner Tasche nicht erwähnen zu dürfen.

Den Schlitten hätte ich sogar mit nach Hause nehmen können, wenn Gelegenheit gewesen wäre, ihn im Keller unterzustellen. Doch dafür hatten wir keinen Platz. Als meine Mutter davon hörte, wie großzügig sich mein neuer Freund verhielt, hatte sie sofort Pläne geschmiedet - sie wollte dann für den Schlitten eine aufsetzbare Lehne besorgen, sodass ich jeden Nachmittag, nachdem ich meine Hausaufgaben erledigt hätte, Franziska in der frischen Schneeluft im Schlitten kutschieren könnte.

Gut in Decken eingepackt, sollte sie sich „rote Bäckchen“ holen und sich von der Stubenluft erholen.

Sie hatte mich nicht einmal gefragt, ob ich dazu Lust hatte. Aber war ich vielleicht ihr Kindermädchen? Ich zermarterte mir deswegen den Kopf, wie ich ihr beibringen konnte, dass ich den Schlitten unbedingt für mich allein haben wollte. Endlich hätte ich dann einmal wie viele andere aus meiner Klasse zum Fuchsberg gehen und rodeln können! Hätte nicht den einen oder anderen fragen müssen, ob sie mich mal fahren ließen oder ich bei ihnen als „Beschwerer“ mitfahren konnte. So nannten sie den hinteren Aufsitzer, der eine zusätzliche Belastung darstellte und für eine größere Geschwindigkeit sorgte. Dafür hatten die meisten jedoch ihre guten Freunde ausgewählt, die anschließend den leeren Schlitten wieder bergauf schleppen durften. Das waren aber stets schwergewichtige Jungen, deren Väter Bauern waren und die auch in dieser Zeit keinen Mangel litten. Aber wegen des ausbleibenden Schnees waren alle Pläne umsonst ausgedacht und jede Beschwerer-Absprache vergeblich getroffen.

Dennoch bot die Zeit um Weihnachten einige Überraschungen für uns, sodass ich wahrscheinlich gar nicht zum Schlittenfahren gekommen wäre; selbst bei allerschönstem Schnee nicht.

Eines Morgens Mitte Dezember stand plötzlich Onkel Franz vor unserer Tür. Dreimaliges Klingeln galt uns; so hatte es der „strenge Waldi“ in Schönschrift auf eine schmale Pappe geschrieben, die unter der Klingel an der Wohnungstür angebracht war: Martin, dreimal klingeln. Meine Mutter war noch mit meiner „halben Schwester“ beschäftigt, sodass ich hinausging, um nachzusehen. Wir konnten uns nicht erklären, wer um diese Zeit zu uns wollte. Im Hintergrund dudelte das kleine Radio, das uns Onkel Franz geschenkt hatte. Schuricke besang die bei Capri im Meer versinkende Sonne, wobei meine Mutter immer sehr rührselig wurde. Wenn sie auch sonst ungestört sein wollte, solange sie mit Klein-Franzi beschäftigt war — aber bei Schurickes Caprisonne schien ihr jeder Handgriff noch einmal so gut und sicher zu gelingen. Selbst meine „halbe Schwester“ fand scheinbar Gefallen an dem Gesang, denn ihren eigenen hatte sie sofort eingestellt.

Noch etwas nachtschlapp schlurfte ich also hinaus und öffnete - und da stand er dann. Onkel Franz. Mit seiner schäbigen Aktentasche aus weich gewordenem schwarzen Leder, deren Schloss nicht mehr funktionierte. Ich hatte mich schon oft gefragt, weshalb er seine Beziehungen nicht nutzte, um sich eine neue Aktentasche zu beschaffen. Aber vielleicht wollte er mit der alten zeigen, dass er bescheiden und ein ebenso armer Schlucker war wie die meisten in unserer Wohngegend und auch darüber hinaus? Damit niemand auf den Gedanken kam, dass es wahr sei, was man von ihm behauptete? Nun war er sogar wieder frei. Ohne Prozess, ohne vor Gericht gestanden zu haben. Fedes Vater hatte mit seiner Voraussage recht behalten.

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