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Ins Paradies kommt nie ein Karussell von Siegfried Maaß
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
14.12.2014
ISBN:
978-3-95655-203-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 254 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Familienleben, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Rummel, Fahrgeschäft, Vater-Sohn-Konflikt, Liebe, Geschwister, Freundschaft, Schule
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„Hast du eine gute Nacht gehabt?“, rief Pachnitzke, und als ich ihn unterm Handtuch hervor anblickte, entdeckte ich sein spöttisches Lachen, womit er verriet, genau zu wissen, wie gut meine Nacht gewesen war. „Weißt du“, meinte er dann und prahlte dabei so laut, dass ich befürchtete, Langewalds würden jedes Wort verstehen können, „du musst mal ’ne Handvoll Staufferfett nehmen und deine Wagentür schmieren. Sonst kriegt nämlich jedes Mal der ganze Rummel mit, wann du nach Hause kommst.“

„Gut“, sagte ich, „werde ich machen.“

Über die vergangene Nacht konnte ich mich eigentlich nicht beklagen. Aber sollte ich etwa auf Pachnitzkes Ton eingehen und ihm unter die Nase reiben, dass ich bis zum Morgengrauen bei Ulrike gelegen hatte? Das ging ihn schließlich nichts an. Vielleicht hatte er aber gar keine Einzelheiten hören, sondern mich wirklich nur vor neugierigen Nachbarn warnen wollen? Bisher hatte er sich nie darum gekümmert, was ich in meiner Freizeit trieb.

Ich musste plötzlich wieder an meinen Traum denken. Hätte Ulrike nicht nur in meinem Traum das Riesenrad übernommen, würde ich jetzt zu Pachnitzke sagen: Ich will zu Schmalfelds überwechseln. Ulrike kann eine Hilfe gut gebrauchen.

Ich stellte mir sein Gesicht vor, die Enttäuschung, die darauf zu erkennen sein würde. Von einer „guten“ Nacht würde er dann bestimmt nicht mehr reden. Oder hatte er vielleicht schon einen Ersatz für mich in Aussicht? Hoffentlich war es dann nicht wieder so eine Type wie damals, als ich in der PGH „Amboss und Hammer“ lernte und zweimal in der Woche nach Bärenburg in die Berufsschule fahren musste, wo sie uns immer so sehr mit Aufgaben eindeckten, dass ich nachmittags einfach keine Zeit für den Rummel hatte - so schwer mir’s auch fiel, in meiner Bude über den Büchern zu hocken, während dort draußen hinterm Saalewall der Rummel im Gang war. Dieser Kerl jedenfalls, den Pachnitzke damals aufgelesen hatte, hätte ihm bald das ganze Geschäft versaut, wenn ich nicht mit meinen Jungs aus der PGH aufgekreuzt wäre. Aber davon bei anderer Gelegenheit mehr.

Die ganzen Überlegungen, die mein Weggehen von Pachnitzke betrafen, waren sowieso völlig umsonst, denn Ulrike würde in Brückstedt zurückbleiben, weil ihr Urlaub zu Ende ging; da konnte ich träumen, soviel ich wollte - in der Wirklichkeit war eben alles anders. Bei Langewalds hatte ich aber auch noch nichts erreicht, weil ich nicht so mit der Tür ins Haus fallen wollte. Aber die „Traumfahrt“ blieb mir ja zum Glück erhalten.

„Sieh mal“, hatte Ulrike in der Nacht gesagt und war dabei friedlich und keineswegs streitsüchtig wie sonst bei diesem Thema. „Was soll ich denn auf dem Rummel? Ich hab nun mal keine Ader dafür. Hältst du mich etwa für herzlos und denkst, mir würden meine Eltern nicht leid tun? Dann täuschst du dich aber gewaltig. Soll ich jedoch nur aus Mitleid mit ihnen etwas tun, von dem ich genau weiß, dass es nicht gut für mich ist?“

Als ich etwas erwidern wollte, verschloss sie mir mir ihrer warmen Hand den Mund. „Warte“, sagte sie, „lass mich erst zu Ende sprechen. Und du darfst dann hinterher auch nicht gleich aus der Haut fahren, versprichst du mir das?“

Ich nickte. Was hätte ich anderes tun sollen? Sie konnte sich anscheinend nicht vorstellen, wie schwer es mir fiel, so sachlich und nüchtern darüber zu sprechen. Ich musste schließlich allein auf dem Rummel zurückbleiben. Was sollte ich anstellen? Seit ich Ulrike hatte, befand ich mich gewissermaßen in einer Schönwetterzone; daran konnte auch eine zeitweilige kurze Eintrübung nichts ändern. Sich jeden Abend schon auf den bevorstehenden Tag zu freuen - wann hatte es das je zuvor für mich gegeben? Im Paradies hatte ich das nicht kennengelernt. Worauf hätte ich mich auch freuen sollen? Etwa auf meine Brüder, die mir dauernd das auswischen konnten und dafür noch in Schutz genommen wurden? Oder auf meinen Vater, der nie einen guten Faden an mir ließ? Selbst meine Mutter konnte mir das Erwachen und damit den Beginn des neuen Tages kein bisschen angenehm machen. Kaum hatte ich nämlich die Augen aufgeschlagen, rasselte: sie schon, zuverlässig wie ein Uhrwerk, die Pflichten herunter, die ich im Verlauf des Tages zu erfüllen hatte. Ich kann mich kaum an eine Ausnahme erinnern.

Jetzt war alles anders. Aber die schönen Tage mit Ulrike waren schon gezählt. Warum ist das, was einem Freude bereitet, selten von Bestand?

 

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