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Trauergesellschaft. Wie Josef der Zimmermann die Geschichte erlebte von Rainer Lindow
Autor:
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
23.05.2014
ISBN:
978-3-86394-255-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 348 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Politik, Belletristik/Verbrechen
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Kriegsromane, Kriminalromane und Mystery
2. Weltkrieg, KZ, Holocaust, Jude, Polen, DDR, SS
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Zofia blieb stehen und sagte zögernd: Manchmal frage ich mich, ob wir das auch aushalten könnten - Krieg und Lager und Bergwerk.

Was mein Alter ausgehalten hat, halte ich auch aus! rief ich.

Nach einem skeptischen Seitenblick sagte sie, das Bitterste für meinen Vater war der Berg. Er spricht nicht gern darüber.

Ich verstand nur Berg und wurde hellwach. Allerdings mahnte mich der Reinfall mit der Badewanne zur Vorsicht. Außerdem konnte der Spaß nur größer werden, wenn ich mich blöd stellte.

Verstehst du - Berg, sagte sie drängend.

Ich schlug die Augen nieder und schüttelte betrübt den Kopf. Sie seufzte mitleidig. Wir waren inzwischen, nach den anderen, am See angelangt und hörten das Geschrei der Badenden. Die Wurzeln, die von beiden Seiten über den Weg wuchsen, umgingen wir behutsam. Zofias Hackenschuhe schienen mir ungeeignet für unseren Wald. Zuerst versehentlich, dann stärker von der Notwendigkeit meines Armes überzeugt, griff sie nach mir und stolperte zu meiner Rechten durch den deutschen Wald. Ungeachtet der akrobatischen Verrenkungen, die sie vollführen musste, erklärte sie, was ich unbedingt zu verstehen hätte: Ihr Vater wäre mitnichten ein Bergmann gewesen.

Was denn sonst?

Er war damals Schüler. Mathematik eins. Ein Musterschüler. Sein Vater versetzte ihm einen Stoß. Lauf! Und er ist gerannt. Die deutschen Gendarmen schossen, aber er entkam über die Hinterhöfe. Seine Eltern und seine Großeltern hat er nie mehr wiedergesehen. In den Wäldern um Krakow traf er Szymon, der im Lastwagen dem ausgebrannten Getto den Rücken gekehrt und sich den Partisanen angeschlossen hatte. Szymon war stolz auf die deutsche Maschinenpistole, die er einem polnischen Polizisten im Kampf abgerungen hatte.

Einmal gerieten sie in einen Hinterhalt, und Szymon trug Zofias Vater bis zum Morgengrauen stundenlang durch den Wald. Als der Arzt die Wunde säuberte, lachten alle. Ein Durchschuss. Schreck und Angst, den Deutschen in die Arme zu rennen, hatten Eryks Beine unbeweglich gemacht.

Zofias Vater!

In unserem Alter waren sie. Wer weiß, was für eine Zofia auf dem Weg um den See an meinem Arm hinge, wäre ihr Vater nicht der rundlichen Krankenschwester Helga begegnet. Ich musste lachen, und Zofia unterbrach irritiert ihre Geschichte. Es kostete mich etliche Worte, bis ich sie so weit hatte, mir zu glauben, dass es zwischen meinem Lachen und der Verwundung keinen Zusammenhang gab.

Aus der Partisanengruppe wurde einer zum Verräter. Nach und nach fielen sie alle der Gestapo in die Hände. Aber der Verräter irrte sich, wenn er glaubte, dadurch sein Leben erkauft zu haben. Als seine ehemalige Geliebte aus dem Lager kam, erschoss sie ihn. Das war eine traurige Geschichte, denn der Verräter hatte inzwischen eine hübsche, junge Frau und zwei niedliche Kinder.

Musste diesem Mann das Leben nicht zur Qual geworden sein, ständig in Furcht, einer könnte Gestapo und Lager überleben ?

Ich wollte über Zofias Mitleid herziehen. Hör mal, wollte ich sagen, ein Verräter bleibt ein Verräter. Was gehen mich dessen Qualen an. Sie erwartete diesen Zwischenruf und hätte sicherlich einen weisen Spruch hergebetet, wie: Gott ist Gott und Schnaps ist Schnaps. Vielleicht glich tatsächlich ein Verräter dem anderen nicht, und dieser war einst ein guter Kamerad gewesen, der seiner Geliebten die Folter ersparen wollte. Bestimmt hätte Zofia die Taten der Verräter gegen die Untaten der Nazis aufgewogen und die ersten zu den Opfern eines kriminellen Systems geschlagen, dem zu widerstehen nur wenige die Kraft hatten.

Ich hielt es für angebracht zu schweigen und entrann einer Lektion.

Beide kamen ins Lager, sagte Zofia. Mein Vater und Szymon. Beide übel zugerichtet. Aber die Gestapo wusste schon alles, so kamen sie glimpflich davon. Szymon starb, mein Vater lebte. Und nach dem Krieg kam die Einsamkeit.

Und ich dachte, der Berg.

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