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Bruno Beye hat sich vieler Motive und Techniken und Stilarten bedient, er nutzte sie alle, schnitt in Holz und Linol, aquarellierte, zeichnete, lithographierte, malte in Öl, radierte, blieb nicht unbeeinflusst von impressionistischen und expressionistischen Strömungen, aber immer interessierte ihn, wie Professor Dr. Kurt Pinthus anlässlich seines 75. Geburtstages feststellte, immer interessierte ihn am meisten der Mensch und dessen Angesicht, und im Menschen schließlich das Menschliche.
Alles hat sein Echo.
Alles, was der Mensch durchlebt und sieht.
Der Domplatz in Magdeburg nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Mit den Arbeitern holte sich Bruno Beye Gewehre aus der Zitadelle, und dann kam der General Maercker. Beye stand gegenüber der Post hinter einer Säule, während sie von den Türmen aus schossen.
Alles hat sein Echo, alles hat seinen Schatten. Vor Beye fiel eine alte Frau um, ihre Einkaufstasche platzte auf, Reis und Kartoffeln und Fisch lagen auf dem Pflaster. Kugeln pfiffen. Der Sohn der Frau, auch tot, die Schülermütze fest auf dem blonden Kopf.
Das vergisst sich nicht, solche Schatten werden nicht blasser mit der Zeit.
Beye verließ Magdeburg, lebte in Berlin, spielte mit den Dadaisten. Dann im Sauerland, in dem ihn die Farbe packte wie eine Offenbarung. Er zog durch die Länder, angetan mit einem schwarzen Manchesteranzug, dem roten Halstuch und der Baskenmütze, manchmal ließen sie ihn nicht einmal in die Herberge zur Heimat.
Er wanderte durch Italien, lebte auf Capri, zeichnete, malte, verkaufte auch einiges, kehrte zurück, packte ein Hemd, zwei Paar Strümpfe und seine Malutensilien in einen Koffer und fuhr nach Paris und ließ sich einschreiben in die Akademie Colarossi: „Manchmal habe ich meine Bilder verschenkten einen Ober, wenn der mit der Rechnung kam, denn ich hatte oft nichts zu fressen und kein Geld.“
Aus dieser Zeit stammen seine Kaffeehausblätter, und sicher stimmt es auch, dass sich zu seiner genauen Beobachtungsgabe und zu seinem karikaturhaften, entlarvenden Strich die französische Leichtigkeit, die Eleganz, die Charmanz gesellten, also der Einfluss der französischen Kunst.
Manchmal schrieb er Beobachtungen nach Hause, Artikel für die Presse, aber alles besah er mit den Augen des Malers, über Bellelle am Atlantischen Ozean: Wir betreten trockenen Fußes den Meeresgrund, dessen Vegetation im Sonnenglast glitzert, Algen, Meerblumen und seltsames Getier schillern in unirdischen Farben. Gleich vorsintflutlichen Ungetümen schrecken groteske Feldkolosse, deren verstümmelte Rümpfe aus dem gleißenden Schlamm herauswachsen, jene unheimliche Mystik umringt uns hier, die manchmal aus den Bildern Grünewalds oder Wolf Hubers auf uns eindringt …
Er liebte Paris, die Stadt war für ihn wie die Venus unter den Städten, die Geliebte, von der man sich losreißen musste, immer dann, wenn man sie um Weniges zu viel liebte. Er behielt seinen kritischen Blick, sah sozial genau hin, auf die vierzigtausend hungernden Maler, auf die Kunstschulen, die zum Malsportplatz amerikanischer Trustmagnatentöchter herabsanken, auf die politischen Flüchtlinge, die italienischen Sozialisten, die bulgarischen Agrarrevolutionäre, auf die Renegaten, auf die nationalistischen Spießer, auf die Modellmädchen. Und in den Cafés zeichnete er nicht nur die Stimmungen, er zeichnete politisch. In Mühsams Auftrag die bedeutendsten Anarchistenköpfe.
Er lernte Ehrenburg kennen und porträtierte ihn, auch Nenni.
Manchmal sind auf seinen Caféhausgrafiken nur wenige Köpfe zu sehen, en face, en profil, ganz abgewendet, und auch die, von denen wir nur die Rücken erkennen, erzählen Geschichten: arme Schnorrer, satte Spießer, Gelegenheitscasanovas, zementierte einstige Tanzmädchen, der hungernde Emigrant, der beobachtende Advokat. Ich besitze ein solches Blatt, und es kann einen Schriftsteller schon zu einer Geschichte verführen.
Wie das der Beye machte. Sparsam und ausgesucht, ein Zauber geht von den Blättern aus. Da fällt mir ein Satz Paul Gauguins ein, ein Satz aus dem Nachlass des Malers, der auf Beye zutrifft: „Was für Maler bewundern wir? Alle die, welche die Schulen getadelt haben, alle, die ihre Kenntnisse aus der persönlichen Betrachtung der Natur schöpfen.“