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»Seine Majestät der König befehlen den Kapellbedienten Carl Philipp Emanuel Bach in den Gartensaal. Sofort!«
Erschrocken zieht Emanuel seine Perücke wieder über den Kopf, streicht an Frack, Jabot und Manschettenrüschen herum und folgt dem Kammerdiener durch die kerzenbeleuchteten Gänge in den Gartensaal, in dem der König, nun wieder mit seinem grünsamtenen Hausrock bekleidet, vor einem hell auflodernden Kaminfeuer sitzt. Die glänzenden Stiefel hat er ausgezogen. Sein Gesicht ist gerötet, die weiße Perücke steht ausgezeichnet zu dieser Frische. Durch die geöffneten Terrassentüren dringt klare, reine Abendluft, im Park schlägt eine Nachtigall. Wieder sitzt der Baumeister Knobelsdorff beim König, er ist gerade dabei, zwei Gläser mit rotem Wein zu füllen. Friedrich erhebt sein Glas, hält es gegen das Kaminfeuer und freut sich über die tiefe, satte Farbe. Dann leert er es auf einen Zug dreht sich um und sagt: »Sieh da, sieh da, lieber Bach, Er hat sich ja mächtig herausgemacht, seit Er in meine Kapelle kam! Setze Er sich dort!«
Der König weist Emanuel einen gepolsterten Schemel an.
»Ich habe mich über Sein Spiel gefreut, Er hört genau, worum es geht! Und ich ernenne Ihn hiermit zum Ersten Kammercembalisten meiner Kapelle und lade Ihn zum heutigen Hoffest ein. Sitze Er doch bequem, Er ist ja kein Soldat!«
Emanuel ist am Ziel, und doch traut er seinen Ohren nicht. Ihm stockt der Atem, und eine heiße Welle steigt ihm ins Gesicht. Er wagt nicht, sich zu bewegen.
»Was sitzt Er da so stumm und steif! Weiß Er denn nichts zu sagen?«
»Ich danke Euer Majestät von ganzem Herzen!«, sagt Emanuel aufatmend, erhebt sich und macht dem König eine Verbeugung. »Ich werde Euer Majestät allezeit ein gehorsamer Diener sein. Und ein guter Cembalospieler, versteht sich!«
Die höfischen Formeln stehen ihm bereitwillig zur Verfügung. Dem König gefällt das, und Knobelsdorff wundert sich, dass der König den Kapellbedienten nach dieser persönlichen Auszeichnung nicht gleich wieder hinausschickt.
»Er hat einen berühmten Vater, wie ich gehört habe. Er könnte gelegentlich etwas Musikalisches Seines Vaters zu Gehör bringen. Nicht gerade Kirchenmusik, ich liebe anderes. Was stellt Er in Aussicht, Bach?«
Emanuel überlegt nicht lange.
»Die Brandenburgischen Konzerte, Euer Majestät.«
»Soso, Brandenburgische Konzerte ... Warum nicht? Schließlich kam es ja allezeit auf die Kurmark Brandenburg an. Und auch jetzt, da ich mich anschicke, Schlesien zu erobern. Bereite Er alles vor, ich bleibe Ihm gewogen. Und, nun spiele Er mir etwas von Seiner eigenen Erfindung!«
Der König weist auf das geöffnete Cembalo, die Tasten glänzen, und Emanuel schlägt das Herz bis zum Hals. Er setzt sich, denkt einen Augenblick nach und beginnt diejenige seiner Preußischen Sonaten, die er damals nach dem Tode des alten Königs der neuen Königin in Rheinsberg vorgespielt hat.
Emanuel macht während des Spielens eine neue und für ihn sehr schöne Erfahrung. Diese Musik erklingt nicht nur, damit der König sie hören, prüfen und für gut befinden soll, sondern sie entfaltet sich aus der Gemeinsamkeit des Fühlens und Erlebens. Emanuel vergisst seine Umgebung und seine Zuhörer durchaus nicht.
Da sitzt der König, daneben Knobelsdorff, und hier spiele ich, denkt er, es ist eine Atmosphäre wie bei einem Gespräch. Ja, wir tauschen uns aus, gebend und empfangend. Ich bin Freund und Partner des Königs, ich sitze hier nicht nur als Kapellbedienter vor meinem Herrn. Solche Einheit und Gleichheit ermöglicht eben nur die Kunst; gepriesen sei die Musik! Ihre Freunde schaffen Raum zu neuer, immer weiter gehender Freundschaft, einen Raum, in dem mir immer Neues, immer Schöneres einfällt, und die Freunde der Musik sind auch die meinen.
Ja, der König ist mein Freund, wie glücklich kann ich darüber sein! Ich stehe mit der Musik auf Du und Du, ich stehe auch mit dem König auf Du und Du, ohne indes diese vertrauliche Anrede zu gebrauchen. Welch wundersame Gemeinsamkeit! Welch ein neuer, herrlicher Weg für die Kunst! Mit diesem König werde ich auch meinen Weg machen.
König Friedrich schenkt sich noch ein Glas Wein ein und hört schweigend zu. Als Emanuel den ersten Satz beendet hat, spendet er sogar Beifall.
»Nicht schlecht, lieber Bach! Welche Bezeichnung hat Er Seinem Stück gegeben?«
»Preußische Sonate, Euer Majestät!«
»Hervorragend! Bach, Er ist mein Mann! Brandenburgische Konzerte, Preußische Sonaten ... Aus Ihm kann etwas werden. Und nun gehe Er und rufe Er mir den Quantz!«