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Dieses Refugium, diesen Garten am Wald gab es wirklich. Rund zwei Jahrzehnte lebten die Autorin und ihr Mann in einem solchen selbstgeschaffenen Paradies in Alt Meteln in der Nähe von Schwerin. Dort erlebten sie das Glück, der Natur nahe zu sein und mehr und mehr mit den Tieren vertraut zu werden.
Sie staunten über ihre Vielfalt, beobachteten die Amseln, die ihre Kräfte beim Zusammentragen des Nistmaterials fast überschätzt hatten und litten später mit ihnen, als ihr Nest ausgeraubt wurde. Sie brachten eine kleine Blaumeise fast zur Verzweiflung, weil sie ihre Hilferufe lange nicht deuten konnten, hielten mit dem Rotkehlchen die Luft an, als es beobachtete, wie sich eine Ringelnatter einen Frosch aus dem Teich holte. So konnten sie nach einiger Zeit verstehen, was ihnen die Vögel zu erzählen hatten, wie zum Beispiel eine kleine Schwalbe, die das Fliegen gar nicht genug loben kann:
Hier meldet sich die Schwalbe. Ich will versuchen, euch alles der Reihe nach zu erzählen: Gestern am frühen Morgen kam wie immer die große Schwalbenfamilie, um meine Geschwister und mich zu füttern. Als wir alle satt waren, flogen die erwachsenen Schwalben zum nächsten Nest, wir aber schlummerten wieder ein. Plötzlich wurde ich von lautem Gezwitscher geweckt. Meine Geschwister waren bereits wach und flatterten aufgeregt in unserem Nest herum. Auch unsere Mutter schien nervös zu sein.
Jetzt hörte ich die Stimmen der großen Schwalbenfamilie. Sie kamen diesmal bis kurz vor unser Nest geflogen, drehten aber wieder ab, um gleich darauf zurückzukommen. Dabei riefen sie alle wild durcheinander: Kommt mit, kommt mit, bewegt eure Flügel, es ist Zeit für euch, das Fliegen zu lernen. Meine Geschwister gaben aufgeregtes Gepiepe zurück, ich drückte mich ganz tief in unser warmes Nest. Erneut kamen die Verwandten und lockten: Traut euch, nur Mut, das Fliegen ist gar nicht schwer und flogen wieder davon.
Ich konnte nur staunen, das Mutigste meiner Geschwister kletterte auf den Nestrand, flatterte mit den Flügeln und segelte durch die Luft davon, so elegant, als hätte es noch nie etwas anderes getan. Schon kamen die lockenden Stimmen zum Nest zurück und bald waren meine Geschwister alle mutig mit ihnen davon geflogen. Nur ich saß noch im Nest, machte mich immer kleiner und hoffte, sie würden mich nicht sehen. Aber die Erwachsenen ließen sich nicht täuschen, kamen immer wieder zum Nest und lockten mich: Hast du gesehen, wie gut deine Geschwister fliegen können? Das kannst du auch, beweg deine Flügel, hab Mut, fliegen ist so schön. Als ich meinen warmen Platz immer noch nicht verlassen wollte, rief eine große Schwalbe mir zu: Wir füttern dich nun nicht mehr, aber wenn du fliegen lernst, kannst du dir selbst dein Futter suchen. Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte das warme Nest nicht verlassen, hungern wollte ich aber auch nicht. Ganz vorsichtig schaute ich ein wenig über den Nestrand nach unten.