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Wie merkwürdig aber ist doch der Mensch: Dieselbe Maske übt im nächsten Tanz einen ganz anderen Eindruck auf mich aus.
Denn im Sanja no mai, dem Pilgertanz, stellt die Tänzerin (Fukuko tanzt) mit der gleichen Maske eine schöne Prinzessin dar.
Die Geschichte dieses Tanzes ist höchst merkwürdig und echt japanisch, denn wie sollte ein anderes Volk soviel Fantasie mit solcher Naivität verbinden können?
Amaterasu Omikami, das Licht des Himmels, die oberste Göttin Japans, hatte einen jungen Bruder, Susa-no-o Mikoto, dessen Extravaganzen sie so erzürnten und beschämten, dass sie beschloss, sich von der Welt zurückzuziehen. Sie verbarg sich im Meere hinter einem Felsen in der Provinz Ise. Dieser Felsen, Iwato (d. i. erscheint in der See), ist noch heute zu sehen. Man wallfahrt zu ihm.
Sobald aber die erbitterte Lichtgöttin ins Meer gestiegen war, versank Japan in die schwärzeste Nacht. Das Volk zitterte und verging vor Angst und schrie zu den Göttern. Die Götter hatten Erbarmen und versammelten sich in der Provinz Ise, um zu beraten, durch welche Mittel die erzürnte Göttin aus ihrem Versteck herausgelockt werden könnte.
Und sie kamen überein, dass es das Beste wäre, der Göttin ein Schauspiel zu geben. Sieben Instrumente, so dachten sie, Schlottern, Glocken, Flöten, Samisenen, Trommeln etc., und Usumeno Mikoto, die göttliche Prinzessin, berühmt wegen ihrer Schönheit, soll tanzen!
Die Götter hatten sich nicht getäuscht.
Sobald nämlich Amaterasu Omikami die Musik vernahm, Glocken, Schlottern, Trommeln, lugte sie hinter ihrem Felsen vor, und ein Lichtblitz zuckte über das dunkle Japan hin und beleuchtete die tanzende Usumeno Mikoto. Aber alles war bis ins kleinste vom Rat der Götter überlegt worden, und so kam es, dass Goriki no Mikoto, der Gott der Stärke, schon bereit stand, den Felsen zu zerreißen, so dass das Licht breit und mächtig in die Dunkelheit hinausflutete.
Amaterasu Omikami aber verließ ihr Versteck, durch Usumeno Mikotos Schönheit und Kunst versöhnt.
Was wäre sonst aus Japan geworden! Man hätte es nicht mehr gefunden!, sagte Nao-san.
Zum Gedächtnis dieses Ereignisses baute man in der Provinz Ise Tempel, und Tausende von Gläubigen wallfahren noch heute zu ihnen, um der Lichtspenderin zu danken.
Die Tänzerin trägt Odafukus kleine Maske und bedient sich während des Tanzes einer Schlotter, die die sieben Instrumente verkörpert, und eines goldenen Fächers. Die kleine Maske erscheint mir jetzt als das anmutigste und lieblichste Gesichtchen, das ich je sah, das Lächeln ist das einer göttlichen Tänzerin, märchenhaft und kindlich, geeignet, eine erzürnte Gottheit günstig zu stimmen. Fukuko tanzt herrlich, rührende Posen, anmutige Verrenkungen der Arme und Hände, und Amaterasu Omikami müsste kein Verständnis für den Tanz haben, würde sie bei ihrem Anblick nicht allen Zorn und Grimm vergessen.
Als Fukuko die liebliche Larve abnahm, kam ihr kleines dickes Lausbubengesicht wieder zum Vorschein und erschien drolliger und kecker als je.
Unterdessen aber hat sich der Raum mehr und mehr mit Tänzerinnen gefüllt. Sie kauern nach allen Seiten im Kreise; einige dummglotzende Mongolenköpfe sind darunter, die mir nicht gefallen, und eine süße, kleine Kinderleiche.
Es ist ein mir wohlbekannter Schlich des Teehausbesitzers, nach und nach immer mehr Tänzerinnen einzuschmuggeln, für die ich am Schluss bezahlen muss, für jede Tänzerin einen halben bis zwei Yen die Stunde. Er wird sich die Freiheit nehmen, sie mir als berühmte Tsutsumispielerinnen oder Spezialistinnen eines besonders interessanten Tanzes vorstellen zu lassen, und spekuliert auf meinen feinen Kunstgeschmack und meine Gutmütigkeit. Er holt sie aus allen Teehäusern zusammen, und dafür bekommt er natürlich Prozente; denn in Japan wird nichts ohne Prozente getan, es ist das Land der Prozente. Auch Nao-san bes kommt gewiss Prozente vom Teehaus Yamanaka.