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JANG-TSE-KIANG von Bernhard Kellermann
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
07.10.2025
ISBN:
978-3-68912-579-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 158 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Spannung, Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Moderne Frauen
Erotische Liebesromane, Belletristik: romantische Spannung
Jangtsekiang, China, Schanghai, Flussreise, Kolonialzeit, Seeräuber, Liebe, Verhängnis, Schicksal, Orient, Tragödie, Menschliches Drama, Fernost, Abenteuer, Psychologie, Whisky, Absturz, Sucht, Moral, Macht des Schicksals, Faszination des Ostens, Europäer in Asien, Dekadenz, Illusion, Verlust, Leidenschaft, Erzählkunst, 1920er Jahre, Schicksalserzählung, Schanghai, Opium, Dampfschiff, Ferne Welten, Reiseliteratur, Mensch und Natur, Ehe und Treue, Krise, Abgrund, Armut
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Nathanson war nicht wenig erstaunt, als ganz unerwartet Herr Wu, Besitzer eines Wolkenkratzers, gekleidet in Seide und Speck, in seiner Sprechstunde erschien. Er baute ihm ein schweres, solides Gebiss in den Rachen, das ein Vermögen kostete. Andere vornehme Chinesen folgten, und schon die Tatsache, dass Herrn Wus prunkvolles Auto vor dem Hause hielt, gab Moritz neuen Kredit. Dann kamen Japaner und Japanerinnen, deren Mund förmlich funkelte vom Gold der Brücken und Plomben. Kurz und gut, der Laden von Nathanson blühte, und die Empfangsdame hatte alle Hände voll zu tun, mit kleinen Japanerinnen zu plaudern und elegante Chinesen zu fragen, ob sie schon ihren Reis gegessen hätten.

,Er arbeitet sich mehr und mehr ein’, sagte mir Nathanson. ,Er ist sehr geschickt, nun habe ich ihm das Plombieren beigebracht.’ In der Tat, Robert fing an, Zahnarzt zu werden, er behandelte die weniger zahlungskräftige Kundschaft. Sie hatten ihr Atelier nun in Cantonroad, einer sehr guten Gegend. Von ihrem Wartezimmer aus sah man die Dampfer hin und her rauschen. Robert kam nun zuweilen in den Klub, sehr gut gekleidet. Er brauchte diesen Sparks von Cook überhaupt nicht mehr, wie man sieht, übrigens hielt er sich im Allgemeinen sehr tapfer, und nur dann und wann gab es einen kleinen Rückfall. Er trank jedenfalls nur noch in der Stille.

Wie er sich nun an Maria heranmachte, das war eine Sache für sich. Er war, wie gesagt, ein ganz ausgezeichneter Schauspieler und von einer instinktiven Verschlagenheit. Vorerst bestand sein ganzer Trick darin, dass er sich augenblicklich aus dem Staube machte, wenn Maria in einer Hotelhalle, auf dem Tennisplatz oder der Rennbahn auftauchte. Dann nahm unser Robert, ohne großes Aufsehen zu machen, den Hut, murmelte irgendeine Entschuldigung und verschwand. Das ging viele Wochen so, und selbstverständlich konnte er durch gar keine Handlungsweise, er mochte sie noch so geschickt ausdenken, das Augenmerk Marias besser auf sich lenken. Sie musste sich als eine hochstehende Dame vorkommen, der man, wie die Dinge nun einmal lagen, seine Achtung wieder und wieder und für alle Zeiten bezeugte. Dazu machte er ihr immer eine höfliche Verbeugung, die seine besondere Ehrerbietung ausdrückte, und Maria fühlte sich vor den übrigen Damen ausgezeichnet. Natürlich war sein ganzes Benehmen mehr oder weniger Komödie. Möglich, dass es anfangs wirkliche Scheu war, später wurde es jedenfalls Pose.

Aber es war ja klar, dass Robert seiner Dame nicht näherkam, wenn er diese Taktik ewig beibehielt. Er steckte sich hinter seine alte Gönnerin Mrs. Vorbrugg aus Vancouver und machte ihr vor allen Leuten ganz auffällig den Hof. Er sandte ihr Blumen, Bücher und interessante Zeitungsausschnitte, er besuchte sie zum Tee. Nathanson fragte mich, was ich ernsthaft von Astrologie und Horoskopen halte, woraus ich schließen konnte, dass sich Robert von Mrs. Vorbrugg in die Mysterien der Sterndeuterei einführen ließ. Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass Robert bei Mrs. Vorbrugg mit Maria zusammentraf und Mrs. Vorbrugg ihn aufforderte zu bleiben, als er den Versuch machte, nach alter Gewohnheit auszurücken. Mit einem Wort, Robert benutzte alle Listen eines Verliebten, um sich der Dame seines Herzens zu nähern.

Schließlich gab es eine kleine Feier des Tennisklubs, Robert spielte sehr hübsch Klavier, und um noch ein Übriges zu tun, ließ er in später Stunde, völlig nüchtern diesmal, seine Sonetten steigen. Ich beobachtete Maria. Sie war nichts als Staunen.

Man sah die beiden nun fast täglich auf dem Tennisplatz. Robert erblasste, wenn Maria auftauchte: die Röte, eine eigentümliche helle Röte, stieg ihm ins Gesicht, wenn sie ihm die Hand hinstreckte: Er war verlegen und unsicher und ließ sie nicht mehr aus den Augen. Maria streifte ihn häufig mit prüfenden Blicken, sie schien nachdenklich, spielte nachlässig und ohne rechte Lust. Zuweilen saß sie auch nur still abseits, um bald wieder zu verschwinden.

Schließlich sah man die beiden häufig in Nankingroad oder am Bund, Robert begleitete sie bei ihren Einkäufen. Mrs. Vorbrugg sprach von Robert als einem netten Jungen, und später nannte sie ihn einen reizenden jungen Mann. Nathanson starrte mich eines Tages mit seinen kugelrunden Augen bedeutungsvoll an und raunte: ,Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten.‘

,Was für ein Geheimnis?‘

,Er hat ihr Einverständnis. Seit gestern Abend.‘

Bei einem Sommerfest musizierten die beiden zusammen. Robert spielte Klavier, sie die Geige, übrigens recht hübsch. Nun war es kein Geheimnis mehr. Robert strahlte. Er gab sich nicht die geringste Mühe, sein Glück zu verbergen.

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