Specials
Firmenlogo
Verlag für E-Books (und Bücher), Handwerks- und Berufszeichen
Sie sind hier: Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo von Walter Kaufmann: Rezension
Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo von Walter Kaufmann
Format:

Klicken Sie auf das gewünschte Format, um den Titel in den Warenkorb zu legen.

Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
16.12.2013
ISBN:
978-3-86394-573-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 187 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Geschichten vom Meer, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Politik, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert
Abenteuerromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben
Kuba, Brasilien, Seefahrt, Rassendiskriminierung, DDR, Gewerkschaft, Solidarität, Duisburg
Zahlungspflichtig bestellen

Die Postkarte aus Sydney

In seinem Buch „Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo“ erzählt Walter Kaufmann Storys von gestern und heute

Es sind kleine, aber eindrucksvolle Geschichten, die Walter Kaufmann in seinem erstmals 1997 in der edition reiher im Dietz Verlag Berlin erschienenen Buch „Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo“ erzählt. Sie handeln an sehr verschiedenen Orten und von sehr verschiedenen Menschen, immer aber von Walter Kaufmann. Begonnen hatte alles mit einer Bildpostkarte aus Sydney, die er viel später wiederfindet, und die wie viele andere Postkarten von anderen Orten Erinnerungen auslöst. Noch später waren es Stichworte in einem Notizbuch, die Erinnerungen Notizen auslösen und den Stoff abgeben für diese kleinen, aber eindrucksvollen Geschichten, auf die sich der Leser einlassen sollte – aufmerksam, neugierig und ganz bei der Sache.

Und nicht ohne Grund geht es in der ersten dieser „Storys von gestern und heute“, in der Geschichte „Am Hafentor“ um jene Postkarte aus Sydney:

Sydney, Australien, Mai 1952

In verdreckten Jeans, das Gesicht bis zum Mützenrand rußig vom Kohlenstaub, war ich kurz von Bord und die paar Schritte den Kai entlang bis zum Kiosk am Hafentor gelaufen. „Postkarten, ja sicher“, bestätigte die junge Verkäuferin, „und auch Briefmarken in kleinen Mengen.“ „Eine reicht“, versicherte ich ihr. „Bloß ein Lebenszeichen nach Melbourne.“ Das hatte ich ihretwegen gesagt, und sie merkte es. Sie lächelte. Damit ich die Postkarten nicht mit rußigen Händen anfasste, blätterte sie eine Auswahl vor mir auf. Sie musterte mich verstohlen, als ich die Picasso-Karte wählte - Femme à la Chemise, eine schlanke Frau mit hochgestecktem Haar und sinnlichem Mund.

„Sieh an!", rief sie.

Tatsächlich - die Frau im Kiosk ähnelte dem Picasso-Modell. „Das ist vor Ihnen noch keinem aufgefallen - einem Seemann schon gar nicht.“ „Seemann ...“ Ich zuckte die Schultern. „Nicht weit her damit. Dies ist meine erste Reise.“ „Sieh an!“

Sie steckte die Karte und die Briefmarke in einen Umschlag und schob ihn zwischen die Zeitung, die ich noch wollte. Gleichzeitig wandte sie sich einem anderen Kunden zu, scherzte mit ihm, bediente ihn, kassierte - meine Zeitung behielt sie unterm Arm. „Nie in Sydney gewesen?“, fragte sie, als der Mann weg war. Es klang freundlich wie ein Lachen. Ich fragte sie nach ihrem Namen. „Warum wollen Sie den wissen?“

„Weil Sie mir gefallen.“ Sie lachte wieder. „Sie trauen sich was“, sagte sie. „Zugegeben“, sagte ich und sah an mir herunter. „Wenn aus dem Kohlentrimmer wieder ein Mensch geworden ist, würden Sie dem ein Stück von Sydney zeigen?“ Sie reichte mir die Zeitung. „Ein Kohlentrimmer und Picasso - das macht neugierig.“ Noch einmal fragte ich nach ihrem Namen, und es entmutigte mich nicht, dass sie stumm blieb - ich würde ihn schon noch erfahren. Ich lächelte sie an, und sie lächelte zurück. „Wenn ich wieder ein Mensch bin.“ „Um fünf“, sagte sie, „schließ ich hier ab.“

Damals im Mai 1952 in Sydney, damals war Walter Kaufmann übrigens 28. Viel später hat er aus kleinen Notizen große Geschichten gemacht. Sehr lesenswert.

 

Walter Kaufmann, der eigentlich Jizchak Schmeidler heißt und am 19. Januar 1924 in Berlin geboren wurde, ist ein deutsch-australischer Schriftsteller. Der in Duisburg aufgewachsene Adoptivsohn eines jüdischen Anwaltsehepaars hatte als 14-Jähriger mit einem Kindertransport über die Niederlande nach Großbritannien fliehen können und wurde so vom Schicksal seiner im KZ Auschwitz ermordeten Adoptiveltern verschont. Mit 15 als „feindlicher Ausländer“ nach Australien deportiert, musste er sich dort ganz auf sich allein gestellt seinen Lebensunterhalt verdienen – als Obstpflücker, Landarbeiter, Straßenfotograf, Werftarbeiter sowie als Arbeiter im Schlachthof, als Freiwilliger in der Australischen Armee und als Seemann. 1953 erschien in Melbourne sein erster Roman „Voices in the storm“. Ihm folgten seit seiner Übersiedlung in die DDR 1957 mehr als 30 Bücher. Deren Mehrzahl hat Kaufmann, der noch immer die australische Staatsbürgerschaft besitzt, in englischer Sprache geschrieben, anschließend selbst übersetzt oder übersetzen lassen. Sein bewegtes Leben als jüdischer Emigrant, seine Reisen als Seemann, sein Leben in Australien und die Ereignisse im faschistischen Deutschland thematisierte der Autor in vielen seiner Romane, Erzählungen in der Tradition der amerikanischen Short Story und Reportagen.

Amazon

Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo von Walter Kaufmann: Rezension