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Einmal saß mir im Eisenbahnzug nach Wonthaggi ein Fremder gegenüber. Ich musterte ihn in der gleichgültigen Art, wie wir es manchmal tun, wenn nichts anderes unsere Aufmerksamkeit erregt. Aber allmählich erwuchs daraus ein gegenseitiges Erkennen, das nichts mit dem zu tun hatte, wer oder was der andere war, sondern damit, dass es ihn überhaupt gab.
Da lächelten wir uns zu, und das war, als ob wir uns die Hände reichten.
Hier saß mir also ein Australier gegenüber, ein abgehärteter, magerer Arbeiter. Und ich, der Jude aus Deutschland, bedrückt von der Vergangenheit, die immer noch über mir hing, fühlte mich plötzlich zum ersten Mal befreit, es schien, als ob neue Kraft und ruhiges Glücksgefühl über mich kämen.
Schon von Wonthaggi gehört, nehm ich an?, fragte der Mann.
Ja, antwortete ich. dort wird Kohle gefördert.
Stimmt, ich bin selbst Bergmann.
Ich vermutete das, sagte ich.
So?, sagte er und setzte sich in seinem Sitz zurück. Er schien erkannt zu haben, dass Wonthaggi für mich nur ein Name und die Tätigkeit des Bergmanns nur eine verschwommene Vorstellung von harter, schmutziger Arbeit war.
Neu in diesem Land?, fragte er, aber es klang wie eine Feststellung von etwas bereits Bekanntem, eine Feststellung, die mit viel Wohlwollen verbunden war. Man hatte mir diese Frage schon oft gestellt, jedoch stets mit unangebrachter Neugier oder mit Misstrauen.
Ja, sagte ich, ich bin noch nicht lange hier.
Er nickte mir zu. Sein Gesicht drückte offenes Interesse aus. Es war nicht jenes höfliche Interesse, das der Neugier des Augenblicks entspringt, sondern das der Sorge des Arbeiters um den anderen.
Er stocherte nicht in meiner Vergangenheit herum, und ich war ihm dankbar dafür, fühlte ich doch, dass ihn nur meine Zukunft interessierte. Danach unterhielten wir uns ungezwungen, und am Ende forderte der Bergmann mich auf, ihn doch einmal zu besuchen. Er drückte sich so aus: Kannst an irgendeinem Abend zum Tee kommen. Meine Frau und ich, wir würden uns freuen, dich zu sehen. Darauf kramte er einen Bleistiftstummel hervor und schrieb seine Adresse sehr langsam auf, wobei der rumpelnde Zug seine Hand schüttelte.
Einen Augenblick lang glaubte ich, die Einladung sei eine Art Wohltätigkeit von ihm; aber dann wurde mir klar, dass dies nicht so war. Ich dankte ihm und sagte, dass ich mich auf diesen Besuch freue.
Ich versuchte mir nun vorzustellen, wie es in seinem Haus aussehen würde. Dabei erinnerte ich mich an Wilhelms Haus in Deutschland - ein kleines, rußiges Ziegelhaus in der Nähe der Stahlwerke, ein Haus in einer schmalen, von Rauch erfüllten Straße, das einer Steinmauer gegenüberstand, auf der stets in großen, ungleichmäßigen Buchstaben Losungen standen: Proletarier aller Länder, vereinigt euch - Hitler bedeutet Krieg - Freiheit für Ernst Thälmann. Die Nazis übermalten die Losungen immer und setzten riesige Hakenkreuze an ihre Stelle, von denen kalkweiße Streifen die Mauer herunterliefen. In Wilhelms Haus aber hatte es kein Übermalen gegeben, kein Schwanken und kein Ducken. Dort hatte man die Losungen nicht aufgegeben.
Ich blickte auf und dachte nicht mehr an Deutschland. Der Wonthaggi-Bergmann, mein neuer Freund, rollte sich eine Zigarette. Ich sah zu, wie er den Tabak zwischen den Handballen rieb. Dann dachte ich: Bist wie Wilhelm, siehst zwar nicht so aus, aber handelst und sprichst wie er.
Du bist uns stets willkommen, jederzeit, hatte Wilhelm gesagt, sogar nachdem ihn ein Naziboss davor gewarnt hatte, einen Juden einzuladen. Meine Frau und ich, wir werden uns immer freuen, dich zu sehen ...
Auch hier gab es also Männer, die keine Angst hatten, ohne weitere Umstände mit einem anderen bekannt zu werden und ihm zu trauen, und die, nachdem sie ihm einmal ihr Vertrauen geschenkt haben, auch zu ihm stehen und ihm dadurch Mut machen. Ich freute mich.
Am Bahnhof trennten wir uns.