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Die Welt des Markus Epstein von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
16.12.2013
ISBN:
978-3-86394-576-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 435 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Jüdisch, Belletristik/Biografisch
Abenteuerromane, Kriegsromane, Biografischer Roman, Bezug zu Juden und jüdischen Gruppen
Holocaust, Faschismus, Judenverfolgung, Emigration, Internierungslager, Auschwitz, Australien, Großbritannien
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“Sippenhaft”, sagte Arno. “Schon mal davon gehört?”

Markus nickte.

“Ein Spitzel!”, fuhr Arno fort. “Die ganze Gruppe ging hoch, nur ich konnte fliehen - seitdem aber hält die Gestapo meine Eltern fest. Wäre der Krieg nicht, ich führe zurück und würde mich stellen.

Markus war, als deckten Arnos Ängste die eigenen zu, und er begriff plötzlich, warum Arno meist für sich blieb und bis in die Nächte hinein nur schuftete.

“Was hattet ihr denn gemacht?”

“Flugblätter an Mauern und Bäume - du verstehst schon”, sagte Arno. Sein schmales Gesicht lag jetzt im Schatten. “Du fragst nach meinen Eltern und denkst an deine. So ist es doch?”

Markus nickte.

“Komm noch mal in den Schuppen”, sagte Arno. “Einen Schnaps wirst du doch vertragen."

Drinnen hockten sie auf Kisten, die Flasche zwischen sich auf dem Boden. Nach dem ersten Schluck stellte Markus sein Glas aufs Regal. Arno lockerte der Schnaps auf, er wurde mitteilsam. Markus schien es bald, als wäre auch er in jener Nacht in Ulm dabei gewesen, als schreckte auch er vom Splittern der Haustür, dem Stampfen der Stiefel hoch, als blende auch ihn das grelle Licht von Stablampen, das jetzt durch den Keller und über die erstarrten Gesichter streicht, als hörte er die SA-Leute brüllen: “Da haben wir das Pack, nun aber los!” Und weil Arno nicht schnell genug hochkommt, versetzt ihm der SA-Mann einen Tritt, Arno prallt gegen die Wand, es reißt ihm die Brille vom Gesicht, und der SA-Mann zertritt die Brille mit dem Stiefelabsatz. Wie blind tastet sich Arno aus dem Keller die Treppe hoch und durch die zertrümmerte Haustür den anderen nach auf die Straße. Sie müssen ihn zu dem Laster führen, der da vor dem Haus parkt, und dort packen sie ihn und schleudern ihn auf die Ladefläche. “Ab mit dir, du Sack!" Und Markus begreift, dass sie den, der da hilflos um sich tastet, am wenigsten beachten - der entkommt uns nicht. Und ehe noch der Laster um die Ecke biegt, hat Arno sich an der Ladeklappe hochgestemmt, einen Satz in die Straße getan, und ist im Dunkel einer Gasse verschwunden.

“Hast du mal einen Blinden an der Bordsteinkante beobachtet?”, fragte ihn Arno.

“Wer nicht.”

“Will nur erklären, warum mir gleich geholfen wurde und trotz dem Gebrüll in der Gasse keiner auf den Gedanken kam, dass das mir galt. Und zwei Tage später hatte ich es über die Grenze zur Schweiz geschafft und schließlich von dort nach England.“ Aus seiner Brieftasche nahm er ein Foto und hielt es Markus hin. “Das sind sie - meine Eltern.”

Markus stellte sich die beiden Alten zwischen den kahlen Wänden von Gefängniszellen vor und empfand Arnos Ängste wie eigene.

“Sieht man gleich, dass das deine Eltern sind."

Arnos Hand zitterte, als er das Foto in die Brieftasche zurückschob. “Und nun lass endlich hören, was dich bedrückt.”

Markus tat sich schwer - da war dieser Brief, den die Eltern ihm noch über das Rote Kreuz hatten schreiben können, und ihr Foto, das ihn auf Umwegen erreicht hatte. Wie gezeichnet der Vater noch war von der langen Haft in Dachau! Und was bedeutete es, dass die Mutter sich mit den Füßen plagte, von geschwollenen Füßen schrieb? Aber es geht schon, ich schaff’s schon. Wohin musste sie so weit laufen, wonach sich so lange anstellen? Wir denken immer an Dich und hoffen auf ein Wiedersehen. Wenn er das Foto betrachtete, überkamen ihn Ängste, die er Arno nicht erklären konnte - wo war das Foto entstanden? Zwar wohnen wir nicht mehr in der Kellerwohnung, aber auch nicht mehr in unserem Haus, sondern teilen eins mit anderen Familien - da ist auch ein Junge dabei, der uns oft an Dich erinnert. Wie war Arno begreiflich zu machen, was es den Eltern bedeutet haben musste, das eigene Haus aufzugeben. Noch müssen wir nicht auf die lange Reise, hatten sie geschrieben, und haben Hoffnung. Von was für einer Reise war da die Rede?

“Stell dir einen reichen Reeder vor, mit Schiffen auf allen Weltmeeren - glaubst du nicht, dass so einer meine Eltern noch aus Deutschland rausholen könnte?"

“Von wem sprichst du überhaupt?”

Markus erklärte es und erzählte, warum es ihm nicht gelungen war, den Onkel um Hilfe für die Eltern zu bitten. Arno hörte schweigend zu. Schließlich sagte er: “Je größer das Haus, je weniger Platz für die Gäste? Den Onkel schlag dir aus dem Kopf.”

Schweigend stand Markus auf, doch Arno hielt ihn zurück. “Ich könnte mich auch geirrt haben", sagte er.

“Ich glaube nicht”, sagte Markus.

 

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