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Geschichte lebendig halten – Erlesenes, Erfahrenes, Erlebtes. Versuch einer Chronik von Wolteritz und Lössen von Angelika Hofmann
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Preis E-Book:
18.99 €
Buch:
23.80 €
Veröffentl.:
09.03.2020
ISBN:
978-3-96521-175-9 (Buch), 978-3-96521-176-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 292 Seiten
Kategorien:
Geschichte / Deutschland, Geschichte / Militär / 1. Weltkrieg, Geschichte / Militär / 2. Weltkrieg, Geschichte / 20. Jahrhundert, Geschichte / 19. Jahrhundert, Geschichte / 18. Jahrhundert, Geschichte / 17. Jahrhundert, Geschichte / 16. Jahrhundert
Mündlich überlieferte Geschichte, Oral History, Sozial- und Kulturgeschichte, Europäische Geschichte: Mittelalter, Europäische Geschichte: Reformation, Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, 1500 bis heute
Wolteritz, Lössen, Buschkirche, Kirche, Gasthof, Schmiede, 1. Weltkrieg, 2. Weltkrieg, Enteignung, Vertreibung, Dorfgeschichte, Braunkohle, Windmühlen, Stellmacher, Schlippe, Schule, Kindergarten, LPG, Feuerwehr, Kleinbahn, Bürgermeister, Kinderspiele, Siedlung, Chor, Puppentheater, Laienspiel, Mandolinengruppe, Radfahrverein, Turnverein, Clown Caro, Weißclown, Friedensfahrt, Schladitzer See, Hochwasser, Wismut
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Kinderfeste und -spiele

In der Schulchronik wird in der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert von Kinderfesten, einer Fahrt nach Leipzig zum Panorama und der Sedanfeier mit einem großen Kriegsspiel mit 200 Knaben aus Lemsel, Zschortau, Schladitz, Güntheritz, Zschölkau, Hohenossig und Cletzen berichtet. Das Erntedankfest wurde auch später noch mit Kinderfesten verbunden. Die Siedlung organisierte bis 1945 eigene Kinderfeste.

Das Bild stammt aus der Anfangszeit der Siedlung.

Gisela Pekrul geb. Grabs (Jahrgang 1944) erinnert sich an die Zeit vom Ende der Vierziger- bis Ende der Fünfzigerjahre: „Am Vorabend des 1. Mai und des 7. Oktobers (Tag der Gründung der DDR) gab es einen Laternenumzug und oft mit anschließendem Feuerwerk auf Krebsens Wiese. Voran marschierte die Dorfkapelle. Am Wochenende nach dem 1. Juni, dem Internationalen Kindertag, gab es auf Krebsens Wiese ein großes Kinderfest, an dem sich viele Einwohner, die Kulturgruppen wie Volkstanzgruppe, Mandolinenorchester und Chor, sowie die Schüler der Grundschule beteiligten.

1951: Die 1. Klasse führt unter Leitung von Fräulein Außner beim Kinderfest einen Holländertanz auf

An einer langen Tafel gab es Malzkaffee, später Kakao, und von den Dorfbewohnern gebackenen Kuchen für alle Kinder. Wettbewerbe in Sackhüpfen und Eierlaufen waren angesagt. Die größeren Jungen versuchten, beim Stangenklettern von dem Kranz am Ende der Stange ein Präsent zu greifen. Wer es nicht schaffte, rutschte traurig wieder runter, manchmal schneller, als ihm lieb war. Wurstschnappen: Wer würde sich heute noch mühen, eine Bockwurst zu ergattern, aber damals war das ein sehr begehrtes Präsent. Wer nicht so sportlich und geschickt war, hatte vielleicht Glück beim Drehen des Glücksrades. Das Kinderfest war ein Erlebnis für die ganze Familie.

Festlich gekleidete (und frisierte) Mädchen beim Kinderfest auf Krebsens Wiese

Damals spielten die Kinder ja bei schönem Wetter immer draußen, d. h. auf der Straße. In der Siedlung störte in den Fünfzigerjahren kein Auto und kaum ein Pferdewagen das Kinderspiel. Meist spielten Jungen und Mädchen, alle Altersgruppen, zusammen, oft kamen auch noch die Kinder des Dorfes dazu. Man spielte gemeinsam Verstecken, Hasche (Fangen), Völkerball, Huppel (Himmel und Hölle), Seil springen, Murmeln (Kullerknippchen), „Kaiser, König, Bettelmann“, „Fischer, wie tief ist das Wasser“ „Gehe durch, gehe durch, durch die goldne Brücke“, später auch Hula houp und Gummitwist. Kleinere Gruppen spielten Ballschule oder „Stadt, Name, Land“ mit dem Ball. Die meisten Bewohner der Siedlung akzeptierten unsere Spiele, wobei sie nicht begeistert waren, wenn mal wieder der Ball in das schöne Blumenbeet gefallen war. Einige wenige fegten beim Straßekehren am Sonnabend die eingeritzte Huppel oder das Murmelloch zu. Oder sie scheuchten uns an eine andere Stelle, bitte nicht vor ihrem Zaun.

Turnübungen wie Purzelbaum (Rolle), Handstand oder Kopfstand machten wir auf der Schulwiese. Die Wiese hinter dem Kindergarten diente der Grundschule als Sportplatz. Die Mauer von Schüllers Garten war für Übungen wie Handstand an die Wand sehr hilfreich. Auf dieser Wiese wurde auch Fußball gespielt, der Sportplatz entstand erst später.

Ende der 1970er Jahre: Bäckerteich und Dorfstraße bis zum Konsum

Der beste Spielplatz war aber der Bäckerteich. Er hatte eine eiserne Abgrenzung, die man wunderbar als Turnstange (Reck in Kleinformat) nutzen konnte. Immer wieder von den Müttern ermahnt, ja nicht in den Teich zu fallen, machten wir Schweinebammel und Umschwünge. Das war nur für Kleinere möglich, für die Größeren war die Stange zu niedrig. Wie das Bild zeigt, wurde auf dem Teich auch gepaddelt.

Kinderspiele an und in dem Bäckerteich.

Blick vom Bäckerteich auf die Häuser Nr. 28 und 29

War der Teich zugefroren, trafen sich alle Kinder mit dem Eisrösschen auf ihm. Das Eisrösschen war eine niedrige Hitsche mit Kufen, auf die man sich kniete und mit Pickeln abstieß. Zum Schlittschuhlaufen (wenn man welche besaß) und Eishockeyspielen ging man meist auf die anderen Teiche. Taute dann das Eis, war für die Jungen auf allen Teichen das immer wieder verbotene Schollenlaufen angesagt. Kam man nass nach Hause, weil man im Eis eingebrochen war, gab es oft noch eine Tracht Prügel, von der man am nächsten Tag stolz den Mitschülern berichtete.

Das Eis auf dem Bäckerteich hält wohl noch nicht.

Da die Winter damals kälter waren, konnten die Kinder ausgiebig rodeln. Dafür war der Hügel an der Linde am Friedhof wunderbar geeignet. Wir waren nicht anspruchsvoll, Wolteritz liegt ja nicht im Gebirge. Man rodelte den Hügel hinunter auf die Straße. In jener Zeit brauchte man keine Angst vor Autos zu haben. Wem dieser Hügel nicht reichte, der ging zum Baggerloch oder zum Lössener Teich, da gab es auch eine gute Rodelbahn.

Die Rodelbahn führte von den Wurzeln der Linde zur Straße

Jede Jahreszeit bot besondere Freuden. Sowie die ersten Maikäfer auftauchten, ging es an die Linden in der Siedlung zum „Maikäfertetschen“. Fast alle Kinder der Siedlung und des Dorfes waren vereint beim Fangen der Tausenden von Maikäfern. Während die Großen auf die Bäume kletterten, um die Käfer herunterzuschütteln und sich die besten zu sammeln, blieben für die Kleinen unten auch noch genügend übrig. Anschließend zählte jeder stolz seine Beute. Zum Schluss dienten die Käfer aber doch als Hühnerfutter.

Ende der Vierzigerjahre badeten wir noch in Naumanns Teich, das wurde dann aber untersagt, weil einige Kinder Hautausschlag bekommen hatten. Das nächste Freibad war Grabschütz, für Kinder der Grundschule ein ganz beachtlicher Fußweg. Hin und wieder gab es auch einen Schulausflug zur Delitzscher Badeanstalt „Elberitzmühle“.

Pferd und Mensch baden gemeinsam in Naumanns Teich

Kindergeburtstage wurden in der Familie mit den besten Freunden oder Freundinnen gefeiert. Die Mutter hatte für alle leckeren Kuchen gebacken und spielte danach mit den Kindern in der Wohnung, z. B. „Hänschen, piep einmal“, Teekessel, „Ringlein, Ringlein, du musst wandern“, Topfschlagen, Blindekuh, „Stille Post, „Ich packe meinen Koffer“, „Schraps hat den Hut verloren“, „Alle Vögel fliegen hoch“, Mehlschneiden, „Armer schwarzer Kater“, Zublinzeln, „Mein rechter, rechter Platz ist leer“, „Reise nach Jerusalem“. Besonders großen Spaß machte das Auslösen der Pfänder. Der Nachmittag ging immer viel zu schnell zu Ende.

Kinderarbeit gehörte dazu, für die Bauernkinder war das selbstverständlich. Aber auch alle anderen Kinder mussten in der Landwirtschaft helfen, so beim Absammeln von Kartoffelkäfern. Ab der 1. oder 2. Klasse ging man nach der Schule Rüben verziehen und brauchte in dieser Zeit keine Hausaufgaben zu machen. Die Kleinen waren nicht so schnell und nahmen nur eine Reihe. Dafür gab es 25 Pfennig in der Stunde. Ab 3. Klasse nahm man zwei Reihen und erhielt 50 Pfennig. Am Abend gab es beim Bauern eine warme Mahlzeit. Waren alle Rüben verzogen, wurde der „Alte“ gefeiert. Es gab ein Festessen und die Kinder durften auch etwas in der Scheune toben. Als dann die LPG gegründet wurde, lockte sie die Kinder mit 30 bzw. 60 Pfennig die Stunde. Am Abend gab es dort nur eine doppelte Wurstbemme. Die schmeckte aber längst nicht so gut wie das Essen beim Bauern. Der „Alte“ wurde auch nicht gefeiert, so dass die Kinder meist zuerst beim Bauern arbeiteten und erst, wenn es dort nichts mehr zu verziehen gab, zur LPG wechselten. Der Vorsitzende Thilo Müller organisierte schließlich statt des „Alten“ eine Tagesfahrt in das Thüringer Mühlental, das war verlockend.

Die Herbstferien nannten sich damals „Kartoffelferien“, weil die Kinder zum Absammeln der Kartoffeln vom Feld gebraucht wurden.

Schulkinder bei der Feldarbeit in Lössen um 1930

Die Jugendlichen gingen zu Tanzveranstaltungen (mit einer richtigen Kapelle), verkleideten sich zum Karneval und organisierten für alle Männer aus dem Dorf Himmelfahrtspartien.

Die drei jungen Männer aus Wolteritz erhielten für diese Verkleidung 1956 in Zschortau den ersten Preis.

Wolteritzer Himmelfahrtspartie um 1956

 

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