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Ein Leben in drei Deutschlands. Deutsch-deutsche Geschichte in persönlichen Erlebnissen und Geschichten von Claus Göbel
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Preis E-Book:
6.99 €
Buch:
12.80 €
Veröffentl.:
25.09.2017
ISBN:
978-3-95655-840-5 (Buch), 978-3-95655-841-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 196 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Politik, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Geschichte
Memoiren, Berichte/Erinnerungen, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Weiterführende Schulen, Hochschulbildung, Fort- und Weiterbildung, Zweite Hälfte 20. Jahrhundert (1950 bis 1999 n. Chr.), Sachsen
DDR, BRD, Faschismus, Schule, Hochschule, Wende, Humor, Bulagarien, Kanada, Ungarn, Jugoslawien, Camping, Abitur, Stasi
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Eine private Reise nach Bulgarien war zu jener Zeit ein großes Abenteuer. Wir mussten uns zunächst in Dresden eine sogenannte Reiseanlage ausstellen lassen und dann in den Konsulaten der Länder Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Bulgarien in Berlin die jeweiligen Visa einholen. Dafür brauchten wir mehrere Tage. Devisen für Jugoslawien und Bulgarien gab es damals nicht, weshalb unsere bulgarischen Freunde, die wir im Austauschpraktikum im Jahr zuvor kennengelernt hatten, rieten, billige Armbanduhren mitzubringen, die sie für uns in Sofia verkaufen und zu Geld machen wollten. Wir kauften jeder sechs Armbanduhren, die, an den Unterarmen befestigt, mitgenommen und in Sofia innerhalb weniger Tage verkauft werden konnten. Auch wollten wir mit dem Zug von Dresden nach Sofia nicht durchfahren, sondern nur nachts reisen und uns am Tag die Städte Prag, Budapest und Belgrad ansehen. Dietmar hatte in Prag und Budapest einen Bekannten, der uns betreut hat. In Belgrad allerdings kannten wir niemanden.

Unser Reisegepäck bestand aus einem mittelgroßen Koffer und einem damals üblichen Campingbeutel. Das war ein länglicher runder Beutel, der nur mit einem Gurt getragen wurde. Früh in Belgrad angekommen, wurden die Koffer in der Gepäckaufbewahrung des Hauptbahnhofs abgegeben, weil wir tagsüber die Stadt besichtigen wollten. Das war ausgesprochen frech, wussten wir doch nicht, wie wir sie wieder auslösen können, da wir nicht einen Dinar besaßen. Uns wird schon etwas einfallen, dachten wir – und es fiel uns tatsächlich etwas ein.

Wer am Nachmittag den glorreichen Einfall hatte, das DDR-Konsulat in Belgrad aufzusuchen, um dort die notwendigen Dinar für die Auslösung der Koffer aufzutreiben, weiß ich nicht mehr. Wir fanden das Konsulat der DDR, das übrigens unweit des Konsulats der BRD lag, und drückten mutig auf die Klingel der Eingangstür. Die Dame, die uns öffnete, sah uns entgeistert an, was verständlich war, war doch unsere äußere Erscheinung am 4. Tag unserer Reise wenig ansehnlich. Wir stellen uns als in Not geratene Studenten der DDR vor und sagten ihr, dass unseres Wissens das DDR-Konsulat in solchen Fällen helfen kann. „Warten Sie hier im Vorraum, ich versuche, mit dem Konsul zu sprechen“, sagte die Dame zu uns. Nach einigen Minuten kam sie zurück und teilte uns mit, dass der Herr Konsul noch eine Verpflichtung hat und uns danach empfangen wird.

Nach kurzer Wartezeit wurden wir hereingebeten und standen nun dem Herrn Konsul gegenüber, dessen Namen ich vergessen habe. „Was kann ich für Sie tun, meine Herren“, fragte er uns ganz locker. Und nachdem wir unsere Situation geschildert hatten, wollte er unser Visum für Jugoslawien sehen. „Sie besitzen nur ein Transit-Visum, meine Herren, was bedeutet, dass Sie in Jugoslawien nicht unterbrechen und aussteigen durften. Es gibt zwar einen Hilfsfonds für in Not geratene DDR-Bürger in Jugoslawien, aber der ist für Sie nicht wirksam, da Sie eigentlich gar nicht hier sein dürften“, klärte er uns auf. Obwohl das eine klare Ablehnung war, spürten wir, dass wir ihm sympathisch waren und er uns helfen wollte. „Damit Sie nicht etwa auf den Gedanken kommen, im westdeutschen Konsulat betteln zu gehen (Was wir sicher getan hätten!), biete ich Ihnen folgende Lösung an: Ich schieße Ihnen etwas Geld vor, das Sie später in der DDR zurückzahlen müssen. Und weil ich Sie in diesem Zustand nicht aus dem Haus lassen kann, bitte ich Sie in den Keller, wo Sie sich gründlich duschen und rasieren können. Dann kommen Sie zu mir zurück und bekommen so viele Dinar, die ausreichen, ein Brot zu kaufen und die Koffer auszulösen. Mit dem nächsten Zug fahren Sie dann nach Sofia. Mehr kann ich nicht für Sie tun, glückliche Weiterreise“, sagte er und entließ uns zunächst.

Nachdem wir uns hergerichtet, das Geld bekommen und uns bei diesem beeindruckenden Mann artig bedankt hatten, verließen wir frohgemut das Konsulat. Wir kauften etwas zu essen, gingen zum Hauptbahnhof, holten unsere Koffer ab und fuhren mit dem Nachtzug nach Sofia, wo wir am Morgen von unseren bulgarischen Freunden vom Hauptbahnhof abgeholt und danach im Internat der Universität Sofia untergebracht wurden.

Einige Monate später ging mir vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR doch tatsächlich eine Aufforderung zu, 18 DDR-Mark in die Kasse des Ministeriums einzuzahlen. Da sage noch jemand, in der DDR herrschte keine Ordnung!

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