Specials
Firmenlogo
Verlag für E-Books (und Bücher), Handwerks- und Berufszeichen
Sie sind hier: Radsaison von Herbert Friedrich: TextAuszug
Radsaison von Herbert Friedrich
Format:

Klicken Sie auf das gewünschte Format, um den Titel in den Warenkorb zu legen.

Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
04.11.2021
ISBN:
978-3-96521-552-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 260 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Action und Abenteuer/Allgemein, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Freundschaft
Kinder/Jugendliche: Gegenwartsliteratur, Kinder/Jugendliche: Action- und Abenteuergeschichten
Radrennen, Rennfahrer, Freundschaft, Kameradschaft, Liebe, Abitur, Schule
12 - 99 Jahre
Zahlungspflichtig bestellen

Ich erwischte den letzten freien Tisch in der Nähe der frischen Luft und war nun zufrieden. Es gelang mir, bevor der große Schwung ankam, ebenfalls ein Tatar zu erwerben. Das Quartett spielte mir auf zur besseren Verdauung. (Der Gitarrist war gut.)

Ich stieß mit Hille an, auf den Sieg, trank den Rest aus seiner Flasche, weil der Ober mein Bier vergessen hatte.

Wir waren schon in Stimmung, als die kleine Raupe eintraf. Sie entpuppte sich wieder als schillernder Schmetterling, trug das Kleid vom Geburtstagsabend, fröhliche graue Augen im runden Gesicht, sanft geschwungene Brauen. Ich machte ihr ein Kompliment. Sie lachte, setzte sich ohne Umstände und griff nach der Karte.

Wir unterhielten uns glänzend.

Ihr Kopftuch war noch immer in meiner Obhut. Nicht einmal hatte sie danach gefragt. Vielleicht nahm sie an, sie habe es verloren.

Ein Funktionär der Hauptstadt hielt eine Rede, die den Vorzug hatte, kurz zu sein. Dann stiegen die Sieger nach vorn, die Zeitfahrer über fünfhundert Meter und jene über zweitausend Meter, die Mannschaftszeitfahrer über dreitausend Meter, die Zweiermannschaftsfahrer über eine Stunde. Eine Menge Jungen stand dort herum. Und unter ihnen der Sieger in der Krone der Bahndisziplinen, im Sprint, Gerd Hille von der mageren BSG Tabak Dresden, der Außenseiter und König.

Silvia ließ Wein kommen in seiner Abwesenheit; sie lachte viel, hatte nun endlich auch Urlaub, verriet, dass ihr Hille angetragen habe, einige Tage mit ihm zelten zu fahren.

Ich dehnte das Gummiband an meinem Lederschlips.

Dann waren die Preise verteilt, Ersatzteile, Rennzubehör, allerlei Kram, den ein armer Schlucker von Rennfahrer brauchen konnte. Hille brachte einen Lederkoffer an. Mir blieb das Kopftuch. Den von mir gestifteten Preis hatte er schon vor dem Rennen bekommen, eine grünlackierte Bahngabel in der Schaftlänge von hundertzweiundsechzig Millimeter. Sie hatte ihre Bewährungsprobe bestanden

„Eine Luftmatratze hätte dir mehr genützt“, legte ich los.

Er: „Ist doch ein schöner Koffer.“

Sie: „Schenkt mir keiner zu trinken ein?“

Ich, während ich den Dimiat nachgoss: „Beim Zelten stört so ein Koffer nur. Wohin willst du mit dem Koffer im Zelt?“

Sie: „Hans-Peter weiß es, Gerd. Du bist doch nicht böse?“

Er schluckte und meinte dann, nur um etwas zu sagen: „Ihr redet euch mit Vornamen an?“

Ich: „Zeit wird es, was, Silvia? Sag du zu mir, Waldmädchen, auch wenn du mit ihm zeltest.“

Hille lachte, und die kleine Raupe funkelte mich an. Mir war warm. Sie hob wirklich das Glas. Sie stieß an mit mir. Sie schob ihren Arm mit dem Glas unter dem meinen durch. So tranken wir Brüderschaft.

Den Kuss ließ ich mir nicht entgehen.

Die Kapelle schmetterte. Es sang eine Kleine von ihrem Bräutigam, der ihr Sorgen bereite. Hille lächelte. Ich schob den Koffer aus dem Bereich meiner mittelalterlichen Schuhspitzen.

„Da geht eine Menge ’rein“, lobte ich. „Die haben gewusst, dass du an die DHfK willst. In Leipzig ist was los. Tolle Nachtlokale, olalà. Hoffentlich bleibt er dir treu, Silvia. Na, wenn schon, mich hast du auch noch.“ Ich hatte das Bier und zwei Glas Wein getrunken, ich war in Fahrt. Es gefiel ihr. Und es gefiel mir, wie es ihr gefiel. Sie stieg auf den Ton ein, spielte die Eifersüchtige. „Wem hast du die Blumen zugeworfen, heute nach der Ehrenrunde?“

Ich: „Du hast jemand die Blumen zugeworfen, Gerd?“

Sie: „Am Ziel wirft er die Blumen weg. Ich freue mich, dass ich vom Sieger wenigstens eine Blume bekomme. Und er wirft sie weg.“

Sie war reizend in ihrer gespielten Empörung. Ich blickte auf ihre hell geschminkten Lippen, die ich geküsst hatte.

„Schenk ein, Klawun“, nörgelte Hille. „Natürlich habe ich die Blumen weggeworfen, Schneider an den Kopf! Er haschte danach, erwischte sie aber nicht. Er hat mir noch lachend gedankt.“ Hille kicherte und trank.

„Schneider?“, fragte Silvia.

Ich erklärte: „Der Chemielehrer war auf der Bahn.“

Sie war begeistert.

Die Kapelle ließ einen Tusch steigen.

Ich sagte: „Nett, dass du ihm die Blumen gegeben hast.“

Hille spottete: „Er hat nie geglaubt, dass in mir etwas steckt. Er hat mich immer für einen Pfuscher gehalten. Meinen Sport hat er nie ernst genommen. Ich habe es ihm heute gezeigt. Aber wie!“

Der Tusch nahm kein Ende.

Hille lachte wiehernd. Ein Mädchen mühte sich am Mikrofon ab, gegen den Lärm anzukommen. „Drei Runden Damenwahl.“

„Tanzen wir“, sagte Silvia zu Hille.

Ich blieb allein an dem Tisch in der Nähe der Terrasse. Das magere Mädchen sang davon, dass sie noch nie beim Twist geküsst habe. Ich nippte am Wein und hoffte, dass Hille keine neue Flasche bestelle. Ich nahm Hilles Reden vom Blumen-an-den-Kopf-Werfen schon als halbes Delirium. Ich fuchste mich, dass er Schneiders gute Absicht verkannte.

Die Musik zitterte. Die Sängerin klammerte sich an das Mikrofon. Der Saal war bombenvoll.

Ich entdeckte Renate Seidel an einem Tisch in Türnähe. Ich hatte nicht einmal im Traum daran gedacht, sie hier zu sehen.

Radsaison von Herbert Friedrich: TextAuszug