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Die Geschichte von Pauls tapferer Kutsche von Herbert Friedrich
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Preis E-Book:
3.99 €
Veröffentl.:
05.10.2021
ISBN:
978-3-96521-522-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 43 Seiten
Kategorien:
Kinder-und Jugendbuch/Action und Abenteuer/Allgemein, Kinder-und Jugendbuch/Geschichte/Militär und Kriege, Kinder-und Jugendbuch/Leser/Anfänger
Kinder/Jugendliche: Historische Romane, Kinder/Jugendliche: Soziale Themen: Kriege und Konflikte
Straßenbahn, Pferdebahn, 1. Mai, Novemberrevolution, 1. Weltkrieg, Polizei, Verhaftung
8 - 99 Jahre
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„Julius Knusebauch, Kaufmann", las ich auf dem blinden Messingschild an der Torsäule. Lesen hatte ich auf meinen vielen Fahrten durch die Stadt gelernt. Ich las alle Geschäftsschilder und die Plakatüberschriften an den Litfaßsäulen. Das hier also war Herr Knusebauch. Mit verzogenem Mund musterte er mich und das Pferd und Gustav. Sicher war sein Kutscher betrunken und die bestellte Droschke nicht gekommen, und sicher ging es ihm um wichtige Geschäfte in der Stadt. Sonst hätte er uns nie und nimmer angehalten. Gustav kletterte mit den Zügeln in der Hand vom Vorderperron herab. Wollte er den Wagen erleichtern, da der Vornehme zustieg?

Die kleine Bertha rief: „Was ist denn mit dem Pferd?"

Jetzt wurde ich aufmerksam. Das Mädchen streichelte dem Hanneken den Kopf und guckte ihm in die großen, großen Augen. Der Junge stand abwartend mit dem Essentopf am Straßenrand. Mein Kutscher Gustav brummte etwas, und Paul wich erschrocken zurück, so dass er fast in den Graben gekugelt wäre. Aber Gustav war keineswegs zornig. Sein großes Gesicht war immer so rot. Als er sah, wie der kleine Paul zusammenzuckte, fragte er mit seiner tiefen Stimme: „Na, Kleiner, willst du 'n Stück mitfahren?"

Da hättet ihr sehen sollen, wie Pauls Augen aufleuchteten! Aber er blieb wie angewurzelt unter dem Kirschbaum stehen. „Und die Bertha?", fragte er leise.

Gustav lachte dröhnend. „Die Bertha darf auch mit, das ist man klar."

Da stieg Paul vorsichtig mit dem Essentopf auf den Vorderperron. Natürlich stellte er sich gleich so, dass er wie Kutscher Gustav Bremskurbel und Pferd beobachten konnte. Bertha folgte ihm nicht. „In der Zuckerfabrik wartet Vater aufs Essen", mahnte sie. Doch ihre Neugier siegte. „Was ist denn mit dem Pferd?", fragte sie zum zweiten Male.

„Ist über den Strang getreten, Mädel", brummte Gustav, war aber nicht unfreundlich. Er hob Hannekens rechten Hinterfuß an, allein er konnte ihn nicht über den Strang heben. Wenn sein Gesicht nicht schon so rot gewesen wäre, jetzt hätte es sich bestimmt vor Anstrengung verfärbt.

Bertha kraulte dem Pferdchen die Mähne. Da stolzierte auf einmal der Vornehme aus der Gartenvilla an Bertha vorbei auf meinen Eingang zu. An den hatte ich gar nicht mehr gedacht! Der hatte lange gebraucht, um sich zu überlegen, ob er mitfahren sollte. „Wanderzirkus!", knurrte er böse, den steifen Hut in die Stirn gezogen, den Stockschirm untern Arm geklemmt, und stieg hölzern ein. Oben sah er sich misstrauisch um, als glaubte er, seinen dunklen Anzug an meiner Holzverkleidung zu beschmutzen. Widerwärtig war mir das! Natürlich beachtete er den kleinen Paul nicht, der sich scheu in eine Ecke drückte. Dann griff der vornehme Herr Knusebauch in seine Hosentasche, betrachtete sorgfältig, was er in der Hand hielt, und warf es – hast du nicht gesehen! – in den Zahlkasten.

„Genug für den Wanderzirkus", sagte er. Hinter der Scheibe aber, die das Geld der Fahrgäste zudeckte, rollte keine Münze, sondern ein Knopf, ein gewöhnlicher, pechschwarzer Hosenknopf.

Dem kleinen Paul fielen fast die Augen aus dem Kopf. Deshalb hatte sich der Vornehme so lange umgeschaut!

Gustav draußen hängte ahnungslos das Hanneken von meiner Hakennase ab, weil er anders das Geschirr nicht in Ordnung bringen konnte. Paul wollte hinunter, um Gustav alles zu berichten. Aber der Vornehme vertrat ihm den Weg und stieß ihn zur Seite. Paul flog an die Bremskurbel und zu Boden, der Essentopf kippte um, und die Suppe lief heraus.

Durch den Ruck löste sich die Kurbel, und jetzt konnte ich mich für die Gemeinheit des Vornehmen rächen. Ungehindert, frei von Bremse und Pferdekraft, rollte ich den Berg hinab. Sacht stahl ich mich fort, damit es niemand merkte. Bald aber begann ich zu sausen – ratataratata – mit einer diebischen Freude, dass ich dem vornehmen Herrn Knusebauch eins auswischen konnte, und auch ein wenig schadenfroh, weil ich Gustav und dem Hanneken bewies, dass ich auch ohne Pferd zu laufen verstand.

Gustav schaute mir, die Zügel in der Hand, entsetzt nach. Das Hanneken drehte sich träge um, als schaue es nach einem Brummer. Bertha hielt ängstlich die Hand vor den Mund. Zusehends wurden die drei kleiner.

Die Kirschbäume hüpften an mir vorbei, die Villen im Park. Die Bauern auf den Feldern ließen die Sensen sinken, als sie mich den Berg hinunterrasen sahen.

Der Vornehme klemmte angstschlotternd im Türeingang, er saß mitten in der Suppe, die Pauls Vater heute hatte essen wollen. Seine Schnurrbarthaare sträubten sich. An einer Biegung flog sein Stockschirm hinaus, an der nächsten die Aktentasche.

„Gib ihm, gib ihm", sangen meine Räder. „Ha ha ha", lachten die Kirschbäume.

„Nicht so schnell! Nicht so schnell“, warnten die Schienen.

Meine Geschwindigkeit nahm ständig zu, und als ich in der nächsten Kurve fast aus dem Gleis getragen wurde, regte sich die Angst in mir. Nur mit Mühe behielt ich die Räder auf den Schienen.

Die Geschichte von Pauls tapferer Kutsche von Herbert Friedrich: TextAuszug