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Er guckte ihm in die Augen und in den Mund, er beklopfte Brust und Bauch und Rücken, packte ihn am Hals, als wollte er die unbekannte Krankheit erwürgen. Nichts. Die letzte Möglichkeit, eine Ursache für das Verhalten des Jünglings zu finden, sah er in einem Schafsknochen. Den warf er ins lodernde Feuer und ließ ihn nicht mehr aus den Augen. Der Knochen knackte in den Flammen und bekam Risse, worauf ihn der Mann wieder aus dem Feuer nahm und die Risse studierte. Dann verkündete er mit mächtiger Stimme: Da hilft keine Brühe vom doppelt gesäugten Lamm und kein Kraut der Steppe. Euer Sohn hat eine kranke Seele und leidet am Gemüt!
Und warum?, fragte die Mutter besorgt.
Weil er in seinem tiefsten Innern ein Geheimnis trägt, das ihn schmerzt, quält und hier machte er eine Pause und blickte nun auch auf den Jüngling, töten wird, wenn er es nicht bald ausspricht!
Der Jüngling bestritt natürlich, ein Geheimnis zu hüten, aber als der Mann gegangen war, gestand er der Mutter: Es ist schon wahr, mich quält ein Geheimnis, aber ich habe keine Wahl: Verrate ich es, tötet mich der Khan.
Die Mutter lächelte und war klug genug, um ihn ein zweites Mal retten zu können. Nichts leichter als das, sagte sie zu ihrem Sohn, besteig dein Pferd, reite hinüber in die Berge, dorthin, wo kein Mensch wohnt, geht oder jagt. Dort sprichst du das Geheimnis in die Schlucht der Felsen oder in das Vogelloch eines Baumes oder in den Spiegel eines der reinen Bergseen. Von Stund an wirst du gesund werden!
Der Jüngling ritt sofort los, ritt einen Tag und eine Nacht und sicherheitshalber noch ein paar Tage und Nächte und gelangte in der Einöde, die bisher kein Mensch betreten hatte, zu einem Felsengebirge.
Eine Schlucht tat sich vor ihm auf, die so groß war, dass hundert und mehr Schafe darin Platz gefunden hätten. Lediglich der Sturm machte ihm arg zu schaffen, als er in die Schlucht hineinritt und sein Pferd scheute, vorn hochsprang, so dass er Mühe hatte, oben im Sattel zu bleiben.
Schnell schrie er in den Donner, so laut er es nur vermochte: Der Khan hat Eselsohren! Und schon als das Echo aus der Felsschlucht zurückscholl und dann vom Sturm gepackt wurde, fühlte der Jüngling bereits Besserung seines Leidens.
Wieder glücklich, ritt er über Tage und Nächte, immer gesünder werdend, nach Hause zu seiner Mutter.
Dort wartete jedoch ein Bote des Khans auf ihn, der ihn wortlos mitnahm zu seinem Herrscher.