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Riedel-Radel saß in der Linde und aß eine Suppe zu Mittag. Das kam einer Sensation gleich. Der Wirt war deshalb sehr darum bemüht, von Gustav zu erfahren, was diesen ausgerechnet an einem Wochentag zum Mittagessen in die Linde lockte; denn das war einfach noch nie dagewesen. Hier aßen täglich zwei Leute zu Mittag, die im Dorfe arbeiteten, aber in der Stadt wohnten. Der Wirt, er hieß Heinrich Tietze, war auf Sondergäste nicht vorbereitet. Und dass ein Bewohner des Dorfes mittags in der ,Linde aß, nein, das geschah ganz selten, und dazu waren schon besondere Umstände nötig, wie etwa Krach mit der Frau oder das Umsetzen eines Ofens und ähnliche Dinge.
Gustav dagegen, der dem Wirt die Neugierde vom Gesicht las und seine Freude darüber nicht ganz verstecken konnte, sagte unbekümmert: Hatte heut keine Lust zum Kochen. Immer selber den Fraß brutzeln, das langweilt, Heinrich. Der Wirt glaubte ihm das natürlich nicht. Wenn Gustav sich 364 Tage im Jahr das Essen selber braute, warum ausgerechnet an diesem Tage nicht? Misstrauisch beäugte er den sonderbaren Gast.
Gibts was Neues?, fragte Gustav und löffelte gemächlich seine Suppe.
Nein! (Es gab etwas. Der Pastor war von den letzten vier Stufen der Kanzel gestolpert und hatte sich den Fuß verknackst. Aber der Wirt dachte: Gerade nicht!)
Wie war denn der Skat gestern Abend?, fragte Riedel-Radel, fischte mit dem Löffel Speckstückchen aus der heißen Suppe und vermied, den Wirt anzusehen.
Wie immer!
Der Wirt zündete sich eine Zigarre an und blies den Rauch durch die Nase.
War der Grundelmann-Bauer da, hat er mitgeskatet?
Weiß ich nicht. Meine Frau hat bedient!
Der Heckenbock-Alois?
Weiß ich nicht, Gustav.
Der will mirs bloß nicht sagen, dieser verdammte Bierhahnwächter, dachte Gustav und aß noch langsamer. Er blies den Dampf vom Suppenteller und rührte immer wieder im Teller herum.
Wenn der Skat wie immer war, musst du es ja wissen, nicht?, bohrte Riedel-Radel.
Meine Frau hat mirs erzählt.
Das lügt er, dachte Gustav. Das wäre ja der erste Skat gewesen, an dem er nicht teilgenommen hätte.
Von Heinrich Tietze, dem Wirt der Linde in Birkenbach, stammte nämlich der Ausspruch: Wenn ihr an meinem Begräbnis nicht einen anständigen Skat kloppt, stehe ich wieder auf und spiel mit euch Ludern um die Ganzen!
Der Schmetterlings-Gribolin hat auch mitgespielt?, fragte Gustav und schob den leeren Teiler beiseite.
Warum willst du das nun wieder wissen?
Weil der immer heult, wenn er verliert!
Er war nicht hier, sagte Tietze und meinte, der Gribolin sei sicher im Walde gewesen. Der jagt doch seit Wochen schon nach so einem Santamifangomorfino oder wie das Zeug heißt.
Nach wem?
Na, nach so einem Schmetterlingsvieh, so einem Santamifangomorfino, halt so ein lateinisches Biest! Der Wirt räumte den Teller vom Tisch. Riedel-Radel wollte bezahlen und sagte: Eine Suppe und dann bring mir noch einen Leichenzug was macht der Schaden? Einsdreiundsechzig.
Unter Leichenzug verstand man in Birkenbach ein helles Bier, einen weißen Korn und einen Kräuterschnaps.
Kommst du morgen wieder zu Mittag? Da richt ich mich drauf ein!, foppte der Wirt.
Das kann sein oder auch nicht sein, je nach na ja, also, wenn ich wieder keine Lust habe zum Kochen, da komme ich!
Gustav ging.
Gribolin du Aas!
Nein, also meine Vermutungen sind immer richtig.
Er beachtete nicht die Leute, die an ihm vorübergingen und grüßten. Und er grüßte vor lauter Gedankenwirrwarr nicht wieder.